Bemerkenswürdig ist es doch, wie so plötzlich der Streit über eine Meinung, von der früher nur wenig die Rede war, ein Jahrhundert einnehmen und erfüllen, die Thä- tigkeit aller Geister desselben herausfordern kann. In dem sechzehnten Jahrhundert brachte die Lehre von der Recht- fertigung die größten Bewegungen, Entzweiungen, ja Um- wälzungen hervor. Man möchte sagen, es sey im Gegen- satz gegen die Verweltlichung des kirchlichen Institutes, welches die unmittelbare Beziehung des Menschen zu Gott fast ganz verloren hatte, geschehen, daß eine so transcen- dentale, das tiefste Geheimniß dieses Verhältnisses anbe- treffende Frage die allgemeine Beschäftigung der Geister wurde.
Selbst in dem lebenslustigen Neapel ward sie, und zwar von einem Spanier, einem Secretär des Vicekönigs, Johann Valdez, verbreitet. Die Schriften des Valdez sind leider ganz verschollen; darüber aber, was die Gegner an ihm tadelten, haben wir ein sehr bestimmtes Zeugniß. Um das Jahr 1540 kam ein kleines Buch "von der Wohl- that Christi" in Umlauf, welches, wie sich ein Bericht der Inquisition ausdrückt, "auf einschmeichelnde Weise von der Rechtfertigung handelte, Werke und Verdienste herab- setzte, dem Glauben allein alles zuschrieb, und weil eben dieß der Punkt war, an dem damals viele Prälaten und Klosterbrüder anstießen, eine ungemeine Verbreitung fand." Man hat dem Autor dieses Buches öfter nachgefragt. Je- ner Bericht bezeichnet ihn mit Bestimmtheit. "Es war,"
turae nostrae et de reparatione arbitrii nostri a spiritu sancto facta."
Analogien des Proteſtantismus in Italien.
Bemerkenswuͤrdig iſt es doch, wie ſo ploͤtzlich der Streit uͤber eine Meinung, von der fruͤher nur wenig die Rede war, ein Jahrhundert einnehmen und erfuͤllen, die Thaͤ- tigkeit aller Geiſter deſſelben herausfordern kann. In dem ſechzehnten Jahrhundert brachte die Lehre von der Recht- fertigung die groͤßten Bewegungen, Entzweiungen, ja Um- waͤlzungen hervor. Man moͤchte ſagen, es ſey im Gegen- ſatz gegen die Verweltlichung des kirchlichen Inſtitutes, welches die unmittelbare Beziehung des Menſchen zu Gott faſt ganz verloren hatte, geſchehen, daß eine ſo tranſcen- dentale, das tiefſte Geheimniß dieſes Verhaͤltniſſes anbe- treffende Frage die allgemeine Beſchaͤftigung der Geiſter wurde.
Selbſt in dem lebensluſtigen Neapel ward ſie, und zwar von einem Spanier, einem Secretaͤr des Vicekoͤnigs, Johann Valdez, verbreitet. Die Schriften des Valdez ſind leider ganz verſchollen; daruͤber aber, was die Gegner an ihm tadelten, haben wir ein ſehr beſtimmtes Zeugniß. Um das Jahr 1540 kam ein kleines Buch „von der Wohl- that Chriſti“ in Umlauf, welches, wie ſich ein Bericht der Inquiſition ausdruͤckt, „auf einſchmeichelnde Weiſe von der Rechtfertigung handelte, Werke und Verdienſte herab- ſetzte, dem Glauben allein alles zuſchrieb, und weil eben dieß der Punkt war, an dem damals viele Praͤlaten und Kloſterbruͤder anſtießen, eine ungemeine Verbreitung fand.“ Man hat dem Autor dieſes Buches oͤfter nachgefragt. Je- ner Bericht bezeichnet ihn mit Beſtimmtheit. „Es war,“
turae nostrae et de reparatione arbitrii nostri a spiritu sancto facta.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0163"n="137"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Analogien des Proteſtantismus in Italien</hi>.</fw><lb/><p>Bemerkenswuͤrdig iſt es doch, wie ſo ploͤtzlich der Streit<lb/>
uͤber eine Meinung, von der fruͤher nur wenig die Rede<lb/>
