Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.der Weiber, und für die Heiligkeit der Ehen so besorgt dargestellt wird, auf der andern den Männern, welche mit ihren Gattinnen Kinder gezeugt hatten, erlaubt haben sollte, diese an andere Männer zu eben diesem Zwecke zu verleihen? Gewiß! dieß sieht weniger einer Wahrheit, als der Grille eines Sophisten ähnlich, der aus der Nothwendigkeit einen neuerrichteten Staat zu bevölkern, Gesetze herleitet, denen sich die Natur und selbst die Nachricht widersetzen, daß 520 Jahre nach der Erbauung Roms von keiner Ehescheidung die Rede gewesen sey. Ich wende mich sogleich zu den Zeiten der Republik, von denen wir freylich nicht viel wissen, von denen uns aber doch solche Nachrichten übrig geblieben sind, die wir mit unsern übrigen Erfahrungen zusammenreimen können. In jeder Republik, die wirklich diesen Nahmen verdient, weil jedes Mitglied derselben unmittelbar an der Gesetzgebung Theil nimmt, können immer nur wenige Personen auf die Rechte selbständiger Staatsbürger Anspruch machen. Dieß sind die eingebornen und ansässigen Hausväter. Alle andere Menschen, die mit und neben ihnen wohnen, leben und weben, zu dem Wohl des einzelnen Bürgers, und zur Fortdauer des Staats erfordert werden, sind bloßes Zubehör, Mittel, das Wohl der ersteren zu befördern. Sie sind nie Zweck. Man braucht, man duldet sie, weil man sie nutzt, und weil man ihrer nicht entbehren kann. Dahin gehören Sklaven, Freygelaßne, Fremde, Weiber, sogar die Söhne der Staatsbürger, so lange diese noch nicht selbständige Mitglieder der Republik geworden sind. der Weiber, und für die Heiligkeit der Ehen so besorgt dargestellt wird, auf der andern den Männern, welche mit ihren Gattinnen Kinder gezeugt hatten, erlaubt haben sollte, diese an andere Männer zu eben diesem Zwecke zu verleihen? Gewiß! dieß sieht weniger einer Wahrheit, als der Grille eines Sophisten ähnlich, der aus der Nothwendigkeit einen neuerrichteten Staat zu bevölkern, Gesetze herleitet, denen sich die Natur und selbst die Nachricht widersetzen, daß 520 Jahre nach der Erbauung Roms von keiner Ehescheidung die Rede gewesen sey. Ich wende mich sogleich zu den Zeiten der Republik, von denen wir freylich nicht viel wissen, von denen uns aber doch solche Nachrichten übrig geblieben sind, die wir mit unsern übrigen Erfahrungen zusammenreimen können. In jeder Republik, die wirklich diesen Nahmen verdient, weil jedes Mitglied derselben unmittelbar an der Gesetzgebung Theil nimmt, können immer nur wenige Personen auf die Rechte selbständiger Staatsbürger Anspruch machen. Dieß sind die eingebornen und ansässigen Hausväter. Alle andere Menschen, die mit und neben ihnen wohnen, leben und weben, zu dem Wohl des einzelnen Bürgers, und zur Fortdauer des Staats erfordert werden, sind bloßes Zubehör, Mittel, das Wohl der ersteren zu befördern. Sie sind nie Zweck. Man braucht, man duldet sie, weil man sie nutzt, und weil man ihrer nicht entbehren kann. Dahin gehören Sklaven, Freygelaßne, Fremde, Weiber, sogar die Söhne der Staatsbürger, so lange diese noch nicht selbständige Mitglieder der Republik geworden sind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0286" n="286"/> der Weiber, und für die Heiligkeit der Ehen so besorgt dargestellt wird, auf der andern den Männern, welche mit ihren Gattinnen Kinder gezeugt hatten, erlaubt haben sollte, diese an andere Männer zu eben diesem Zwecke zu verleihen? Gewiß! dieß sieht weniger einer Wahrheit, als der Grille eines Sophisten ähnlich, der aus der Nothwendigkeit einen neuerrichteten Staat zu bevölkern, Gesetze herleitet, denen sich die Natur und selbst die Nachricht widersetzen, daß 520 Jahre nach der Erbauung Roms von keiner Ehescheidung die Rede gewesen sey.</p> <p>Ich wende mich sogleich zu den Zeiten der Republik, von denen wir freylich nicht viel wissen, von denen uns aber doch solche Nachrichten übrig geblieben sind, die wir mit unsern übrigen Erfahrungen zusammenreimen können.</p> <p>In jeder Republik, die wirklich diesen Nahmen verdient, weil jedes Mitglied derselben unmittelbar an der Gesetzgebung Theil nimmt, können immer nur wenige Personen auf die Rechte selbständiger Staatsbürger Anspruch machen. Dieß sind die eingebornen und ansässigen Hausväter. Alle andere Menschen, die mit und neben ihnen wohnen, leben und weben, zu dem Wohl des einzelnen Bürgers, und zur Fortdauer des Staats erfordert werden, sind bloßes Zubehör, Mittel, das Wohl der ersteren zu befördern. Sie sind nie Zweck. Man braucht, man duldet sie, weil man sie nutzt, und weil man ihrer nicht entbehren kann. Dahin gehören Sklaven, Freygelaßne, Fremde, Weiber, sogar die Söhne der Staatsbürger, so lange diese noch nicht selbständige Mitglieder der Republik geworden sind.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0286]
der Weiber, und für die Heiligkeit der Ehen so besorgt dargestellt wird, auf der andern den Männern, welche mit ihren Gattinnen Kinder gezeugt hatten, erlaubt haben sollte, diese an andere Männer zu eben diesem Zwecke zu verleihen? Gewiß! dieß sieht weniger einer Wahrheit, als der Grille eines Sophisten ähnlich, der aus der Nothwendigkeit einen neuerrichteten Staat zu bevölkern, Gesetze herleitet, denen sich die Natur und selbst die Nachricht widersetzen, daß 520 Jahre nach der Erbauung Roms von keiner Ehescheidung die Rede gewesen sey.
Ich wende mich sogleich zu den Zeiten der Republik, von denen wir freylich nicht viel wissen, von denen uns aber doch solche Nachrichten übrig geblieben sind, die wir mit unsern übrigen Erfahrungen zusammenreimen können.
In jeder Republik, die wirklich diesen Nahmen verdient, weil jedes Mitglied derselben unmittelbar an der Gesetzgebung Theil nimmt, können immer nur wenige Personen auf die Rechte selbständiger Staatsbürger Anspruch machen. Dieß sind die eingebornen und ansässigen Hausväter. Alle andere Menschen, die mit und neben ihnen wohnen, leben und weben, zu dem Wohl des einzelnen Bürgers, und zur Fortdauer des Staats erfordert werden, sind bloßes Zubehör, Mittel, das Wohl der ersteren zu befördern. Sie sind nie Zweck. Man braucht, man duldet sie, weil man sie nutzt, und weil man ihrer nicht entbehren kann. Dahin gehören Sklaven, Freygelaßne, Fremde, Weiber, sogar die Söhne der Staatsbürger, so lange diese noch nicht selbständige Mitglieder der Republik geworden sind.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |