Betrübniß, welche dadurch in den ansehnlichsten Familien verursachet ward. Er gewöhnte sich, gegen seine Gemahlinn gelassen, nachsehend, und immer gefällig zu seyn. Die Großen im Reiche ahmten ihn hierinnen nach. Sie machten dadurch ihren Ehestand erträglich, aber ihre Weiber nicht vernünftiger. Die Chronikenschreiber von Chie- kock wollen behaupten, daß sich um diese Zeit die Herrschaft der Weiber angefangen habe; Aber der gelehrte T' Sintisa macht diese Gewohnheit noch etliche tausend Jahr älter.
Jn diesen bekümmerten Umständen lebte T' Siamma etliche Jahre lang, und war end- lich so glücklich, sein Elend gewohnt, und ruhig zu werden. Aber auch diese traurige Ruhe gönnte ihm der Zauberer nicht.
Es breitete sich ein Gerücht in Chiekock aus, daß zween mächtige Prinzen in Siam mit einan- der in Krieg verwickelt wären. Der Schwächste von ihnen war ein Freund, und Bundsgenosse des T' Siamma. Dieser brach mit seiner Ar- mee auf, ihm beyzustehen. Er landete glücklich an, schiffte seine Truppen aus, und fand, daß das ganze Land in Ruhe war. Sein Freund hielt dieses für einen feindlichen Einfall, und ward entrüstet. Er verband sich in Eil mit andern be- nachbarten Fürsten, und überfiel die Völker des T' Siamma, welcher nicht im Stande war, der Macht zu widerstehen, und mit vieler Noth den Rest seiner Truppen auf die Schiffe flüchten konnte.
Dieser
H h 4
Erſtes Buch.
Betruͤbniß, welche dadurch in den anſehnlichſten Familien verurſachet ward. Er gewoͤhnte ſich, gegen ſeine Gemahlinn gelaſſen, nachſehend, und immer gefaͤllig zu ſeyn. Die Großen im Reiche ahmten ihn hierinnen nach. Sie machten dadurch ihren Eheſtand ertraͤglich, aber ihre Weiber nicht vernuͤnftiger. Die Chronikenſchreiber von Chie- kock wollen behaupten, daß ſich um dieſe Zeit die Herrſchaft der Weiber angefangen habe; Aber der gelehrte T’ Sintiſa macht dieſe Gewohnheit noch etliche tauſend Jahr aͤlter.
Jn dieſen bekuͤmmerten Umſtaͤnden lebte T’ Siamma etliche Jahre lang, und war end- lich ſo gluͤcklich, ſein Elend gewohnt, und ruhig zu werden. Aber auch dieſe traurige Ruhe goͤnnte ihm der Zauberer nicht.
Es breitete ſich ein Geruͤcht in Chiekock aus, daß zween maͤchtige Prinzen in Siam mit einan- der in Krieg verwickelt waͤren. Der Schwaͤchſte von ihnen war ein Freund, und Bundsgenoſſe des T’ Siamma. Dieſer brach mit ſeiner Ar- mee auf, ihm beyzuſtehen. Er landete gluͤcklich an, ſchiffte ſeine Truppen aus, und fand, daß das ganze Land in Ruhe war. Sein Freund hielt dieſes fuͤr einen feindlichen Einfall, und ward entruͤſtet. Er verband ſich in Eil mit andern be- nachbarten Fuͤrſten, und uͤberfiel die Voͤlker des T’ Siamma, welcher nicht im Stande war, der Macht zu widerſtehen, und mit vieler Noth den Reſt ſeiner Truppen auf die Schiffe fluͤchten konnte.
