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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Erstes Buch.
war. Die Jnnwohner entdeckten seine Flotte,
die Freude breitete sich durch die ganze Stadt aus,
und der König eilte mit seinem Hofe nach dem
Hafen, seinen Freund und Sohn zu empfangen,
den er schon verloren gegeben hatte. Sie sahen
sich, sie winkten einander, um ihr Vergnügen über
diese unvermuthete Zurückkunft auszudrücken; das
Ufer und die Flotte ertönten von dem Jauchzen
des freudigen Volks: Aber, eine schreckliche Nacht
umhüllte die Flotte. Es war nicht möglich, wei-
ter zu kommen; man zog die Segel ein, damit die
Schiffe nicht an einander scheiterten. Jn dieser
ängstlichen Unbewegsamkeit blieb die Flotte liegen.
Der Nebel verzog sich: Aber wie erschrak T'
Siamma,
da er sah, daß er nicht mehr vor dem
Hafen, sondern an den Ufern von Chiekock, nicht
weit von seiner Burg, war. Er warf sich auf
dem Verdecke seines Schiffes nieder, betete zu sei-
nen Göttern, und befahl, die Segel vom neuen
aufzuspannen. Er flog zum drittenmale nach der
Jnsel Saykock seinen Wünschen entgegen. Zum
drittenmale kam er in den Hafen, und fand
den König mit seinem Volke wieder versammelt,
welche eine außerordentliche Freude über diese
dritte Ankunft empfanden. Der alte König stand
am Ufer; er reichte seinem Freunde die Hand,
welcher eben im Begriffe war, aus dem Schiffe
zu steigen, als das Volk auf dem Schiffe und
auf dem Lande, Verrätherey! Verrätherey!
rief. T' Siamma sprang ins Schiff zurück,
und suchte sein Volk zu besänftigen. Der alte

König

Erſtes Buch.
war. Die Jnnwohner entdeckten ſeine Flotte,
die Freude breitete ſich durch die ganze Stadt aus,
und der Koͤnig eilte mit ſeinem Hofe nach dem
Hafen, ſeinen Freund und Sohn zu empfangen,
den er ſchon verloren gegeben hatte. Sie ſahen
ſich, ſie winkten einander, um ihr Vergnuͤgen uͤber
dieſe unvermuthete Zuruͤckkunft auszudruͤcken; das
Ufer und die Flotte ertoͤnten von dem Jauchzen
des freudigen Volks: Aber, eine ſchreckliche Nacht
umhuͤllte die Flotte. Es war nicht moͤglich, wei-
ter zu kommen; man zog die Segel ein, damit die
Schiffe nicht an einander ſcheiterten. Jn dieſer
aͤngſtlichen Unbewegſamkeit blieb die Flotte liegen.
Der Nebel verzog ſich: Aber wie erſchrak T’
Siamma,
da er ſah, daß er nicht mehr vor dem
Hafen, ſondern an den Ufern von Chiekock, nicht
weit von ſeiner Burg, war. Er warf ſich auf
dem Verdecke ſeines Schiffes nieder, betete zu ſei-
nen Goͤttern, und befahl, die Segel vom neuen
aufzuſpannen. Er flog zum drittenmale nach der
Jnſel Saykock ſeinen Wuͤnſchen entgegen. Zum
drittenmale kam er in den Hafen, und fand
den Koͤnig mit ſeinem Volke wieder verſammelt,
welche eine außerordentliche Freude uͤber dieſe
dritte Ankunft empfanden. Der alte Koͤnig ſtand
am Ufer; er reichte ſeinem Freunde die Hand,
welcher eben im Begriffe war, aus dem Schiffe
zu ſteigen, als das Volk auf dem Schiffe und
auf dem Lande, Verraͤtherey! Verraͤtherey!
rief. T’ Siamma ſprang ins Schiff zuruͤck,
und ſuchte ſein Volk zu beſaͤnftigen. Der alte

Koͤnig
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[475[473]/0497] Erſtes Buch. war. Die Jnnwohner entdeckten ſeine Flotte, die Freude breitete ſich durch die ganze Stadt aus, und der Koͤnig eilte mit ſeinem Hofe nach dem Hafen, ſeinen Freund und Sohn zu empfangen, den er ſchon verloren gegeben hatte. Sie ſahen ſich, ſie winkten einander, um ihr Vergnuͤgen uͤber dieſe unvermuthete Zuruͤckkunft auszudruͤcken; das Ufer und die Flotte ertoͤnten von dem Jauchzen des freudigen Volks: Aber, eine ſchreckliche Nacht umhuͤllte die Flotte. Es war nicht moͤglich, wei- ter zu kommen; man zog die Segel ein, damit die Schiffe nicht an einander ſcheiterten. Jn dieſer aͤngſtlichen Unbewegſamkeit blieb die Flotte liegen. Der Nebel verzog ſich: Aber wie erſchrak T’ Siamma, da er ſah, daß er nicht mehr vor dem Hafen, ſondern an den Ufern von Chiekock, nicht weit von ſeiner Burg, war. Er warf ſich auf dem Verdecke ſeines Schiffes nieder, betete zu ſei- nen Goͤttern, und befahl, die Segel vom neuen aufzuſpannen. Er flog zum drittenmale nach der Jnſel Saykock ſeinen Wuͤnſchen entgegen. Zum drittenmale kam er in den Hafen, und fand den Koͤnig mit ſeinem Volke wieder verſammelt, welche eine außerordentliche Freude uͤber dieſe dritte Ankunft empfanden. Der alte Koͤnig ſtand am Ufer; er reichte ſeinem Freunde die Hand, welcher eben im Begriffe war, aus dem Schiffe zu ſteigen, als das Volk auf dem Schiffe und auf dem Lande, Verraͤtherey! Verraͤtherey! rief. T’ Siamma ſprang ins Schiff zuruͤck, und ſuchte ſein Volk zu beſaͤnftigen. Der alte Koͤnig

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 475[473]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/497>, abgerufen am 01.06.2024.