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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.

Ein Frauenzimmer bürgerlichen Standes,
welches für gut angesehen hat, ihr Geld an einen
von Adel zu verheirathen, und welches sich doch
dabey einbildet, daß ihre Schönheit und ihre Ver-
dienste sie zur gnädigen Frau gemacht haben, giebt
monatlich - 10 fl. -. Es ist viel, und in der
That scheint sie für ihre Thorheit allzutheuer zu
büßen: Aber es war schlechterdings nöthig, eine
starke, und so gar monatliche Lieferung anzuord-
nen, weil ich besorge, ihr Vermögen werde bin-
nen zwey Jahren zerstreut, und sie also weiter nicht
im Stande seyn, diese Steuer zu erlegen, wenn sie
auch noch bey ihrer Armuth stolz genug bleiben
möchte, zu glauben, daß ihre Wahl vernünftig
gewesen wäre.

Ein Bürger ohne Erziehung und ohne Ver-
dienste, der bey seinem und seiner Aeltern erwucher-
ten Vermögen diejenigen mit Verachtung über-
sieht, welche Erziehung und Geburt, aber nur
kein Geld haben; ein solcher Bürger ist bey sei-
nem plumpen Stolze gemeiniglich eines der un-
erträglichsten Geschöpfe. Jch will ihm zween
Vorschläge thun. Entweder, er soll denen von gu-
ter Geburt einen Theil seines Vermögens leihen,
und dadurch das Recht behalten, zu glauben, daß
er wesentliche Vorzüge vor ihnen habe; oder er
soll die Erlaubniß, gegen Vornehmere unbeschei-
den, und gegen Geringere trotzig zu seyn, jährlich
mit - 20 fl. - - erkaufen. Jch glaube
wohl, er wird den letzten Vorschlag wählen, weil

er
T 2
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.

Ein Frauenzimmer buͤrgerlichen Standes,
welches fuͤr gut angeſehen hat, ihr Geld an einen
von Adel zu verheirathen, und welches ſich doch
dabey einbildet, daß ihre Schoͤnheit und ihre Ver-
dienſte ſie zur gnaͤdigen Frau gemacht haben, giebt
monatlich ‒ 10 fl. ‒. Es iſt viel, und in der
That ſcheint ſie fuͤr ihre Thorheit allzutheuer zu
buͤßen: Aber es war ſchlechterdings noͤthig, eine
ſtarke, und ſo gar monatliche Lieferung anzuord-
nen, weil ich beſorge, ihr Vermoͤgen werde bin-
nen zwey Jahren zerſtreut, und ſie alſo weiter nicht
im Stande ſeyn, dieſe Steuer zu erlegen, wenn ſie
auch noch bey ihrer Armuth ſtolz genug bleiben
moͤchte, zu glauben, daß ihre Wahl vernuͤnftig
geweſen waͤre.

Ein Buͤrger ohne Erziehung und ohne Ver-
dienſte, der bey ſeinem und ſeiner Aeltern erwucher-
ten Vermoͤgen diejenigen mit Verachtung uͤber-
ſieht, welche Erziehung und Geburt, aber nur
kein Geld haben; ein ſolcher Buͤrger iſt bey ſei-
nem plumpen Stolze gemeiniglich eines der un-
ertraͤglichſten Geſchoͤpfe. Jch will ihm zween
Vorſchlaͤge thun. Entweder, er ſoll denen von gu-
ter Geburt einen Theil ſeines Vermoͤgens leihen,
und dadurch das Recht behalten, zu glauben, daß
er weſentliche Vorzuͤge vor ihnen habe; oder er
ſoll die Erlaubniß, gegen Vornehmere unbeſchei-
den, und gegen Geringere trotzig zu ſeyn, jaͤhrlich
mit ‒ 20 fl. ‒ ‒ erkaufen. Jch glaube
wohl, er wird den letzten Vorſchlag waͤhlen, weil

er
T 2
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[291/0313] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. Ein Frauenzimmer buͤrgerlichen Standes, welches fuͤr gut angeſehen hat, ihr Geld an einen von Adel zu verheirathen, und welches ſich doch dabey einbildet, daß ihre Schoͤnheit und ihre Ver- dienſte ſie zur gnaͤdigen Frau gemacht haben, giebt monatlich ‒ 10 fl. ‒. Es iſt viel, und in der That ſcheint ſie fuͤr ihre Thorheit allzutheuer zu buͤßen: Aber es war ſchlechterdings noͤthig, eine ſtarke, und ſo gar monatliche Lieferung anzuord- nen, weil ich beſorge, ihr Vermoͤgen werde bin- nen zwey Jahren zerſtreut, und ſie alſo weiter nicht im Stande ſeyn, dieſe Steuer zu erlegen, wenn ſie auch noch bey ihrer Armuth ſtolz genug bleiben moͤchte, zu glauben, daß ihre Wahl vernuͤnftig geweſen waͤre. Ein Buͤrger ohne Erziehung und ohne Ver- dienſte, der bey ſeinem und ſeiner Aeltern erwucher- ten Vermoͤgen diejenigen mit Verachtung uͤber- ſieht, welche Erziehung und Geburt, aber nur kein Geld haben; ein ſolcher Buͤrger iſt bey ſei- nem plumpen Stolze gemeiniglich eines der un- ertraͤglichſten Geſchoͤpfe. Jch will ihm zween Vorſchlaͤge thun. Entweder, er ſoll denen von gu- ter Geburt einen Theil ſeines Vermoͤgens leihen, und dadurch das Recht behalten, zu glauben, daß er weſentliche Vorzuͤge vor ihnen habe; oder er ſoll die Erlaubniß, gegen Vornehmere unbeſchei- den, und gegen Geringere trotzig zu ſeyn, jaͤhrlich mit ‒ 20 fl. ‒ ‒ erkaufen. Jch glaube wohl, er wird den letzten Vorſchlag waͤhlen, weil er T 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/313>, abgerufen am 22.11.2024.