Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.Der Vaticanische Pallast. Dem Ohngefähr in seiner Stellung überlassen, Die Natur ist in mehreren Theilen dieser Figur Der beschützte, auf vielfache Weise. Allein der Kopf
unserer Statue hat mit einem Antinous nicht die geringste Aehnlichkeit, und der Kopf, den man in Deutschland unter diesem Nahmen in Gyps ver- kauft, gehört nicht dieser Statue, sondern der an- dern dieses Nahmens auf dem Capitol. Viele halten sie für einen Mercur, bewogen durch die Aehnlichkeit mit einer Statue im Pallast Farnese. Ich habe schon dort die Gründe ausge- führt, warum ich eine untersetzte Figur wie diese, die sogar dem Vorwurf des Schwerfälligen nicht ganz entgeht, dem Charakter dieses Gottes nicht anpassend halte. Winkelmann Gesch. der Kunst, S. 844. Wien. Edit. hält sie für einen Meleager. Sie scheint mir zu viel Sanftes für diesen Jäger zu haben. Der Vaticaniſche Pallaſt. Dem Ohngefaͤhr in ſeiner Stellung uͤberlaſſen, Die Natur iſt in mehreren Theilen dieſer Figur Der beſchuͤtzte, auf vielfache Weiſe. Allein der Kopf
unſerer Statue hat mit einem Antinous nicht die geringſte Aehnlichkeit, und der Kopf, den man in Deutſchland unter dieſem Nahmen in Gyps ver- kauft, gehoͤrt nicht dieſer Statue, ſondern der an- dern dieſes Nahmens auf dem Capitol. Viele halten ſie fuͤr einen Mercur, bewogen durch die Aehnlichkeit mit einer Statue im Pallaſt Farneſe. Ich habe ſchon dort die Gruͤnde ausge- fuͤhrt, warum ich eine unterſetzte Figur wie dieſe, die ſogar dem Vorwurf des Schwerfaͤlligen nicht ganz entgeht, dem Charakter dieſes Gottes nicht anpaſſend halte. Winkelmann Geſch. der Kunſt, S. 844. Wien. Edit. haͤlt ſie fuͤr einen Meleager. Sie ſcheint mir zu viel Sanftes fuͤr dieſen Jaͤger zu haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0076" n="54"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Vaticaniſche Pallaſt.</hi> </fw><lb/> <p>Dem Ohngefaͤhr in ſeiner Stellung uͤberlaſſen,<lb/> voll ſorgloſer Unbefangenheit, nur mit dem Genuße<lb/> einer heitern Unthaͤtigkeit beſchaͤfftigt, kurz! ohne allen<lb/> Anſpruch hat dieſer ſchoͤne Juͤngling einen deſto ſichern,<lb/> uns zu gefallen.</p><lb/> <p>Die Natur iſt in mehreren Theilen dieſer Figur<lb/> zum Ideal gehoben; aber die genaue Andeutung des<lb/> Muſkelnſpiels, und das weiche Fleiſch, das ſie be-<lb/> deckt, laſſen ihr alle Reitze einer Natur, die wir<lb/> kennen: Selbſt die Unvollkommenheiten, die wir an<lb/> andern Theilen bemerken, ſcheinen ſie mit demjenigen,<lb/> was wir taͤglich um uns ſehen, auszugleichen. Ein<lb/> Gefuͤhl, das vermoͤge des Ruͤckblicks des Zuſchauers<lb/> auf ſich ſelbſt, nicht wenig zur Liebenswuͤrdigkeit eines<lb/> Gegenſtandes beitraͤgt, den er durch einzelne Vorzuͤge<lb/> ſeiner Aufmerkſamkeit werth haͤlt.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> <note xml:id="note-0076" prev="#note-0075" place="foot" n="4)"> <p xml:id="note-0076p" prev="#note-0075p">beſchuͤtzte, auf vielfache Weiſe. Allein der Kopf<lb/> unſerer Statue hat mit einem Antinous nicht die<lb/> geringſte Aehnlichkeit, und der Kopf, den man in<lb/> Deutſchland unter dieſem Nahmen in Gyps ver-<lb/> kauft, gehoͤrt nicht dieſer Statue, ſondern der an-<lb/> dern dieſes Nahmens auf dem Capitol.</p><lb/> <p>Viele halten ſie fuͤr einen Mercur, bewogen<lb/> durch die Aehnlichkeit mit einer Statue im Pallaſt<lb/> Farneſe. Ich habe ſchon dort die Gruͤnde ausge-<lb/> fuͤhrt, warum ich eine unterſetzte Figur wie dieſe,<lb/> die ſogar dem Vorwurf des Schwerfaͤlligen nicht<lb/> ganz entgeht, dem Charakter dieſes Gottes nicht<lb/> anpaſſend halte. Winkelmann Geſch. der Kunſt,<lb/> S. 844. Wien. Edit. haͤlt ſie fuͤr einen Meleager.<lb/> Sie ſcheint mir zu viel Sanftes fuͤr dieſen Jaͤger zu<lb/> haben.</p> </note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0076]
Der Vaticaniſche Pallaſt.
Dem Ohngefaͤhr in ſeiner Stellung uͤberlaſſen,
voll ſorgloſer Unbefangenheit, nur mit dem Genuße
einer heitern Unthaͤtigkeit beſchaͤfftigt, kurz! ohne allen
Anſpruch hat dieſer ſchoͤne Juͤngling einen deſto ſichern,
uns zu gefallen.
Die Natur iſt in mehreren Theilen dieſer Figur
zum Ideal gehoben; aber die genaue Andeutung des
Muſkelnſpiels, und das weiche Fleiſch, das ſie be-
deckt, laſſen ihr alle Reitze einer Natur, die wir
kennen: Selbſt die Unvollkommenheiten, die wir an
andern Theilen bemerken, ſcheinen ſie mit demjenigen,
was wir taͤglich um uns ſehen, auszugleichen. Ein
Gefuͤhl, das vermoͤge des Ruͤckblicks des Zuſchauers
auf ſich ſelbſt, nicht wenig zur Liebenswuͤrdigkeit eines
Gegenſtandes beitraͤgt, den er durch einzelne Vorzuͤge
ſeiner Aufmerkſamkeit werth haͤlt.
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4) beſchuͤtzte, auf vielfache Weiſe. Allein der Kopf
unſerer Statue hat mit einem Antinous nicht die
geringſte Aehnlichkeit, und der Kopf, den man in
Deutſchland unter dieſem Nahmen in Gyps ver-
kauft, gehoͤrt nicht dieſer Statue, ſondern der an-
dern dieſes Nahmens auf dem Capitol.
Viele halten ſie fuͤr einen Mercur, bewogen
durch die Aehnlichkeit mit einer Statue im Pallaſt
Farneſe. Ich habe ſchon dort die Gruͤnde ausge-
fuͤhrt, warum ich eine unterſetzte Figur wie dieſe,
die ſogar dem Vorwurf des Schwerfaͤlligen nicht
ganz entgeht, dem Charakter dieſes Gottes nicht
anpaſſend halte. Winkelmann Geſch. der Kunſt,
S. 844. Wien. Edit. haͤlt ſie fuͤr einen Meleager.
Sie ſcheint mir zu viel Sanftes fuͤr dieſen Jaͤger zu
haben.
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/76>, abgerufen am 16.02.2025. |