Xanthus ist ihm ein fremder Name; aber wo die Wolga fließt, das weis er wohl. - - - - Jch gebe das alles zu. Aber schadet die Unwis- senheit dieses Mannes dem Vaterlande so viel, als sein Fleiß ihm nützt? Er weis vieles nicht, es ist wahr; aber er weis Geld zu verdienen: Eine Kunst, um welcher willen wir Gelehrte Tag und Nacht Qvartanten lesen, und Folianten schreiben, und doch oft in einem ganzen Jahre mit unserm Griechischen und Lateine so viel nicht verdienen, als der Kaufmann in einem Tage durch Provi- sion verdient. Da der Kaufmann, und der Ge- lehrte einerley Absichten, und doch nicht einerley Wege haben, zu dieser Absicht zu gelangen: so ist es mir immer unbegreiflich gewesen, wie es kommen müsse, daß sie sich unter einander anfein- den; und noch unbegreiflicher ist es mir, warum der Gelehrte den Kaufmann verachtet, da er sieht, daß dieser in Erlangung seiner Absichten viel glücklicher und geschwinder ist, und es immer hö- her bringt, als er. Jch wünschte wohl, daß die Gelehrten hierinnen billiger urtheilen möchten. Derjenige, welcher gut rechnet, und der, welcher gut denkt, sind beide dem Vaterlande unentbehr- lich. Darf ich es wagen, meine Gedanken hievon zu eröffnen? Jst nicht der Hochmuth unserer Ge- lehrten, und folglich ihre Pedanterey, Schuld an der stolzen Miene, die sie dem Kaufmanne machen?
Jch
Antons Panßa von Mancha
Xanthus iſt ihm ein fremder Name; aber wo die Wolga fließt, das weis er wohl. ‒ ‒ ‒ ‒ Jch gebe das alles zu. Aber ſchadet die Unwiſ- ſenheit dieſes Mannes dem Vaterlande ſo viel, als ſein Fleiß ihm nuͤtzt? Er weis vieles nicht, es iſt wahr; aber er weis Geld zu verdienen: Eine Kunſt, um welcher willen wir Gelehrte Tag und Nacht Qvartanten leſen, und Folianten ſchreiben, und doch oft in einem ganzen Jahre mit unſerm Griechiſchen und Lateine ſo viel nicht verdienen, als der Kaufmann in einem Tage durch Provi- ſion verdient. Da der Kaufmann, und der Ge- lehrte einerley Abſichten, und doch nicht einerley Wege haben, zu dieſer Abſicht zu gelangen: ſo iſt es mir immer unbegreiflich geweſen, wie es kommen muͤſſe, daß ſie ſich unter einander anfein- den; und noch unbegreiflicher iſt es mir, warum der Gelehrte den Kaufmann verachtet, da er ſieht, daß dieſer in Erlangung ſeiner Abſichten viel gluͤcklicher und geſchwinder iſt, und es immer hoͤ- her bringt, als er. Jch wuͤnſchte wohl, daß die Gelehrten hierinnen billiger urtheilen moͤchten. Derjenige, welcher gut rechnet, und der, welcher gut denkt, ſind beide dem Vaterlande unentbehr- lich. Darf ich es wagen, meine Gedanken hievon zu eroͤffnen? Jſt nicht der Hochmuth unſerer Ge- lehrten, und folglich ihre Pedanterey, Schuld an der ſtolzen Miene, die ſie dem Kaufmanne machen?
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0324"n="302"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
Xanthus iſt ihm ein fremder Name; aber wo die<lb/>
Wolga fließt, das weis er wohl. ‒‒‒‒<lb/>
Jch gebe das alles zu. Aber ſchadet die Unwiſ-<lb/>ſenheit dieſes Mannes dem Vaterlande ſo viel, als<lb/>ſein Fleiß ihm nuͤtzt? Er weis vieles nicht, es iſt<lb/>
wahr; aber er weis Geld zu verdienen: Eine<lb/>
Kunſt, um welcher willen wir Gelehrte Tag und<lb/>
Nacht Qvartanten leſen, und Folianten ſchreiben,<lb/>
und doch oft in einem ganzen Jahre mit unſerm<lb/>
Griechiſchen und Lateine ſo viel nicht verdienen,<lb/>
als der Kaufmann in einem Tage durch Provi-<lb/>ſion verdient. Da der Kaufmann, und der Ge-<lb/>
lehrte einerley Abſichten, und doch nicht einerley<lb/>
Wege haben, zu dieſer Abſicht zu gelangen: ſo<lb/>
iſt es mir immer unbegreiflich geweſen, wie es<lb/>
kommen muͤſſe, daß ſie ſich unter einander anfein-<lb/>
den; und noch unbegreiflicher iſt es mir, warum<lb/>
der Gelehrte den Kaufmann verachtet, da er ſieht,<lb/>
daß dieſer in Erlangung ſeiner Abſichten viel<lb/>
gluͤcklicher und geſchwinder iſt, und es immer hoͤ-<lb/>
her bringt, als er. Jch wuͤnſchte wohl, daß die<lb/>
Gelehrten hierinnen billiger urtheilen moͤchten.<lb/>
Derjenige, welcher gut rechnet, und der, welcher<lb/>
gut denkt, ſind beide dem Vaterlande unentbehr-<lb/>
lich. Darf ich es wagen, meine Gedanken hievon<lb/>
zu eroͤffnen? Jſt nicht der Hochmuth unſerer Ge-<lb/>
lehrten, und folglich ihre Pedanterey, Schuld an<lb/>
der ſtolzen Miene, die ſie dem Kaufmanne<lb/>
machen?</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[302/0324]
Antons Panßa von Mancha
Xanthus iſt ihm ein fremder Name; aber wo die
Wolga fließt, das weis er wohl. ‒ ‒ ‒ ‒
Jch gebe das alles zu. Aber ſchadet die Unwiſ-
ſenheit dieſes Mannes dem Vaterlande ſo viel, als
ſein Fleiß ihm nuͤtzt? Er weis vieles nicht, es iſt
wahr; aber er weis Geld zu verdienen: Eine
Kunſt, um welcher willen wir Gelehrte Tag und
Nacht Qvartanten leſen, und Folianten ſchreiben,
und doch oft in einem ganzen Jahre mit unſerm
Griechiſchen und Lateine ſo viel nicht verdienen,
als der Kaufmann in einem Tage durch Provi-
ſion verdient. Da der Kaufmann, und der Ge-
lehrte einerley Abſichten, und doch nicht einerley
Wege haben, zu dieſer Abſicht zu gelangen: ſo
iſt es mir immer unbegreiflich geweſen, wie es
kommen muͤſſe, daß ſie ſich unter einander anfein-
den; und noch unbegreiflicher iſt es mir, warum
der Gelehrte den Kaufmann verachtet, da er ſieht,
daß dieſer in Erlangung ſeiner Abſichten viel
gluͤcklicher und geſchwinder iſt, und es immer hoͤ-
her bringt, als er. Jch wuͤnſchte wohl, daß die
Gelehrten hierinnen billiger urtheilen moͤchten.
Derjenige, welcher gut rechnet, und der, welcher
gut denkt, ſind beide dem Vaterlande unentbehr-
lich. Darf ich es wagen, meine Gedanken hievon
zu eroͤffnen? Jſt nicht der Hochmuth unſerer Ge-
lehrten, und folglich ihre Pedanterey, Schuld an
der ſtolzen Miene, die ſie dem Kaufmanne
machen?
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/324>, abgerufen am 29.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.