war, ein Jahrhundert einnehmen und erfuͤllen, die Thaͤ-<lb/>
tigkeit aller Geiſter deſſelben herausfordern kann. In dem<lb/>ſechzehnten Jahrhundert brachte die Lehre von der Recht-<lb/>
fertigung die groͤßten Bewegungen, Entzweiungen, ja Um-<lb/>
waͤlzungen hervor. Man moͤchte ſagen, es ſey im Gegen-<lb/>ſatz gegen die Verweltlichung des kirchlichen Inſtitutes,<lb/>
welches die unmittelbare Beziehung des Menſchen zu Gott<lb/>
faſt ganz verloren hatte, geſchehen, daß eine ſo tranſcen-<lb/>
dentale, das tiefſte Geheimniß dieſes Verhaͤltniſſes anbe-<lb/>
treffende Frage die allgemeine Beſchaͤftigung der Geiſter<lb/>
wurde.</p><lb/><p>Selbſt in dem lebensluſtigen Neapel ward ſie, und<lb/>
zwar von einem Spanier, einem Secretaͤr des Vicekoͤnigs,<lb/>
Johann Valdez, verbreitet. Die Schriften des Valdez ſind<lb/>
leider ganz verſchollen; daruͤber aber, was die Gegner an<lb/>
ihm tadelten, haben wir ein ſehr beſtimmtes Zeugniß. Um<lb/>
das Jahr 1540 kam ein kleines Buch „von der Wohl-<lb/>
that Chriſti“ in Umlauf, welches, wie ſich ein Bericht<lb/>
der Inquiſition ausdruͤckt, „auf einſchmeichelnde Weiſe von<lb/>
der Rechtfertigung handelte, Werke und Verdienſte herab-<lb/>ſetzte, dem Glauben allein alles zuſchrieb, und weil eben<lb/>
dieß der Punkt war, an dem damals viele Praͤlaten und<lb/>
Kloſterbruͤder anſtießen, eine ungemeine Verbreitung fand.“<lb/>
Man hat dem Autor dieſes Buches oͤfter nachgefragt. Je-<lb/>
ner Bericht bezeichnet ihn mit Beſtimmtheit. „Es war,“<lb/><notexml:id="note-0163"prev="#note-0162"place="foot"n="3)"><hirendition="#aq">turae nostrae et de reparatione arbitrii nostri a spiritu sancto<lb/>
facta.“</hi></note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[137/0163]
Analogien des Proteſtantismus in Italien.
Bemerkenswuͤrdig iſt es doch, wie ſo ploͤtzlich der Streit
uͤber eine Meinung, von der fruͤher nur wenig die Rede
war, ein Jahrhundert einnehmen und erfuͤllen, die Thaͤ-
tigkeit aller Geiſter deſſelben herausfordern kann. In dem
ſechzehnten Jahrhundert brachte die Lehre von der Recht-
fertigung die groͤßten Bewegungen, Entzweiungen, ja Um-
waͤlzungen hervor. Man moͤchte ſagen, es ſey im Gegen-
ſatz gegen die Verweltlichung des kirchlichen Inſtitutes,
welches die unmittelbare Beziehung des Menſchen zu Gott
faſt ganz verloren hatte, geſchehen, daß eine ſo tranſcen-
dentale, das tiefſte Geheimniß dieſes Verhaͤltniſſes anbe-
treffende Frage die allgemeine Beſchaͤftigung der Geiſter
wurde.
Selbſt in dem lebensluſtigen Neapel ward ſie, und
zwar von einem Spanier, einem Secretaͤr des Vicekoͤnigs,
Johann Valdez, verbreitet. Die Schriften des Valdez ſind
leider ganz verſchollen; daruͤber aber, was die Gegner an
ihm tadelten, haben wir ein ſehr beſtimmtes Zeugniß. Um
das Jahr 1540 kam ein kleines Buch „von der Wohl-
that Chriſti“ in Umlauf, welches, wie ſich ein Bericht
der Inquiſition ausdruͤckt, „auf einſchmeichelnde Weiſe von
der Rechtfertigung handelte, Werke und Verdienſte herab-
ſetzte, dem Glauben allein alles zuſchrieb, und weil eben
dieß der Punkt war, an dem damals viele Praͤlaten und
Kloſterbruͤder anſtießen, eine ungemeine Verbreitung fand.“
Man hat dem Autor dieſes Buches oͤfter nachgefragt. Je-
ner Bericht bezeichnet ihn mit Beſtimmtheit. „Es war,“
3)
3) turae nostrae et de reparatione arbitrii nostri a spiritu sancto
facta.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/163>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.