Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.dem Weibe eigen, und das Vermögen, dadurch angezogen zu werden, nicht dem Manne allein. Mann und Weib, Greise und Kinder, alle mit Sensibilität begabte Körper huldigen der Ueppigkeit. Seht! wie das Mädchen, noch weit unter der Stufe der Pubertät, unbekannt mit dem unnennbaren Triebe, das aufgeblähte, weiße und zarte Fleisch kleiner Kinder von beyderley Geschlecht zu streicheln, und die Hand mit zärtelnder Spannung in dasselbe einzulagern liebt! Seht! wie Weiber auf jeder Stufe des Alters für die Gestalt einer zartgebaueten Schönheit, es sey in der Natur oder im Bilde, immer mehr Vorliebe empfinden, als für die ernstere des ausgewachsenen Mannes, wenn anders nicht die Lüsternheit erwacht, oder moralische Vorstellungen im Wege stehen. Wo sie sich auf bloße Anschauung der äußern Formen beschränken, da wird der weibliche, üppige Bau des Körpers, Völligkeit der Ründung, Zierlichkeit der Umrisse, lebhafte und zugleich sanfte Carnation, selbst am männlichen Körper, immer das Anziehendste für sie seyn. Die Statue des Apollo von Belvedere rührt sie nicht so stark, als die Statue des Ganymeds und das Mädchen, das als Mann verkleidet ist, erscheint ihnen reitzender als der schönste Jüngling. Was wir Männer weibisch, zu zart, weichlich nennen würden, giebt den Weibern das Gefühl der Ueppigkeit, in Formen, Tönen, Gerüchen, Nahrungsmitteln, u. s. w: und wo dieß nicht der Fall seyn sollte, wo sie etwas schal, abgestanden finden; da ist gewiß entweder das gehörige Verhältniß zwischen der geschmeidigen Stärke ihrer Sensibilität und der hebenden Zartheit des einwirkenden Körpers nicht vorhanden; oder es mischt sich etwas Fremdes ein, was zur Ueppigkeit des Körpers nicht gehört, sondern schon dem Weibe eigen, und das Vermögen, dadurch angezogen zu werden, nicht dem Manne allein. Mann und Weib, Greise und Kinder, alle mit Sensibilität begabte Körper huldigen der Ueppigkeit. Seht! wie das Mädchen, noch weit unter der Stufe der Pubertät, unbekannt mit dem unnennbaren Triebe, das aufgeblähte, weiße und zarte Fleisch kleiner Kinder von beyderley Geschlecht zu streicheln, und die Hand mit zärtelnder Spannung in dasselbe einzulagern liebt! Seht! wie Weiber auf jeder Stufe des Alters für die Gestalt einer zartgebaueten Schönheit, es sey in der Natur oder im Bilde, immer mehr Vorliebe empfinden, als für die ernstere des ausgewachsenen Mannes, wenn anders nicht die Lüsternheit erwacht, oder moralische Vorstellungen im Wege stehen. Wo sie sich auf bloße Anschauung der äußern Formen beschränken, da wird der weibliche, üppige Bau des Körpers, Völligkeit der Ründung, Zierlichkeit der Umrisse, lebhafte und zugleich sanfte Carnation, selbst am männlichen Körper, immer das Anziehendste für sie seyn. Die Statue des Apollo von Belvedere rührt sie nicht so stark, als die Statue des Ganymeds und das Mädchen, das als Mann verkleidet ist, erscheint ihnen reitzender als der schönste Jüngling. Was wir Männer weibisch, zu zart, weichlich nennen würden, giebt den Weibern das Gefühl der Ueppigkeit, in Formen, Tönen, Gerüchen, Nahrungsmitteln, u. s. w: und wo dieß nicht der Fall seyn sollte, wo sie etwas schal, abgestanden finden; da ist gewiß entweder das gehörige Verhältniß zwischen der geschmeidigen Stärke ihrer Sensibilität und der hebenden Zartheit des einwirkenden Körpers nicht vorhanden; oder es mischt sich etwas Fremdes ein, was zur Ueppigkeit des Körpers nicht gehört, sondern schon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="138"/> dem Weibe