Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.Der kleine Pallast Farnese. mengestelletsind, muß jedes für sich seinen eige- nen vollstän- digen und bestimmten Ausdruck haben.getadelt habe, daß man Vorstellungen, die unter sich kein sichtbares Ganze ausmachen, unabgetheilt in einem Gemählde, Gruppen gleich, vereiniget; 1) so muß ich es auch misbilligen, wenn die abgetheilten Gemählde, jedes für sich, keine Werke der Art ausmachen, welche ohne das sie vereinigende Local- verhältniß, oder den nicht sichtbaren Zusammenhang, einen bestimmten und vollständigen Ausdruck dar- bieten. Der Mahler darf auf die Erklärung eines Bildes durch die Aufstellung neben mehreren, die aus einer Reihe von Begebenheiten genommen sind, welche zusammen eine Geschichte, das Süjet zu einer Er- zählung, zu einem Buche ausmachen, nicht als Grundlage, sondern nur als Hülfsmittel der Ver- ständigung rechnen. Das Auge muß den Ausdruck eines Gemähldes für sich betrachtet, bestimmt und vollständig finden; tritt die Erinnerung an die un- sichtbare Bedeutung hinzu, so wird jene Auflösung durch den bloßen Anblick an Deutlichkeit und Voll- ständigkeit gewinnen, nie aber wird die Erinnerung allein den Mangel derselben ersetzen. Wo das Auge eine Abtheilung sieht, da geht der innere Sinn aus dem Kreise seiner vorigen Vorstellungen heraus, und bildet sich einen neuen, der aus dem vorigen nur so viel Ideen in sich aufnimmt, als zur Verstärkung des Eindrucks nöthig ist. Bei dem Gedichte ist dies etwas anders. Ariost der in einem Gesange die Angelica beschrieben hat, nennt sie mir nur in dem folgenden, und rechnet darauf, daß mit dem Nahmen, der mein Erinnerungs- und Bildungsvermögen in Bewe- 1) S. den Pallast Barberini.
Der kleine Pallaſt Farneſe. mengeſtelletſind, muß jedes fuͤr ſich ſeinen eige- nen vollſtaͤn- digen und beſtimmten Ausdruck haben.getadelt habe, daß man Vorſtellungen, die unter ſich kein ſichtbares Ganze ausmachen, unabgetheilt in einem Gemaͤhlde, Gruppen gleich, vereiniget; 1) ſo muß ich es auch misbilligen, wenn die abgetheilten Gemaͤhlde, jedes fuͤr ſich, keine Werke der Art ausmachen, welche ohne das ſie vereinigende Local- verhaͤltniß, oder den nicht ſichtbaren Zuſammenhang, einen beſtimmten und vollſtaͤndigen Ausdruck dar- bieten. Der Mahler darf auf die Erklaͤrung eines Bildes durch die Aufſtellung neben mehreren, die aus einer Reihe von Begebenheiten genommen ſind, welche zuſammen eine Geſchichte, das Suͤjet zu einer Er- zaͤhlung, zu einem Buche ausmachen, nicht als Grundlage, ſondern nur als Huͤlfsmittel der Ver- ſtaͤndigung rechnen. Das Auge muß den Ausdruck eines Gemaͤhldes fuͤr ſich betrachtet, beſtimmt und vollſtaͤndig finden; tritt die Erinnerung an die un- ſichtbare Bedeutung hinzu, ſo wird jene Aufloͤſung durch den bloßen Anblick an Deutlichkeit und Voll- ſtaͤndigkeit gewinnen, nie aber wird die Erinnerung allein den Mangel derſelben erſetzen. Wo das Auge eine Abtheilung ſieht, da geht der innere Sinn aus dem Kreiſe ſeiner vorigen Vorſtellungen heraus, und bildet ſich einen neuen, der aus dem vorigen nur ſo viel Ideen in ſich aufnimmt, als zur Verſtaͤrkung des Eindrucks noͤthig iſt. Bei dem Gedichte iſt dies etwas anders. Arioſt der in einem Geſange die Angelica beſchrieben hat, nennt ſie mir nur in dem folgenden, und rechnet darauf, daß mit dem Nahmen, der mein Erinnerungs- und Bildungsvermoͤgen in Bewe- 1) S. den Pallaſt Barberini.
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Der kleine Pallaſt Farneſe.
getadelt habe, daß man Vorſtellungen, die unter
ſich kein ſichtbares Ganze ausmachen, unabgetheilt
in einem Gemaͤhlde, Gruppen gleich, vereiniget; 1)
ſo muß ich es auch misbilligen, wenn die abgetheilten
Gemaͤhlde, jedes fuͤr ſich, keine Werke der Art
ausmachen, welche ohne das ſie vereinigende Local-
verhaͤltniß, oder den nicht ſichtbaren Zuſammenhang,
einen beſtimmten und vollſtaͤndigen Ausdruck dar-
bieten. Der Mahler darf auf die Erklaͤrung eines
Bildes durch die Aufſtellung neben mehreren, die aus
einer Reihe von Begebenheiten genommen ſind, welche
zuſammen eine Geſchichte, das Suͤjet zu einer Er-
zaͤhlung, zu einem Buche ausmachen, nicht als
Grundlage, ſondern nur als Huͤlfsmittel der Ver-
ſtaͤndigung rechnen. Das Auge muß den Ausdruck
eines Gemaͤhldes fuͤr ſich betrachtet, beſtimmt und
vollſtaͤndig finden; tritt die Erinnerung an die un-
ſichtbare Bedeutung hinzu, ſo wird jene Aufloͤſung
durch den bloßen Anblick an Deutlichkeit und Voll-
ſtaͤndigkeit gewinnen, nie aber wird die Erinnerung
allein den Mangel derſelben erſetzen. Wo das Auge
eine Abtheilung ſieht, da geht der innere Sinn aus
dem Kreiſe ſeiner vorigen Vorſtellungen heraus, und
bildet ſich einen neuen, der aus dem vorigen nur ſo
viel Ideen in ſich aufnimmt, als zur Verſtaͤrkung
des Eindrucks noͤthig iſt. Bei dem Gedichte iſt dies
etwas anders. Arioſt der in einem Geſange die
Angelica beſchrieben hat, nennt ſie mir nur in dem
folgenden, und rechnet darauf, daß mit dem Nahmen,
der mein Erinnerungs- und Bildungsvermoͤgen in
Bewe-
mengeſtellet
ſind, muß
jedes fuͤr ſich
ſeinen eige-
nen vollſtaͤn-
digen und
beſtimmten
Ausdruck
haben.
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