Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Pius V. wegen, ohne Jemand anzusehen. Die Leute waren entsetztund bequemten sich, die alte Pflicht zu leisten 1). Zuweilen fand er jedoch hartnäckigeren und erbitterten Widerstand. Daß er den Orden der Humiliaten reformiren wollte, machte die Mitglieder, die nur hineingetreten waren, um die Reich- thümer desselben in ungebundenem Leben zu genießen 2), in einem Grade mißvergnügt, daß sie ihrem Erzbischof nach dem Leben standen. Während er in seiner Capelle betete, ward auf ihn geschossen. Niemals aber war ihm etwas nützlicher als dieß Attentat. Das Volk hielt seine Rettung für ein Wunder und fing von diesem Augenblick erst recht an ihn zu verehren. Da sein Eifer eben so rein und von irdi- schen Zwecken ungetrübt war, wie beharrlich, da er auch in der Stunde der Gefahr, zur Zeit der Pest, eine uner- müdliche Fürsorge für das Heil des Lebens und der See- len seiner Pflegebefohlenen bewies, da er nichts als Hin- gebung und Frömmigkeit an sich wahrnehmen ließ, so wuchs sein Einfluß von Tage zu Tage, und Mailand nahm eine ganz andere Gestalt an. "Wie soll ich dich prei- sen, schönste Stadt," ruft Gabriel Paleotto gegen das Ende der Verwaltung Borromeo's aus: "ich bewundere deine Heiligkeit und Religion: ein zweites Jerusalem sehe ich in 1) Ripamonte: Historia urbis Mediolani bei Graevius II, I, p. 864. Uebrigens hat Ripamonte den ganzen zweiten Theil seiner Geschichte lib. XI--XVII dem Carl Borromeo geweiht. 2) Sie hatten zusammen 94 Häuser, von denen jedes 100
Menschen hätte ernähren können, doch waren die Mitglieder so we- nig zahlreich, daß nur ihrer zwei auf ein Haus kamen. Der Or- den ward aufgehoben und seine Reichthümer kamen alsdann den Stiftungen Borromeo's, auch den Jesuiten zu gute. Pius V. wegen, ohne Jemand anzuſehen. Die Leute waren entſetztund bequemten ſich, die alte Pflicht zu leiſten 1). Zuweilen fand er jedoch hartnaͤckigeren und erbitterten Widerſtand. Daß er den Orden der Humiliaten reformiren wollte, machte die Mitglieder, die nur hineingetreten waren, um die Reich- thuͤmer deſſelben in ungebundenem Leben zu genießen 2), in einem Grade mißvergnuͤgt, daß ſie ihrem Erzbiſchof nach dem Leben ſtanden. Waͤhrend er in ſeiner Capelle betete, ward auf ihn geſchoſſen. Niemals aber war ihm etwas nuͤtzlicher als dieß Attentat. Das Volk hielt ſeine Rettung fuͤr ein Wunder und fing von dieſem Augenblick erſt recht an ihn zu verehren. Da ſein Eifer eben ſo rein und von irdi- ſchen Zwecken ungetruͤbt war, wie beharrlich, da er auch in der Stunde der Gefahr, zur Zeit der Peſt, eine uner- muͤdliche Fuͤrſorge fuͤr das Heil des Lebens und der See- len ſeiner Pflegebefohlenen bewies, da er nichts als Hin- gebung und Froͤmmigkeit an ſich wahrnehmen ließ, ſo wuchs ſein Einfluß von Tage zu Tage, und Mailand nahm eine ganz andere Geſtalt an. „Wie ſoll ich dich prei- ſen, ſchoͤnſte Stadt,“ ruft Gabriel Paleotto gegen das Ende der Verwaltung Borromeo’s aus: „ich bewundere deine Heiligkeit und Religion: ein zweites Jeruſalem ſehe ich in 1) Ripamonte: Historia urbis Mediolani bei Graevius II, I, p. 864. Uebrigens hat Ripamonte den ganzen zweiten Theil ſeiner Geſchichte lib. XI—XVII dem Carl Borromeo geweiht. 2) Sie hatten zuſammen 94 Haͤuſer, von denen jedes 100
