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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Letzte Zeiten Sixtus V.
Christenheit getragen: für großartige Ideen zeigt er sich im-
mer offen. Nur ist der Unterschied, daß er Einiges selbst
auszuführen vermag, Anderes zum größten Theile Andern
zu überlassen hat. Jenes greift er mit der unermüdlichen
Thätigkeit an, welche Ueberzeugung, Begeisterung und Ehr-
geiz hervorbringen: in diesem dagegen, sey es weil er von
Natur mißtrauisch ist, oder weil der vornehmste Theil der
Ausführung und damit auch des Ruhmes, des Vortheils
Andern zu überlassen wäre, finden wir ihn lange nicht so
eifrig. Fragen wir, was er zur Ausführung z. B. jener
orientalischen Ideen wirklich gethan, so ist es doch nur,
daß er Verbindungen angeknüpft, Briefe gewechselt, Ermah-
nungen erlassen, Anstalten vorbereitet hat: daß er ernst-
liche Maaßregeln ergriffen hätte, die zum Ziele führen konn-
ten, bemerken wir nicht. Er faßt den Plan mit lebendiger
schwärmerischer Phantasie: aber da er nicht gleich selbst
Hand anlegen kann, da die Vollführung in der Ferne liegt,
ist sein Wille nicht recht wirksam: den Entwurf der ihn
eben sehr beschäftigte, läßt er doch wieder fallen: ein an-
derer tritt an die Stelle desselben.

In dem Augenblicke in dem wir uns befinden, er-
füllten den Papst die großartigen Aussichten, die sich an
die Unternehmung gegen Heinrich IV. knüpften, Aussich-
ten eines vollkommenen Sieges des strengen Katholicismus,
einer erneuerten Weltmacht des Papstthums: er lebte und
webte darin. Auch zweifelte er nicht, daß alle katholischen
Staaten einverstanden seyen, daß sie mit gemeinschaftlichen
Kräften den Protestanten bekämpfen würden, welcher den
Anspruch machte König von Frankreich zu werden.


Letzte Zeiten Sixtus V.
Chriſtenheit getragen: fuͤr großartige Ideen zeigt er ſich im-
mer offen. Nur iſt der Unterſchied, daß er Einiges ſelbſt
auszufuͤhren vermag, Anderes zum groͤßten Theile Andern
zu uͤberlaſſen hat. Jenes greift er mit der unermuͤdlichen
Thaͤtigkeit an, welche Ueberzeugung, Begeiſterung und Ehr-
geiz hervorbringen: in dieſem dagegen, ſey es weil er von
Natur mißtrauiſch iſt, oder weil der vornehmſte Theil der
Ausfuͤhrung und damit auch des Ruhmes, des Vortheils
Andern zu uͤberlaſſen waͤre, finden wir ihn lange nicht ſo
eifrig. Fragen wir, was er zur Ausfuͤhrung z. B. jener
orientaliſchen Ideen wirklich gethan, ſo iſt es doch nur,
daß er Verbindungen angeknuͤpft, Briefe gewechſelt, Ermah-
nungen erlaſſen, Anſtalten vorbereitet hat: daß er ernſt-
liche Maaßregeln ergriffen haͤtte, die zum Ziele fuͤhren konn-
ten, bemerken wir nicht. Er faßt den Plan mit lebendiger
ſchwaͤrmeriſcher Phantaſie: aber da er nicht gleich ſelbſt
Hand anlegen kann, da die Vollfuͤhrung in der Ferne liegt,
iſt ſein Wille nicht recht wirkſam: den Entwurf der ihn
eben ſehr beſchaͤftigte, laͤßt er doch wieder fallen: ein an-
derer tritt an die Stelle deſſelben.

In dem Augenblicke in dem wir uns befinden, er-
fuͤllten den Papſt die großartigen Ausſichten, die ſich an
die Unternehmung gegen Heinrich IV. knuͤpften, Ausſich-
ten eines vollkommenen Sieges des ſtrengen Katholicismus,
einer erneuerten Weltmacht des Papſtthums: er lebte und
webte darin. Auch zweifelte er nicht, daß alle katholiſchen
Staaten einverſtanden ſeyen, daß ſie mit gemeinſchaftlichen
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Anſpruch machte Koͤnig von Frankreich zu werden.


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[203/0215] Letzte Zeiten Sixtus V. Chriſtenheit getragen: fuͤr großartige Ideen zeigt er ſich im- mer offen. Nur iſt der Unterſchied, daß er Einiges ſelbſt auszufuͤhren vermag, Anderes zum groͤßten Theile Andern zu uͤberlaſſen hat. Jenes greift er mit der unermuͤdlichen Thaͤtigkeit an, welche Ueberzeugung, Begeiſterung und Ehr- geiz hervorbringen: in dieſem dagegen, ſey es weil er von Natur mißtrauiſch iſt, oder weil der vornehmſte Theil der Ausfuͤhrung und damit auch des Ruhmes, des Vortheils Andern zu uͤberlaſſen waͤre, finden wir ihn lange nicht ſo eifrig. Fragen wir, was er zur Ausfuͤhrung z. B. jener orientaliſchen Ideen wirklich gethan, ſo iſt es doch nur, daß er Verbindungen angeknuͤpft, Briefe gewechſelt, Ermah- nungen erlaſſen, Anſtalten vorbereitet hat: daß er ernſt- liche Maaßregeln ergriffen haͤtte, die zum Ziele fuͤhren konn- ten, bemerken wir nicht. Er faßt den Plan mit lebendiger ſchwaͤrmeriſcher Phantaſie: aber da er nicht gleich ſelbſt Hand anlegen kann, da die Vollfuͤhrung in der Ferne liegt, iſt ſein Wille nicht recht wirkſam: den Entwurf der ihn eben ſehr beſchaͤftigte, laͤßt er doch wieder fallen: ein an- derer tritt an die Stelle deſſelben. In dem Augenblicke in dem wir uns befinden, er- fuͤllten den Papſt die großartigen Ausſichten, die ſich an die Unternehmung gegen Heinrich IV. knuͤpften, Ausſich- ten eines vollkommenen Sieges des ſtrengen Katholicismus, einer erneuerten Weltmacht des Papſtthums: er lebte und webte darin. Auch zweifelte er nicht, daß alle katholiſchen Staaten einverſtanden ſeyen, daß ſie mit gemeinſchaftlichen Kraͤften den Proteſtanten bekaͤmpfen wuͤrden, welcher den Anſpruch machte Koͤnig von Frankreich zu werden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/215>, abgerufen am 21.11.2024.