eigen, und das Vermögen, dadurch angezogen zu werden, nicht dem Manne allein. Mann und Weib, Greise und Kinder, alle mit Sensibilität begabte Körper huldigen der Ueppigkeit. Seht! wie das Mädchen, noch weit unter der Stufe der Pubertät, unbekannt mit dem unnennbaren Triebe, das aufgeblähte, weiße und zarte Fleisch kleiner Kinder von beyderley Geschlecht zu streicheln, und die Hand mit zärtelnder Spannung in dasselbe einzulagern liebt! Seht! wie Weiber auf jeder Stufe des Alters für die Gestalt einer zartgebaueten Schönheit, es sey in der Natur oder im Bilde, immer mehr Vorliebe empfinden, als für die ernstere des ausgewachsenen Mannes, wenn anders nicht die Lüsternheit erwacht, oder moralische Vorstellungen im Wege stehen. Wo sie sich auf bloße Anschauung der äußern Formen beschränken, da wird der weibliche, üppige Bau des Körpers, Völligkeit der Ründung, Zierlichkeit der Umrisse, lebhafte und zugleich sanfte Carnation, selbst am männlichen Körper, immer das Anziehendste für sie seyn. Die Statue des Apollo von Belvedere rührt sie nicht so stark, als die Statue des Ganymeds und das Mädchen, das als Mann verkleidet ist, erscheint ihnen reitzender als der schönste Jüngling. Was wir Männer <hi rendition="#g">weibisch</hi>, zu zart, weichlich nennen würden, giebt den Weibern das Gefühl der Ueppigkeit, in Formen, Tönen, Gerüchen, Nahrungsmitteln, u. s. w: und wo dieß nicht der Fall seyn sollte, wo sie etwas schal, abgestanden finden; da ist gewiß entweder das gehörige Verhältniß zwischen der geschmeidigen Stärke ihrer Sensibilität und der hebenden Zartheit des einwirkenden Körpers nicht vorhanden; oder es mischt sich etwas Fremdes ein, was zur Ueppigkeit des Körpers nicht gehört, sondern schon </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0138]
dem Weibe eigen, und das Vermögen, dadurch angezogen zu werden, nicht dem Manne allein. Mann und Weib, Greise und Kinder, alle mit Sensibilität begabte Körper huldigen der Ueppigkeit. Seht! wie das Mädchen, noch weit unter der Stufe der Pubertät, unbekannt mit dem unnennbaren Triebe, das aufgeblähte, weiße und zarte Fleisch kleiner Kinder von beyderley Geschlecht zu streicheln, und die Hand mit zärtelnder Spannung in dasselbe einzulagern liebt! Seht! wie Weiber auf jeder Stufe des Alters für die Gestalt einer zartgebaueten Schönheit, es sey in der Natur oder im Bilde, immer mehr Vorliebe empfinden, als für die ernstere des ausgewachsenen Mannes, wenn anders nicht die Lüsternheit erwacht, oder moralische Vorstellungen im Wege stehen. Wo sie sich auf bloße Anschauung der äußern Formen beschränken, da wird der weibliche, üppige Bau des Körpers, Völligkeit der Ründung, Zierlichkeit der Umrisse, lebhafte und zugleich sanfte Carnation, selbst am männlichen Körper, immer das Anziehendste für sie seyn. Die Statue des Apollo von Belvedere rührt sie nicht so stark, als die Statue des Ganymeds und das Mädchen, das als Mann verkleidet ist, erscheint ihnen reitzender als der schönste Jüngling. Was wir Männer weibisch, zu zart, weichlich nennen würden, giebt den Weibern das Gefühl der Ueppigkeit, in Formen, Tönen, Gerüchen, Nahrungsmitteln, u. s. w: und wo dieß nicht der Fall seyn sollte, wo sie etwas schal, abgestanden finden; da ist gewiß entweder das gehörige Verhältniß zwischen der geschmeidigen Stärke ihrer Sensibilität und der hebenden Zartheit des einwirkenden Körpers nicht vorhanden; oder es mischt sich etwas Fremdes ein, was zur Ueppigkeit des Körpers nicht gehört, sondern schon
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