Menſchen haͤtte ernaͤhren koͤnnen, doch waren die Mitglieder ſo we- nig zahlreich, daß nur ihrer zwei auf ein Haus kamen. Der Or- den ward aufgehoben und ſeine Reichthuͤmer kamen alsdann den Stiftungen Borromeo’s, auch den Jeſuiten zu gute. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0391" n="365"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Pius</hi><hi rendition="#aq">V.</hi></fw><lb/> wegen, ohne Jemand anzuſehen. Die Leute waren entſetzt<lb/> und bequemten ſich, die alte Pflicht zu leiſten <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Ripamonte: Historia urbis Mediolani</hi> bei <hi rendition="#aq">Graevius II, I,<lb/> p.</hi> 864. Uebrigens hat Ripamonte den ganzen zweiten Theil ſeiner<lb/> Geſchichte <hi rendition="#aq">lib. XI—XVII</hi> dem Carl Borromeo geweiht.</note>. Zuweilen<lb/> fand er jedoch hartnaͤckigeren und erbitterten Widerſtand.<lb/> Daß er den Orden der Humiliaten reformiren wollte, machte<lb/> die Mitglieder, die nur hineingetreten waren, um die Reich-<lb/> thuͤmer deſſelben in ungebundenem Leben zu genießen <note place="foot" n="2)">Sie hatten zuſammen 94 Haͤuſer, von denen jedes 100<lb/> Menſchen haͤtte ernaͤhren koͤnnen, doch waren die Mitglieder ſo we-<lb/> nig zahlreich, daß nur ihrer zwei auf ein Haus kamen. Der Or-<lb/> den ward aufgehoben und ſeine Reichthuͤmer kamen alsdann den<lb/> Stiftungen Borromeo’s, auch den Jeſuiten zu gute.</note>, in<lb/> einem Grade mißvergnuͤgt, daß ſie ihrem Erzbiſchof nach dem<lb/> Leben ſtanden. Waͤhrend er in ſeiner Capelle betete, ward<lb/> auf ihn geſchoſſen. Niemals aber war ihm etwas nuͤtzlicher<lb/> als dieß Attentat. Das Volk hielt ſeine Rettung fuͤr ein<lb/> Wunder und fing von dieſem Augenblick erſt recht an ihn<lb/> zu verehren. Da ſein Eifer eben ſo rein und von irdi-<lb/> ſchen Zwecken ungetruͤbt war, wie beharrlich, da er auch<lb/> in der Stunde der Gefahr, zur Zeit der Peſt, eine uner-<lb/> muͤdliche Fuͤrſorge fuͤr das Heil des Lebens und der See-<lb/> len ſeiner Pflegebefohlenen bewies, da er nichts als Hin-<lb/> gebung und Froͤmmigkeit an ſich wahrnehmen ließ, ſo<lb/> wuchs ſein Einfluß von Tage zu Tage, und Mailand<lb/> nahm eine ganz andere Geſtalt an. „Wie ſoll ich dich prei-<lb/> ſen, ſchoͤnſte Stadt,“ ruft Gabriel Paleotto gegen das Ende<lb/> der Verwaltung Borromeo’s aus: „ich bewundere deine<lb/> Heiligkeit und Religion: ein zweites Jeruſalem ſehe ich in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [365/0391]
Pius V.
wegen, ohne Jemand anzuſehen. Die Leute waren entſetzt
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fand er jedoch hartnaͤckigeren und erbitterten Widerſtand.
Daß er den Orden der Humiliaten reformiren wollte, machte
die Mitglieder, die nur hineingetreten waren, um die Reich-
thuͤmer deſſelben in ungebundenem Leben zu genießen 2), in
einem Grade mißvergnuͤgt, daß ſie ihrem Erzbiſchof nach dem
Leben ſtanden. Waͤhrend er in ſeiner Capelle betete, ward
auf ihn geſchoſſen. Niemals aber war ihm etwas nuͤtzlicher
als dieß Attentat. Das Volk hielt ſeine Rettung fuͤr ein
Wunder und fing von dieſem Augenblick erſt recht an ihn
zu verehren. Da ſein Eifer eben ſo rein und von irdi-
ſchen Zwecken ungetruͤbt war, wie beharrlich, da er auch
in der Stunde der Gefahr, zur Zeit der Peſt, eine uner-
muͤdliche Fuͤrſorge fuͤr das Heil des Lebens und der See-
len ſeiner Pflegebefohlenen bewies, da er nichts als Hin-
gebung und Froͤmmigkeit an ſich wahrnehmen ließ, ſo
wuchs ſein Einfluß von Tage zu Tage, und Mailand
nahm eine ganz andere Geſtalt an. „Wie ſoll ich dich prei-
ſen, ſchoͤnſte Stadt,“ ruft Gabriel Paleotto gegen das Ende
der Verwaltung Borromeo’s aus: „ich bewundere deine
Heiligkeit und Religion: ein zweites Jeruſalem ſehe ich in
1) Ripamonte: Historia urbis Mediolani bei Graevius II, I,
p. 864. Uebrigens hat Ripamonte den ganzen zweiten Theil ſeiner
Geſchichte lib. XI—XVII dem Carl Borromeo geweiht.
2) Sie hatten zuſammen 94 Haͤuſer, von denen jedes 100
Menſchen haͤtte ernaͤhren koͤnnen, doch waren die Mitglieder ſo we-
nig zahlreich, daß nur ihrer zwei auf ein Haus kamen. Der Or-
den ward aufgehoben und ſeine Reichthuͤmer kamen alsdann den
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