Dieſer
H h 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0509"n="487[485]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſtes Buch.</hi></fw><lb/>
Betruͤbniß, welche dadurch in den anſehnlichſten<lb/>
Familien verurſachet ward. Er gewoͤhnte ſich,<lb/>
gegen ſeine Gemahlinn gelaſſen, nachſehend, und<lb/>
immer gefaͤllig zu ſeyn. Die Großen im Reiche<lb/>
ahmten ihn hierinnen nach. Sie machten dadurch<lb/>
ihren Eheſtand ertraͤglich, aber ihre Weiber nicht<lb/>
vernuͤnftiger. Die Chronikenſchreiber von <hirendition="#fr">Chie-<lb/>
kock</hi> wollen behaupten, daß ſich um dieſe Zeit die<lb/>
Herrſchaft der Weiber angefangen habe; Aber<lb/>
der gelehrte <hirendition="#fr">T’ Sintiſa</hi> macht dieſe Gewohnheit<lb/>
noch etliche tauſend Jahr aͤlter.</p><lb/><p>Jn dieſen bekuͤmmerten Umſtaͤnden lebte<lb/><hirendition="#fr">T’ Siamma</hi> etliche Jahre lang, und war end-<lb/>
lich ſo gluͤcklich, ſein Elend gewohnt, und ruhig<lb/>
zu werden. Aber auch dieſe traurige Ruhe goͤnnte<lb/>
ihm der Zauberer nicht.</p><lb/><p>Es breitete ſich ein Geruͤcht in <hirendition="#fr">Chiekock</hi> aus,<lb/>
daß zween maͤchtige Prinzen in <hirendition="#fr">Siam</hi> mit einan-<lb/>
der in Krieg verwickelt waͤren. Der Schwaͤchſte<lb/>
von ihnen war ein Freund, und Bundsgenoſſe<lb/>
des <hirendition="#fr">T’ Siamma.</hi> Dieſer brach mit ſeiner Ar-<lb/>
mee auf, ihm beyzuſtehen. Er landete gluͤcklich<lb/>
an, ſchiffte ſeine Truppen aus, und fand, daß<lb/>
das ganze Land in Ruhe war. Sein Freund<lb/>
hielt dieſes fuͤr einen feindlichen Einfall, und ward<lb/>
entruͤſtet. Er verband ſich in Eil mit andern be-<lb/>
nachbarten Fuͤrſten, und uͤberfiel die Voͤlker des<lb/><hirendition="#fr">T’ Siamma,</hi> welcher nicht im Stande war, der<lb/>
Macht zu widerſtehen, und mit vieler Noth den<lb/>
Reſt ſeiner Truppen auf die Schiffe fluͤchten konnte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">H h 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Dieſer</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[487[485]/0509]
Erſtes Buch.
Betruͤbniß, welche dadurch in den anſehnlichſten
Familien verurſachet ward. Er gewoͤhnte ſich,
gegen ſeine Gemahlinn gelaſſen, nachſehend, und
immer gefaͤllig zu ſeyn. Die Großen im Reiche
ahmten ihn hierinnen nach. Sie machten dadurch
ihren Eheſtand ertraͤglich, aber ihre Weiber nicht
vernuͤnftiger. Die Chronikenſchreiber von Chie-
kock wollen behaupten, daß ſich um dieſe Zeit die
Herrſchaft der Weiber angefangen habe; Aber
der gelehrte T’ Sintiſa macht dieſe Gewohnheit
noch etliche tauſend Jahr aͤlter.
Jn dieſen bekuͤmmerten Umſtaͤnden lebte
T’ Siamma etliche Jahre lang, und war end-
lich ſo gluͤcklich, ſein Elend gewohnt, und ruhig
zu werden. Aber auch dieſe traurige Ruhe goͤnnte
ihm der Zauberer nicht.
Es breitete ſich ein Geruͤcht in Chiekock aus,
daß zween maͤchtige Prinzen in Siam mit einan-
der in Krieg verwickelt waͤren. Der Schwaͤchſte
von ihnen war ein Freund, und Bundsgenoſſe
des T’ Siamma. Dieſer brach mit ſeiner Ar-
mee auf, ihm beyzuſtehen. Er landete gluͤcklich
an, ſchiffte ſeine Truppen aus, und fand, daß
das ganze Land in Ruhe war. Sein Freund
hielt dieſes fuͤr einen feindlichen Einfall, und ward
entruͤſtet. Er verband ſich in Eil mit andern be-
nachbarten Fuͤrſten, und uͤberfiel die Voͤlker des
T’ Siamma, welcher nicht im Stande war, der
Macht zu widerſtehen, und mit vieler Noth den
Reſt ſeiner Truppen auf die Schiffe fluͤchten konnte.
Dieſer
H h 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 487[485]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/509>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.