Der Papst war erstaunt: -- seinen überspannten Vor- stellungen setzte sich die Realität der Dinge schroff gegen- über: -- gab es ein Mittel sie zu überwältigen?
Paul V. dachte wohl zuweilen an die Anwendung von Kriegsgewalt; auch in den Congregationen behielt einmal die kriegerische Stimmung das Uebergewicht: Cardinal Sauli rief aus, man werde die Venezianer züchtigen: man ord- nete Legaten ab, und rüstete ein Heer. Im Grunde aber durfte man es nicht wagen. Man hätte fürchten müssen, daß Venedig sich protestantische Hülfe gesucht und Italien ja die katholische Welt überhaupt in die gefährlichste Be- wegung gesetzt hätte.
Man mußte zuletzt doch wieder wie sonst eine Aus- gleichung der kirchenrechtlichen Fragen durch Politik versu- chen: nur daß dieselbe jetzt nicht zwischen den Betheiligten selbst Statt finden konnte, die sich zu lebhaft entzweit hatten, sondern der Vermittelung der beiden vorwaltenden Mächte, Spanien und Frankreich, anheimfiel. Deren eigene Inte- ressen mußten dann aber auch dabei hervortreten.
Es gab wohl in dem einen wie in dem andern Reiche eine Partei, welche den Ausbruch von Feindseligkeiten ge- wünscht hätte. Unter den Spaniern waren es die eifrigen Katholiken, welche den römischen Stuhl aufs neue an die Monarchie zu ketten hofften: die Governatoren der italie- nischen Landschaften, deren Macht im Kriege wachsen mußte: auch der Botschafter Viglienna in Rom hegte diesen Wunsch, er dachte dabei sein Haus zu kirchlichen Würden zu beför- dern. In Frankreich dagegen waren es gerade die eifrigen Protestanten. Sully und seine Anhänger hätten einen ita-
Venezianiſche Irrungen.
Der Papſt war erſtaunt: — ſeinen uͤberſpannten Vor- ſtellungen ſetzte ſich die Realitaͤt der Dinge ſchroff gegen- uͤber: — gab es ein Mittel ſie zu uͤberwaͤltigen?
Paul V. dachte wohl zuweilen an die Anwendung von Kriegsgewalt; auch in den Congregationen behielt einmal die kriegeriſche Stimmung das Uebergewicht: Cardinal Sauli rief aus, man werde die Venezianer zuͤchtigen: man ord- nete Legaten ab, und ruͤſtete ein Heer. Im Grunde aber durfte man es nicht wagen. Man haͤtte fuͤrchten muͤſſen, daß Venedig ſich proteſtantiſche Huͤlfe geſucht und Italien ja die katholiſche Welt uͤberhaupt in die gefaͤhrlichſte Be- wegung geſetzt haͤtte.
Man mußte zuletzt doch wieder wie ſonſt eine Aus- gleichung der kirchenrechtlichen Fragen durch Politik verſu- chen: nur daß dieſelbe jetzt nicht zwiſchen den Betheiligten ſelbſt Statt finden konnte, die ſich zu lebhaft entzweit hatten, ſondern der Vermittelung der beiden vorwaltenden Maͤchte, Spanien und Frankreich, anheimfiel. Deren eigene Inte- reſſen mußten dann aber auch dabei hervortreten.
Es gab wohl in dem einen wie in dem andern Reiche eine Partei, welche den Ausbruch von Feindſeligkeiten ge- wuͤnſcht haͤtte. Unter den Spaniern waren es die eifrigen Katholiken, welche den roͤmiſchen Stuhl aufs neue an die Monarchie zu ketten hofften: die Governatoren der italie- niſchen Landſchaften, deren Macht im Kriege wachſen mußte: auch der Botſchafter Viglienna in Rom hegte dieſen Wunſch, er dachte dabei ſein Haus zu kirchlichen Wuͤrden zu befoͤr- dern. In Frankreich dagegen waren es gerade die eifrigen Proteſtanten. Sully und ſeine Anhaͤnger haͤtten einen ita-
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Venezianiſche Irrungen.
Der Papſt war erſtaunt: — ſeinen uͤberſpannten Vor-
ſtellungen ſetzte ſich die Realitaͤt der Dinge ſchroff gegen-
uͤber: — gab es ein Mittel ſie zu uͤberwaͤltigen?
Paul V. dachte wohl zuweilen an die Anwendung von
Kriegsgewalt; auch in den Congregationen behielt einmal die
kriegeriſche Stimmung das Uebergewicht: Cardinal Sauli
rief aus, man werde die Venezianer zuͤchtigen: man ord-
nete Legaten ab, und ruͤſtete ein Heer. Im Grunde aber
durfte man es nicht wagen. Man haͤtte fuͤrchten muͤſſen,
daß Venedig ſich proteſtantiſche Huͤlfe geſucht und Italien
ja die katholiſche Welt uͤberhaupt in die gefaͤhrlichſte Be-
wegung geſetzt haͤtte.
Man mußte zuletzt doch wieder wie ſonſt eine Aus-
gleichung der kirchenrechtlichen Fragen durch Politik verſu-
chen: nur daß dieſelbe jetzt nicht zwiſchen den Betheiligten
ſelbſt Statt finden konnte, die ſich zu lebhaft entzweit hatten,
ſondern der Vermittelung der beiden vorwaltenden Maͤchte,
Spanien und Frankreich, anheimfiel. Deren eigene Inte-
reſſen mußten dann aber auch dabei hervortreten.
Es gab wohl in dem einen wie in dem andern Reiche
eine Partei, welche den Ausbruch von Feindſeligkeiten ge-
wuͤnſcht haͤtte. Unter den Spaniern waren es die eifrigen
Katholiken, welche den roͤmiſchen Stuhl aufs neue an die
Monarchie zu ketten hofften: die Governatoren der italie-
niſchen Landſchaften, deren Macht im Kriege wachſen mußte:
auch der Botſchafter Viglienna in Rom hegte dieſen Wunſch,
er dachte dabei ſein Haus zu kirchlichen Wuͤrden zu befoͤr-
dern. In Frankreich dagegen waren es gerade die eifrigen
Proteſtanten. Sully und ſeine Anhaͤnger haͤtten einen ita-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/357>, abgerufen am 22.11.2024.
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