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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Negroni.

+ Kopf eines Paris von vortrefflichem Cha-Schöner
Kopf eines
Paris: Be-
weis der
Möglichkeit
auch unter
schönen For-
men des Kör-
pers eine feh-
lerhafte
Seele erra-
then zu las-
sen.

rakter, obgleich ein wenig hart in der Ausführung.

Hätte Sulzer 9) diesen Kopf gesehen, so würde
er das, was Plinius von einem Gemählde des Eu-
phranor sagt, nicht so unglaublich gefunden haben.
Plinius bemerkt nämlich Lib. LXXXIV. 8. In
einem Gemählde des Paris vom Euphranor werde
vorzüglich bewundert, daß man zu gleicher Zeit den
Schiedsrichter der Göttinnen, den Verführer der
Helena und den Meuchelmörder des Achilles darin er-
kannt habe. Dieses Lob geht auf den Ausdruck des
Charakters in der Mine dieses verschmitzten Weich-
lings, hinterlistig im Siege über Männer und Wei-
ber, und diesen letzten zugleich theuer und gefährlich.
Hier ist von einer Allegorie gar nicht die Rede, wovon
Sulzer jene Worte zu verstehen scheint. Nicht jedeUnterschied
zwischen
Ausdruck
des Charak-
ters, und
Symbol ge-
wisser Eigen-
schaften der
Seele.

Bezeichnung dessen, wozu man sich von einem Men-
schen zu versehen hat, ist Sinnbild oder Allegorie.

Eine kleine Nymphe oder Muse mit einer
Taube.
Der Gürtel über den Hüften ist merk-
würdig.

Eine große bekleidete Figur. Auf dem
Kopfe trägt sie einen Schleier und einen sonderbaren
Kopfputz. Es scheint das Bildniß einer Kaiserin
zu seyn. Diese Statue hat viel Wahrheit.

Eine kleine Statue, als Hygea restaurir[t].

+ Ein Pariskopf von schönem Charakter
bis an den Rand des Kinnes verhüllt. 10)

Eine
9) Allgemeine Theorie der schönen Künste, Artikel:
Allegorie.
10) Winkelmann G. d. K. S. 352. behauptet, diese
Tracht
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Villa Negroni.

† Kopf eines Paris von vortrefflichem Cha-Schoͤner
Kopf eines
Paris: Be-
weis der
Moͤglichkeit
auch unter
ſchoͤnen For-
men des Koͤr-
pers eine feh-
lerhafte
Seele erra-
then zu laſ-
ſen.

rakter, obgleich ein wenig hart in der Ausfuͤhrung.

Haͤtte Sulzer 9) dieſen Kopf geſehen, ſo wuͤrde
er das, was Plinius von einem Gemaͤhlde des Eu-
phranor ſagt, nicht ſo unglaublich gefunden haben.
Plinius bemerkt naͤmlich Lib. LXXXIV. 8. In
einem Gemaͤhlde des Paris vom Euphranor werde
vorzuͤglich bewundert, daß man zu gleicher Zeit den
Schiedsrichter der Goͤttinnen, den Verfuͤhrer der
Helena und den Meuchelmoͤrder des Achilles darin er-
kannt habe. Dieſes Lob geht auf den Ausdruck des
Charakters in der Mine dieſes verſchmitzten Weich-
lings, hinterliſtig im Siege uͤber Maͤnner und Wei-
ber, und dieſen letzten zugleich theuer und gefaͤhrlich.
Hier iſt von einer Allegorie gar nicht die Rede, wovon
Sulzer jene Worte zu verſtehen ſcheint. Nicht jedeUnterſchied
zwiſchen
Ausdruck
des Charak-
ters, und
Symbol ge-
wiſſer Eigen-
ſchaften der
Seele.

Bezeichnung deſſen, wozu man ſich von einem Men-
ſchen zu verſehen hat, iſt Sinnbild oder Allegorie.

Eine kleine Nymphe oder Muſe mit einer
Taube.
Der Guͤrtel uͤber den Huͤften iſt merk-
wuͤrdig.

Eine große bekleidete Figur. Auf dem
Kopfe traͤgt ſie einen Schleier und einen ſonderbaren
Kopfputz. Es ſcheint das Bildniß einer Kaiſerin
zu ſeyn. Dieſe Statue hat viel Wahrheit.

Eine kleine Statue, als Hygea reſtaurir[t].

† Ein Pariskopf von ſchoͤnem Charakter
bis an den Rand des Kinnes verhuͤllt. 10)

Eine
9) Allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte, Artikel:
Allegorie.
10) Winkelmann G. d. K. S. 352. behauptet, dieſe
Tracht
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[119/0133] Villa Negroni. † Kopf eines Paris von vortrefflichem Cha- rakter, obgleich ein wenig hart in der Ausfuͤhrung. Schoͤner Kopf eines Paris: Be- weis der Moͤglichkeit auch unter ſchoͤnen For- men des Koͤr- pers eine feh- lerhafte Seele erra- then zu laſ- ſen. Haͤtte Sulzer 9) dieſen Kopf geſehen, ſo wuͤrde er das, was Plinius von einem Gemaͤhlde des Eu- phranor ſagt, nicht ſo unglaublich gefunden haben. Plinius bemerkt naͤmlich Lib. LXXXIV. 8. In einem Gemaͤhlde des Paris vom Euphranor werde vorzuͤglich bewundert, daß man zu gleicher Zeit den Schiedsrichter der Goͤttinnen, den Verfuͤhrer der Helena und den Meuchelmoͤrder des Achilles darin er- kannt habe. Dieſes Lob geht auf den Ausdruck des Charakters in der Mine dieſes verſchmitzten Weich- lings, hinterliſtig im Siege uͤber Maͤnner und Wei- ber, und dieſen letzten zugleich theuer und gefaͤhrlich. Hier iſt von einer Allegorie gar nicht die Rede, wovon Sulzer jene Worte zu verſtehen ſcheint. Nicht jede Bezeichnung deſſen, wozu man ſich von einem Men- ſchen zu verſehen hat, iſt Sinnbild oder Allegorie. Unterſchied zwiſchen Ausdruck des Charak- ters, und Symbol ge- wiſſer Eigen- ſchaften der Seele. Eine kleine Nymphe oder Muſe mit einer Taube. Der Guͤrtel uͤber den Huͤften iſt merk- wuͤrdig. Eine große bekleidete Figur. Auf dem Kopfe traͤgt ſie einen Schleier und einen ſonderbaren Kopfputz. Es ſcheint das Bildniß einer Kaiſerin zu ſeyn. Dieſe Statue hat viel Wahrheit. Eine kleine Statue, als Hygea reſtaurirt. † Ein Pariskopf von ſchoͤnem Charakter bis an den Rand des Kinnes verhuͤllt. 10) Eine 9) Allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte, Artikel: Allegorie. 10) Winkelmann G. d. K. S. 352. behauptet, dieſe Tracht H 4

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/133>, abgerufen am 25.11.2024.