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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
über sie: den Cardinal, den Herzog von Palliano und zwei
ihrer nächsten Verwandten, den Grafen Aliffe und Leonardo
di Cardine. Montebello und einige Andere waren entflo-
hen. Der Cardinal hatte vielleicht Verweisung, niemals
hatte er die Todesstrafe erwartet. Als sie ihm angekün-
digt wurde -- eines Morgens, er lag noch zu Bett -- als
ihm jeder Zweifel benommen war, verhüllte er sich einige
Augenblicke iu die Decke: dann, indem er sich erhob, schlug
er die Hände zusammen und rief jenes schmerzliche Wort
aus, das man in Italien in verzweifelten Fällen hört:
Wohlan! Geduld! Man gestattete ihm seinen gewohnten
Beichtvater nicht: dem, welchen man schickte, hatte er, wie
sich leicht begreift, viel zu sagen: und es dauerte etwas
lange. "Monsignore, macht ein Ende," rief der Polizei-
beamte: "wir haben noch andere Geschäfte."

So kamen diese Nepoten um. Es sind die letzten,
die nach unabhängigen Fürstenthümern getrachtet: und um
politischer Zwecke willen große Weltbewegungen hervor-
gerufen haben. -- Seit Sixtus IV. begegnen wir ihnen.
Hieronymo Riario, Cesar Borgia, Lorenzo Medici, Pier-
luigi Farnese; -- die Caraffas sind die letzten. Es haben
sich später andere Nepotenfamilien gebildet, doch in einem
ganz anderen Sinne. In dem bisherigen hat es keine wei-
ter gegeben.

Wie hätte auch namentlich Pius IV. nach einer so
gewaltsamen Execution daran denken können, den seinigen
eine Gewalt zu verstatten, wie die gewesen, die er an den
Caraffen so unerbittlich heimgesucht hatte? Ohnehin, als
ein von Natur lebhaft regsamer Mann, wollte er selber re-

gie-

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
uͤber ſie: den Cardinal, den Herzog von Palliano und zwei
ihrer naͤchſten Verwandten, den Grafen Aliffe und Leonardo
di Cardine. Montebello und einige Andere waren entflo-
hen. Der Cardinal hatte vielleicht Verweiſung, niemals
hatte er die Todesſtrafe erwartet. Als ſie ihm angekuͤn-
digt wurde — eines Morgens, er lag noch zu Bett — als
ihm jeder Zweifel benommen war, verhuͤllte er ſich einige
Augenblicke iu die Decke: dann, indem er ſich erhob, ſchlug
er die Haͤnde zuſammen und rief jenes ſchmerzliche Wort
aus, das man in Italien in verzweifelten Faͤllen hoͤrt:
Wohlan! Geduld! Man geſtattete ihm ſeinen gewohnten
Beichtvater nicht: dem, welchen man ſchickte, hatte er, wie
ſich leicht begreift, viel zu ſagen: und es dauerte etwas
lange. „Monſignore, macht ein Ende,“ rief der Polizei-
beamte: „wir haben noch andere Geſchaͤfte.“

So kamen dieſe Nepoten um. Es ſind die letzten,
die nach unabhaͤngigen Fuͤrſtenthuͤmern getrachtet: und um
politiſcher Zwecke willen große Weltbewegungen hervor-
gerufen haben. — Seit Sixtus IV. begegnen wir ihnen.
Hieronymo Riario, Ceſar Borgia, Lorenzo Medici, Pier-
luigi Farneſe; — die Caraffas ſind die letzten. Es haben
ſich ſpaͤter andere Nepotenfamilien gebildet, doch in einem
ganz anderen Sinne. In dem bisherigen hat es keine wei-
ter gegeben.

Wie haͤtte auch namentlich Pius IV. nach einer ſo
gewaltſamen Execution daran denken koͤnnen, den ſeinigen
eine Gewalt zu verſtatten, wie die geweſen, die er an den
Caraffen ſo unerbittlich heimgeſucht hatte? Ohnehin, als
ein von Natur lebhaft regſamer Mann, wollte er ſelber re-

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[320/0346] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. uͤber ſie: den Cardinal, den Herzog von Palliano und zwei ihrer naͤchſten Verwandten, den Grafen Aliffe und Leonardo di Cardine. Montebello und einige Andere waren entflo- hen. Der Cardinal hatte vielleicht Verweiſung, niemals hatte er die Todesſtrafe erwartet. Als ſie ihm angekuͤn- digt wurde — eines Morgens, er lag noch zu Bett — als ihm jeder Zweifel benommen war, verhuͤllte er ſich einige Augenblicke iu die Decke: dann, indem er ſich erhob, ſchlug er die Haͤnde zuſammen und rief jenes ſchmerzliche Wort aus, das man in Italien in verzweifelten Faͤllen hoͤrt: Wohlan! Geduld! Man geſtattete ihm ſeinen gewohnten Beichtvater nicht: dem, welchen man ſchickte, hatte er, wie ſich leicht begreift, viel zu ſagen: und es dauerte etwas lange. „Monſignore, macht ein Ende,“ rief der Polizei- beamte: „wir haben noch andere Geſchaͤfte.“ So kamen dieſe Nepoten um. Es ſind die letzten, die nach unabhaͤngigen Fuͤrſtenthuͤmern getrachtet: und um politiſcher Zwecke willen große Weltbewegungen hervor- gerufen haben. — Seit Sixtus IV. begegnen wir ihnen. Hieronymo Riario, Ceſar Borgia, Lorenzo Medici, Pier- luigi Farneſe; — die Caraffas ſind die letzten. Es haben ſich ſpaͤter andere Nepotenfamilien gebildet, doch in einem ganz anderen Sinne. In dem bisherigen hat es keine wei- ter gegeben. Wie haͤtte auch namentlich Pius IV. nach einer ſo gewaltſamen Execution daran denken koͤnnen, den ſeinigen eine Gewalt zu verſtatten, wie die geweſen, die er an den Caraffen ſo unerbittlich heimgeſucht hatte? Ohnehin, als ein von Natur lebhaft regſamer Mann, wollte er ſelber re- gie-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/346>, abgerufen am 24.11.2024.