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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
den man liebt, die Befehle der Natur, die man
in diesen Fällen empfindet, und gern empfindet,
und endlich die Predigt einer alten dienstfertigen
Muhme, diese Umstände zusammen müssen wohl
die Philosophie eines fühlenden Mädchens, über ei-
nen Haufen werfen. Sie ließ sich entführen,
nachdem sie vorher den Himmel sehr andächtig um
seinen Beystand angefleht, und ihm vorgehalten
hatte, daß diese Ehe durch ihn geschlossen wäre.
Um ihr Gewissen noch mehr zu beruhigen, räumte
sie ihrem Liebhaber die geringste Freyheit nicht ein,
bevor sie in dem nächsten Kloster auf die feyer-
lichste Art getraut waren. Nun war sie Braut
und Frau, und zugleich, unerachtet ihrer andäch-
tigen Vorsicht, die unglücklichste Frau. Jhr
harter Vater war beleidigt, und unversöhnlich.
Kaum verflossen acht Tage, als er sich seiner ent-
flohenen Tochter zum Trotze wieder verheirathete,
und sein ganzes Vermögen dieser Elenden entzohe,
welche die Feindschaft ihres Vaters nicht ertra-
gen konnte. Sie lebte mit ihrem Manne nur
wenige Jahre, traurig, elend, und ohne Hülfe.
Der Mangel und Kummer machten dieser über-
eilten Ehe ein betrübtes Ende. Ein jeder, nur
ihr Vater nicht, bedauerte sie: Der alten Muh-
me aber war das ganz unbegreiflich, wie eine Ehe
habe so unglücklich seyn können, welche doch durch
ihre Vermittelung im Himmel geschlossen wor-
den sey.

Die

Antons Panßa von Mancha
den man liebt, die Befehle der Natur, die man
in dieſen Faͤllen empfindet, und gern empfindet,
und endlich die Predigt einer alten dienſtfertigen
Muhme, dieſe Umſtaͤnde zuſammen muͤſſen wohl
die Philoſophie eines fuͤhlenden Maͤdchens, uͤber ei-
nen Haufen werfen. Sie ließ ſich entfuͤhren,
nachdem ſie vorher den Himmel ſehr andaͤchtig um
ſeinen Beyſtand angefleht, und ihm vorgehalten
hatte, daß dieſe Ehe durch ihn geſchloſſen waͤre.
Um ihr Gewiſſen noch mehr zu beruhigen, raͤumte
ſie ihrem Liebhaber die geringſte Freyheit nicht ein,
bevor ſie in dem naͤchſten Kloſter auf die feyer-
lichſte Art getraut waren. Nun war ſie Braut
und Frau, und zugleich, unerachtet ihrer andaͤch-
tigen Vorſicht, die ungluͤcklichſte Frau. Jhr
harter Vater war beleidigt, und unverſoͤhnlich.
Kaum verfloſſen acht Tage, als er ſich ſeiner ent-
flohenen Tochter zum Trotze wieder verheirathete,
und ſein ganzes Vermoͤgen dieſer Elenden entzohe,
welche die Feindſchaft ihres Vaters nicht ertra-
gen konnte. Sie lebte mit ihrem Manne nur
wenige Jahre, traurig, elend, und ohne Huͤlfe.
Der Mangel und Kummer machten dieſer uͤber-
eilten Ehe ein betruͤbtes Ende. Ein jeder, nur
ihr Vater nicht, bedauerte ſie: Der alten Muh-
me aber war das ganz unbegreiflich, wie eine Ehe
habe ſo ungluͤcklich ſeyn koͤnnen, welche doch durch
ihre Vermittelung im Himmel geſchloſſen wor-
den ſey.

Die
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[242/0264] Antons Panßa von Mancha den man liebt, die Befehle der Natur, die man in dieſen Faͤllen empfindet, und gern empfindet, und endlich die Predigt einer alten dienſtfertigen Muhme, dieſe Umſtaͤnde zuſammen muͤſſen wohl die Philoſophie eines fuͤhlenden Maͤdchens, uͤber ei- nen Haufen werfen. Sie ließ ſich entfuͤhren, nachdem ſie vorher den Himmel ſehr andaͤchtig um ſeinen Beyſtand angefleht, und ihm vorgehalten hatte, daß dieſe Ehe durch ihn geſchloſſen waͤre. Um ihr Gewiſſen noch mehr zu beruhigen, raͤumte ſie ihrem Liebhaber die geringſte Freyheit nicht ein, bevor ſie in dem naͤchſten Kloſter auf die feyer- lichſte Art getraut waren. Nun war ſie Braut und Frau, und zugleich, unerachtet ihrer andaͤch- tigen Vorſicht, die ungluͤcklichſte Frau. Jhr harter Vater war beleidigt, und unverſoͤhnlich. Kaum verfloſſen acht Tage, als er ſich ſeiner ent- flohenen Tochter zum Trotze wieder verheirathete, und ſein ganzes Vermoͤgen dieſer Elenden entzohe, welche die Feindſchaft ihres Vaters nicht ertra- gen konnte. Sie lebte mit ihrem Manne nur wenige Jahre, traurig, elend, und ohne Huͤlfe. Der Mangel und Kummer machten dieſer uͤber- eilten Ehe ein betruͤbtes Ende. Ein jeder, nur ihr Vater nicht, bedauerte ſie: Der alten Muh- me aber war das ganz unbegreiflich, wie eine Ehe habe ſo ungluͤcklich ſeyn koͤnnen, welche doch durch ihre Vermittelung im Himmel geſchloſſen wor- den ſey. Die

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/264>, abgerufen am 22.11.2024.