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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Boccapaduli.
nen, setzen weiter nichts zum Voraus, als Aufmerk-
samkeit auf die gewöhnlichen Vorfälle des menschli-
chen Lebens. Sie sind es, die wir in jede Vorstel-
lung einer Begebenheit zuerst bringen, die man uns
von entfernten Orten und Zeiten her erzählt, oder
darstellt; erst wann wir in diesem Stücke befriedigt
sind, bekümmern wir uns um die historische Wahr-
scheinlichkeit, und vergleichen dasjenige was wir sehen
oder hören, mit demjenigen, was wir von dem Zu-
fälligen bei ähnlichen Begebenheiten an entfernten
Orten, zu verschiedenen Zeiten, gehört haben.

Das Gefühl der nothwendigsten Bestandtheile
der Wahrheit bleibt also, wenn auch das Zufällige
zu deren Erkenntniß wegfällt. Ist es nicht die
Hochzeit zu Canaan so ist es eine jede andere. Der
höchste Nachtheil, der aus der Unbestimmtheit ent-
stehen kann, ist dieser, daß unsere Neugier unbe-
friedigt bleibt, indem wir einen an sich erklärbaren
Ausdruck gern bestimmten Personen beilegen möchten.
Allein wie selten ist dies der Fall, wenn der Mahler
sich an bekannte Vorwürfe hält? Wer erkennet nicht
eine Judith, die dem Holofernes den Kopf abhauet,
wenn gleich Kanonen vor Bethulia stehen? Wer
nicht den Moses, der Wasser aus dem Felsen schlägt,
wenn gleich die Kinder Israel in spanischer Tracht
einhergehen? Möchten doch unsere neueren Künstler,
in deren Gemählden selten Fehler wider historische
Wahrscheinlichkeit, und nur gar zu häufig wider dich-
terische und mechanische angetroffen werden, das
Nothwendige nicht dem blos Angenehmen auf-
opfern!

Auch

Pallaſt Boccapaduli.
nen, ſetzen weiter nichts zum Voraus, als Aufmerk-
ſamkeit auf die gewoͤhnlichen Vorfaͤlle des menſchli-
chen Lebens. Sie ſind es, die wir in jede Vorſtel-
lung einer Begebenheit zuerſt bringen, die man uns
von entfernten Orten und Zeiten her erzaͤhlt, oder
darſtellt; erſt wann wir in dieſem Stuͤcke befriedigt
ſind, bekuͤmmern wir uns um die hiſtoriſche Wahr-
ſcheinlichkeit, und vergleichen dasjenige was wir ſehen
oder hoͤren, mit demjenigen, was wir von dem Zu-
faͤlligen bei aͤhnlichen Begebenheiten an entfernten
Orten, zu verſchiedenen Zeiten, gehoͤrt haben.

Das Gefuͤhl der nothwendigſten Beſtandtheile
der Wahrheit bleibt alſo, wenn auch das Zufaͤllige
zu deren Erkenntniß wegfaͤllt. Iſt es nicht die
Hochzeit zu Canaan ſo iſt es eine jede andere. Der
hoͤchſte Nachtheil, der aus der Unbeſtimmtheit ent-
ſtehen kann, iſt dieſer, daß unſere Neugier unbe-
friedigt bleibt, indem wir einen an ſich erklaͤrbaren
Ausdruck gern beſtimmten Perſonen beilegen moͤchten.
Allein wie ſelten iſt dies der Fall, wenn der Mahler
ſich an bekannte Vorwuͤrfe haͤlt? Wer erkennet nicht
eine Judith, die dem Holofernes den Kopf abhauet,
wenn gleich Kanonen vor Bethulia ſtehen? Wer
nicht den Moſes, der Waſſer aus dem Felſen ſchlaͤgt,
wenn gleich die Kinder Iſrael in ſpaniſcher Tracht
einhergehen? Moͤchten doch unſere neueren Kuͤnſtler,
in deren Gemaͤhlden ſelten Fehler wider hiſtoriſche
Wahrſcheinlichkeit, und nur gar zu haͤufig wider dich-
teriſche und mechaniſche angetroffen werden, das
Nothwendige nicht dem blos Angenehmen auf-
opfern!

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[230/0244] Pallaſt Boccapaduli. nen, ſetzen weiter nichts zum Voraus, als Aufmerk- ſamkeit auf die gewoͤhnlichen Vorfaͤlle des menſchli- chen Lebens. Sie ſind es, die wir in jede Vorſtel- lung einer Begebenheit zuerſt bringen, die man uns von entfernten Orten und Zeiten her erzaͤhlt, oder darſtellt; erſt wann wir in dieſem Stuͤcke befriedigt ſind, bekuͤmmern wir uns um die hiſtoriſche Wahr- ſcheinlichkeit, und vergleichen dasjenige was wir ſehen oder hoͤren, mit demjenigen, was wir von dem Zu- faͤlligen bei aͤhnlichen Begebenheiten an entfernten Orten, zu verſchiedenen Zeiten, gehoͤrt haben. Das Gefuͤhl der nothwendigſten Beſtandtheile der Wahrheit bleibt alſo, wenn auch das Zufaͤllige zu deren Erkenntniß wegfaͤllt. Iſt es nicht die Hochzeit zu Canaan ſo iſt es eine jede andere. Der hoͤchſte Nachtheil, der aus der Unbeſtimmtheit ent- ſtehen kann, iſt dieſer, daß unſere Neugier unbe- friedigt bleibt, indem wir einen an ſich erklaͤrbaren Ausdruck gern beſtimmten Perſonen beilegen moͤchten. Allein wie ſelten iſt dies der Fall, wenn der Mahler ſich an bekannte Vorwuͤrfe haͤlt? Wer erkennet nicht eine Judith, die dem Holofernes den Kopf abhauet, wenn gleich Kanonen vor Bethulia ſtehen? Wer nicht den Moſes, der Waſſer aus dem Felſen ſchlaͤgt, wenn gleich die Kinder Iſrael in ſpaniſcher Tracht einhergehen? Moͤchten doch unſere neueren Kuͤnſtler, in deren Gemaͤhlden ſelten Fehler wider hiſtoriſche Wahrſcheinlichkeit, und nur gar zu haͤufig wider dich- teriſche und mechaniſche angetroffen werden, das Nothwendige nicht dem blos Angenehmen auf- opfern! Auch

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/244>, abgerufen am 23.11.2024.