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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Erstes Buch.
Betrübniß, welche dadurch in den ansehnlichsten
Familien verursachet ward. Er gewöhnte sich,
gegen seine Gemahlinn gelassen, nachsehend, und
immer gefällig zu seyn. Die Großen im Reiche
ahmten ihn hierinnen nach. Sie machten dadurch
ihren Ehestand erträglich, aber ihre Weiber nicht
vernünftiger. Die Chronikenschreiber von Chie-
kock
wollen behaupten, daß sich um diese Zeit die
Herrschaft der Weiber angefangen habe; Aber
der gelehrte T' Sintisa macht diese Gewohnheit
noch etliche tausend Jahr älter.

Jn diesen bekümmerten Umständen lebte
T' Siamma etliche Jahre lang, und war end-
lich so glücklich, sein Elend gewohnt, und ruhig
zu werden. Aber auch diese traurige Ruhe gönnte
ihm der Zauberer nicht.

Es breitete sich ein Gerücht in Chiekock aus,
daß zween mächtige Prinzen in Siam mit einan-
der in Krieg verwickelt wären. Der Schwächste
von ihnen war ein Freund, und Bundsgenosse
des T' Siamma. Dieser brach mit seiner Ar-
mee auf, ihm beyzustehen. Er landete glücklich
an, schiffte seine Truppen aus, und fand, daß
das ganze Land in Ruhe war. Sein Freund
hielt dieses für einen feindlichen Einfall, und ward
entrüstet. Er verband sich in Eil mit andern be-
nachbarten Fürsten, und überfiel die Völker des
T' Siamma, welcher nicht im Stande war, der
Macht zu widerstehen, und mit vieler Noth den
Rest seiner Truppen auf die Schiffe flüchten konnte.

Dieser
H h 4

Erſtes Buch.
Betruͤbniß, welche dadurch in den anſehnlichſten
Familien verurſachet ward. Er gewoͤhnte ſich,
gegen ſeine Gemahlinn gelaſſen, nachſehend, und
immer gefaͤllig zu ſeyn. Die Großen im Reiche
ahmten ihn hierinnen nach. Sie machten dadurch
ihren Eheſtand ertraͤglich, aber ihre Weiber nicht
vernuͤnftiger. Die Chronikenſchreiber von Chie-
kock
wollen behaupten, daß ſich um dieſe Zeit die
Herrſchaft der Weiber angefangen habe; Aber
der gelehrte T’ Sintiſa macht dieſe Gewohnheit
noch etliche tauſend Jahr aͤlter.

Jn dieſen bekuͤmmerten Umſtaͤnden lebte
T’ Siamma etliche Jahre lang, und war end-
lich ſo gluͤcklich, ſein Elend gewohnt, und ruhig
zu werden. Aber auch dieſe traurige Ruhe goͤnnte
ihm der Zauberer nicht.

Es breitete ſich ein Geruͤcht in Chiekock aus,
daß zween maͤchtige Prinzen in Siam mit einan-
der in Krieg verwickelt waͤren. Der Schwaͤchſte
von ihnen war ein Freund, und Bundsgenoſſe
des T’ Siamma. Dieſer brach mit ſeiner Ar-
mee auf, ihm beyzuſtehen. Er landete gluͤcklich
an, ſchiffte ſeine Truppen aus, und fand, daß
das ganze Land in Ruhe war. Sein Freund
hielt dieſes fuͤr einen feindlichen Einfall, und ward
entruͤſtet. Er verband ſich in Eil mit andern be-
nachbarten Fuͤrſten, und uͤberfiel die Voͤlker des
T’ Siamma, welcher nicht im Stande war, der
Macht zu widerſtehen, und mit vieler Noth den
Reſt ſeiner Truppen auf die Schiffe fluͤchten konnte.

Dieſer
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[487[485]/0509] Erſtes Buch. Betruͤbniß, welche dadurch in den anſehnlichſten Familien verurſachet ward. Er gewoͤhnte ſich, gegen ſeine Gemahlinn gelaſſen, nachſehend, und immer gefaͤllig zu ſeyn. Die Großen im Reiche ahmten ihn hierinnen nach. Sie machten dadurch ihren Eheſtand ertraͤglich, aber ihre Weiber nicht vernuͤnftiger. Die Chronikenſchreiber von Chie- kock wollen behaupten, daß ſich um dieſe Zeit die Herrſchaft der Weiber angefangen habe; Aber der gelehrte T’ Sintiſa macht dieſe Gewohnheit noch etliche tauſend Jahr aͤlter. Jn dieſen bekuͤmmerten Umſtaͤnden lebte T’ Siamma etliche Jahre lang, und war end- lich ſo gluͤcklich, ſein Elend gewohnt, und ruhig zu werden. Aber auch dieſe traurige Ruhe goͤnnte ihm der Zauberer nicht. Es breitete ſich ein Geruͤcht in Chiekock aus, daß zween maͤchtige Prinzen in Siam mit einan- der in Krieg verwickelt waͤren. Der Schwaͤchſte von ihnen war ein Freund, und Bundsgenoſſe des T’ Siamma. Dieſer brach mit ſeiner Ar- mee auf, ihm beyzuſtehen. Er landete gluͤcklich an, ſchiffte ſeine Truppen aus, und fand, daß das ganze Land in Ruhe war. Sein Freund hielt dieſes fuͤr einen feindlichen Einfall, und ward entruͤſtet. Er verband ſich in Eil mit andern be- nachbarten Fuͤrſten, und uͤberfiel die Voͤlker des T’ Siamma, welcher nicht im Stande war, der Macht zu widerſtehen, und mit vieler Noth den Reſt ſeiner Truppen auf die Schiffe fluͤchten konnte. Dieſer H h 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 487[485]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/509>, abgerufen am 22.11.2024.