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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VII. Kap. 1. Fortschritte

Der Nuntius sah darauf, daß die höchsten Gerichte
im Sinne der katholischen Kirche besetzt würden, und "nach
den Worten der heiligen canonischen Satzungen" verführen.
Besonders wichtig waren dann die gemischten Ehen. Das
höchste Tribunal wollte keine für gültig erkennen, die nicht
vor dem Pfarrer und einigen Zeugen geschlossen worden:
die Pfarrer aber weigerten sich gemischte Ehen einzusegnen:
kein Wunder, wenn gar Mancher schon deshalb sich dem
katholischen Ritus unterwarf, um seine Kinder nicht in
Nachtheil zu setzen. Andere wurden dadurch bewogen, daß
man den Protestanten das Kirchenpatronat streitig machte.
Tausend Mittel besitzt ein Staat um eine Meinung zu be-
fördern, die er begünstigt: sie wurden hier so weit es au-
ßer directem Zwange möglich war, alle angewendet; wenig
bemerkt, aber unaufhörlich ging der Uebertritt fort.

Ohne Zweifel hatte hieran auch der Ernst und
Nachdruck Antheil, mit welchem die Nuntien die geistlichen
Geschäfte verwalteten. Sie hielten darauf, daß die Bis-
thümer nur mit wohlgeeigneten Männern besetzt würden:
visitirten die Klöster, und litten nicht, daß wie man wohl
zu thun angefangen, ungehorsame und störrige Mitglieder,
die man anderwärts los seyn wollte, nach Polen geschickt
würden: auch den Pfarren wendeten sie ihre Aufmerksam-
keit zu: geistliche Gesänge, die Kinderlehre suchten sie ein-

grandemente a vietare che nelle citta regie che da lei dipen-
dono altro esercitio di religione che il cattolico si comporti, ne
permetta che v'abbiano tempj ne sinagoge loro: poiche si ven-
gono per tal dolce modo senza violenza espressa a far conver-
tire o a mutar paese.
Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte

Der Nuntius ſah darauf, daß die hoͤchſten Gerichte
im Sinne der katholiſchen Kirche beſetzt wuͤrden, und „nach
den Worten der heiligen canoniſchen Satzungen“ verfuͤhren.
Beſonders wichtig waren dann die gemiſchten Ehen. Das
hoͤchſte Tribunal wollte keine fuͤr guͤltig erkennen, die nicht
vor dem Pfarrer und einigen Zeugen geſchloſſen worden:
die Pfarrer aber weigerten ſich gemiſchte Ehen einzuſegnen:
kein Wunder, wenn gar Mancher ſchon deshalb ſich dem
katholiſchen Ritus unterwarf, um ſeine Kinder nicht in
Nachtheil zu ſetzen. Andere wurden dadurch bewogen, daß
man den Proteſtanten das Kirchenpatronat ſtreitig machte.
Tauſend Mittel beſitzt ein Staat um eine Meinung zu be-
foͤrdern, die er beguͤnſtigt: ſie wurden hier ſo weit es au-
ßer directem Zwange moͤglich war, alle angewendet; wenig
bemerkt, aber unaufhoͤrlich ging der Uebertritt fort.

Ohne Zweifel hatte hieran auch der Ernſt und
Nachdruck Antheil, mit welchem die Nuntien die geiſtlichen
Geſchaͤfte verwalteten. Sie hielten darauf, daß die Bis-
thuͤmer nur mit wohlgeeigneten Maͤnnern beſetzt wuͤrden:
viſitirten die Kloͤſter, und litten nicht, daß wie man wohl
zu thun angefangen, ungehorſame und ſtoͤrrige Mitglieder,
die man anderwaͤrts los ſeyn wollte, nach Polen geſchickt
wuͤrden: auch den Pfarren wendeten ſie ihre Aufmerkſam-
keit zu: geiſtliche Geſaͤnge, die Kinderlehre ſuchten ſie ein-

grandemente a vietare che nelle città regie che da lei dipen-
dono altro esercitio di religione che il cattolico si comporti, nè
permetta che v’abbiano tempj nè sinagoge loro: poichè si ven-
gono per tal dolce modo senza violenza espressa a far conver-
tire o a mutar paese.
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[396/0408] Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte Der Nuntius ſah darauf, daß die hoͤchſten Gerichte im Sinne der katholiſchen Kirche beſetzt wuͤrden, und „nach den Worten der heiligen canoniſchen Satzungen“ verfuͤhren. Beſonders wichtig waren dann die gemiſchten Ehen. Das hoͤchſte Tribunal wollte keine fuͤr guͤltig erkennen, die nicht vor dem Pfarrer und einigen Zeugen geſchloſſen worden: die Pfarrer aber weigerten ſich gemiſchte Ehen einzuſegnen: kein Wunder, wenn gar Mancher ſchon deshalb ſich dem katholiſchen Ritus unterwarf, um ſeine Kinder nicht in Nachtheil zu ſetzen. Andere wurden dadurch bewogen, daß man den Proteſtanten das Kirchenpatronat ſtreitig machte. Tauſend Mittel beſitzt ein Staat um eine Meinung zu be- foͤrdern, die er beguͤnſtigt: ſie wurden hier ſo weit es au- ßer directem Zwange moͤglich war, alle angewendet; wenig bemerkt, aber unaufhoͤrlich ging der Uebertritt fort. Ohne Zweifel hatte hieran auch der Ernſt und Nachdruck Antheil, mit welchem die Nuntien die geiſtlichen Geſchaͤfte verwalteten. Sie hielten darauf, daß die Bis- thuͤmer nur mit wohlgeeigneten Maͤnnern beſetzt wuͤrden: viſitirten die Kloͤſter, und litten nicht, daß wie man wohl zu thun angefangen, ungehorſame und ſtoͤrrige Mitglieder, die man anderwaͤrts los ſeyn wollte, nach Polen geſchickt wuͤrden: auch den Pfarren wendeten ſie ihre Aufmerkſam- keit zu: geiſtliche Geſaͤnge, die Kinderlehre ſuchten ſie ein- 2) 2) grandemente a vietare che nelle città regie che da lei dipen- dono altro esercitio di religione che il cattolico si comporti, nè permetta che v’abbiano tempj nè sinagoge loro: poichè si ven- gono per tal dolce modo senza violenza espressa a far conver- tire o a mutar paese.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/408>, abgerufen am 22.11.2024.