ten wir sagen, von Zukunft umgeben: und die Seele er- müdet nicht sich der Erwartung eines persönlichen Glückes zu überlassen. Je weiter man aber kommt, um so mehr knüpft sich Verlangen wie Aussicht an die allgemeinen In- teressen, an ein großes Ziel der Wissenschaft, des Staates, des Lebens überhaupt. In unserm Franciscaner war die- ser Reiz und Antrieb persönlicher Hoffnungen immer um so stärker gewesen, da er sich auf einer Laufbahn befand, die ihm die erhabenste Aussicht eröffnete: von Stufe zu Stufe hatten sie ihn begleitet, und seine Seele in Tagen der Bedrängniß genährt: jedes vorbedeutende Wort hatte er lebhaft aufgefaßt, in seinem Herzen festgehalten, und für den Fall des Gelingens hohe Plane einer mönchi- schen Begeisterung daran geknüpft; endlich hatte sich ihm alles erfüllt: von geringem, hoffnungslosem Anfang war er zur obersten Würde der Christenheit gestiegen, einer Würde von deren Bedeutung er einen überschwenglichen Be- griff hegte: er glaubte durch eine unmittelbare Vorsehung erwählt zu seyn, um die Ideen zu verwirklichen die ihm vorgeschwebt.
Auch in dem Besitze der höchsten Gewalt verließ ihn dann die Gewohnheit nicht, in den Verwickelungen der Welthändel die Möglichkeit glänzender Unternehmungen wahr- zunehmen, sich mit Entwürfen dazu zu tragen. Es ist in ihnen immer ein sehr persönliches Element: Gewalt und Nachruhm sind ihm reizend, über das was ihm nahe steht, seine Familie, seinen Geburtsort, seine Provinz will er seinen Glanz ausbreiten: aber diese Antriebe werden doch allezeit von einem allgemeinen Interesse der katholischen
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ten wir ſagen, von Zukunft umgeben: und die Seele er- muͤdet nicht ſich der Erwartung eines perſoͤnlichen Gluͤckes zu uͤberlaſſen. Je weiter man aber kommt, um ſo mehr knuͤpft ſich Verlangen wie Ausſicht an die allgemeinen In- tereſſen, an ein großes Ziel der Wiſſenſchaft, des Staates, des Lebens uͤberhaupt. In unſerm Franciscaner war die- ſer Reiz und Antrieb perſoͤnlicher Hoffnungen immer um ſo ſtaͤrker geweſen, da er ſich auf einer Laufbahn befand, die ihm die erhabenſte Ausſicht eroͤffnete: von Stufe zu Stufe hatten ſie ihn begleitet, und ſeine Seele in Tagen der Bedraͤngniß genaͤhrt: jedes vorbedeutende Wort hatte er lebhaft aufgefaßt, in ſeinem Herzen feſtgehalten, und fuͤr den Fall des Gelingens hohe Plane einer moͤnchi- ſchen Begeiſterung daran geknuͤpft; endlich hatte ſich ihm alles erfuͤllt: von geringem, hoffnungsloſem Anfang war er zur oberſten Wuͤrde der Chriſtenheit geſtiegen, einer Wuͤrde von deren Bedeutung er einen uͤberſchwenglichen Be- griff hegte: er glaubte durch eine unmittelbare Vorſehung erwaͤhlt zu ſeyn, um die Ideen zu verwirklichen die ihm vorgeſchwebt.
Auch in dem Beſitze der hoͤchſten Gewalt verließ ihn dann die Gewohnheit nicht, in den Verwickelungen der Welthaͤndel die Moͤglichkeit glaͤnzender Unternehmungen wahr- zunehmen, ſich mit Entwuͤrfen dazu zu tragen. Es iſt in ihnen immer ein ſehr perſoͤnliches Element: Gewalt und Nachruhm ſind ihm reizend, uͤber das was ihm nahe ſteht, ſeine Familie, ſeinen Geburtsort, ſeine Provinz will er ſeinen Glanz ausbreiten: aber dieſe Antriebe werden doch allezeit von einem allgemeinen Intereſſe der katholiſchen
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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
ten wir ſagen, von Zukunft umgeben: und die Seele er-
muͤdet nicht ſich der Erwartung eines perſoͤnlichen Gluͤckes
zu uͤberlaſſen. Je weiter man aber kommt, um ſo mehr
knuͤpft ſich Verlangen wie Ausſicht an die allgemeinen In-
tereſſen, an ein großes Ziel der Wiſſenſchaft, des Staates,
des Lebens uͤberhaupt. In unſerm Franciscaner war die-
ſer Reiz und Antrieb perſoͤnlicher Hoffnungen immer um
ſo ſtaͤrker geweſen, da er ſich auf einer Laufbahn befand,
die ihm die erhabenſte Ausſicht eroͤffnete: von Stufe zu
Stufe hatten ſie ihn begleitet, und ſeine Seele in Tagen
der Bedraͤngniß genaͤhrt: jedes vorbedeutende Wort hatte
er lebhaft aufgefaßt, in ſeinem Herzen feſtgehalten, und
fuͤr den Fall des Gelingens hohe Plane einer moͤnchi-
ſchen Begeiſterung daran geknuͤpft; endlich hatte ſich ihm
alles erfuͤllt: von geringem, hoffnungsloſem Anfang war
er zur oberſten Wuͤrde der Chriſtenheit geſtiegen, einer
Wuͤrde von deren Bedeutung er einen uͤberſchwenglichen Be-
griff hegte: er glaubte durch eine unmittelbare Vorſehung
erwaͤhlt zu ſeyn, um die Ideen zu verwirklichen die ihm
vorgeſchwebt.
Auch in dem Beſitze der hoͤchſten Gewalt verließ ihn
dann die Gewohnheit nicht, in den Verwickelungen der
Welthaͤndel die Moͤglichkeit glaͤnzender Unternehmungen wahr-
zunehmen, ſich mit Entwuͤrfen dazu zu tragen. Es iſt in
ihnen immer ein ſehr perſoͤnliches Element: Gewalt und
Nachruhm ſind ihm reizend, uͤber das was ihm nahe
ſteht, ſeine Familie, ſeinen Geburtsort, ſeine Provinz will
er ſeinen Glanz ausbreiten: aber dieſe Antriebe werden doch
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/214>, abgerufen am 16.02.2025.
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