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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch V. Gegenreformationen.
antwortet haben mag, wenn sie nun auf die völlige Aus-
rottung des Protestantismus in dem Lande drangen. We-
nigstens litt er Lutheraner und Calvinisten fortwährend in
der Stadt und am Hofe: in einigen Ortschaften duldete
er selbst den evangelischen Ritus 1): wahrscheinlich je-
doch nur deshalb, weil er sich nicht stark genug fühlte
ihn zu erdrücken. In einem entfernteren Theile seines Ge-
bietes, wo ihn keine so mächtigen und kriegslustigen Nach-
barn bedrohten, wie die Pfalzgrafen am Rhein, that auch
er entscheidende Schritte. Die Herstellung des Katholicis-
mus auf dem Eichsfeld ist sein Werk. Durch die Gunst
des Adels hatte sich auch hier der Protestantismus festge-
setzt; selbst in Heiligenstadt unter den Augen des Stiftes,
welches das Patronat aller Kirchen besaß, war er gleich-
wohl eingedrungen: es gab einen lutherischen Prediger da-
selbst: die Communion ward unter beiden Gestalten aus-
getheilt: einstmals haben nur noch zwölf angesehene Bürger
zu Ostern das Abendmahl nach katholischem Gebrauch ge-
nommen 2). Eben in dieser Zeit -- im Jahre 1574 --
erschien der Erzbischof persönlich auf dem Eichsfeld von
zwei Jesuiten begleitet, um eine Kirchenvisitation zu hal-
ten. Zu äußersten Gewaltthaten schritt er nicht: doch
wandte er Mittel an, welche wirksam waren. In Hei-
ligenstadt entfernte er den prostantischen Prediger und stif-
tete dafür ein Collegium von Jesuiten. Er verwies Nie-
mand aus dem Rath; aber durch einen kleinen Zusatz zu

1) Klagen Robert Turners: der einen Bonifacius suchte und nur
einen "principem politicum" fand. Bei Serarius p. 947.
2) Johann Wolf: Geschichte und Beschreibung von Heiligen-
stadt p. 59.

Buch V. Gegenreformationen.
antwortet haben mag, wenn ſie nun auf die voͤllige Aus-
rottung des Proteſtantismus in dem Lande drangen. We-
nigſtens litt er Lutheraner und Calviniſten fortwaͤhrend in
der Stadt und am Hofe: in einigen Ortſchaften duldete
er ſelbſt den evangeliſchen Ritus 1): wahrſcheinlich je-
doch nur deshalb, weil er ſich nicht ſtark genug fuͤhlte
ihn zu erdruͤcken. In einem entfernteren Theile ſeines Ge-
bietes, wo ihn keine ſo maͤchtigen und kriegsluſtigen Nach-
barn bedrohten, wie die Pfalzgrafen am Rhein, that auch
er entſcheidende Schritte. Die Herſtellung des Katholicis-
mus auf dem Eichsfeld iſt ſein Werk. Durch die Gunſt
des Adels hatte ſich auch hier der Proteſtantismus feſtge-
ſetzt; ſelbſt in Heiligenſtadt unter den Augen des Stiftes,
welches das Patronat aller Kirchen beſaß, war er gleich-
wohl eingedrungen: es gab einen lutheriſchen Prediger da-
ſelbſt: die Communion ward unter beiden Geſtalten aus-
getheilt: einſtmals haben nur noch zwoͤlf angeſehene Buͤrger
zu Oſtern das Abendmahl nach katholiſchem Gebrauch ge-
nommen 2). Eben in dieſer Zeit — im Jahre 1574 —
erſchien der Erzbiſchof perſoͤnlich auf dem Eichsfeld von
zwei Jeſuiten begleitet, um eine Kirchenviſitation zu hal-
ten. Zu aͤußerſten Gewaltthaten ſchritt er nicht: doch
wandte er Mittel an, welche wirkſam waren. In Hei-
ligenſtadt entfernte er den proſtantiſchen Prediger und ſtif-
tete dafuͤr ein Collegium von Jeſuiten. Er verwies Nie-
mand aus dem Rath; aber durch einen kleinen Zuſatz zu

1) Klagen Robert Turners: der einen Bonifacius ſuchte und nur
einen „principem politicum“ fand. Bei Serarius p. 947.
2) Johann Wolf: Geſchichte und Beſchreibung von Heiligen-
ſtadt p. 59.
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[50/0062] Buch V. Gegenreformationen. antwortet haben mag, wenn ſie nun auf die voͤllige Aus- rottung des Proteſtantismus in dem Lande drangen. We- nigſtens litt er Lutheraner und Calviniſten fortwaͤhrend in der Stadt und am Hofe: in einigen Ortſchaften duldete er ſelbſt den evangeliſchen Ritus 1): wahrſcheinlich je- doch nur deshalb, weil er ſich nicht ſtark genug fuͤhlte ihn zu erdruͤcken. In einem entfernteren Theile ſeines Ge- bietes, wo ihn keine ſo maͤchtigen und kriegsluſtigen Nach- barn bedrohten, wie die Pfalzgrafen am Rhein, that auch er entſcheidende Schritte. Die Herſtellung des Katholicis- mus auf dem Eichsfeld iſt ſein Werk. Durch die Gunſt des Adels hatte ſich auch hier der Proteſtantismus feſtge- ſetzt; ſelbſt in Heiligenſtadt unter den Augen des Stiftes, welches das Patronat aller Kirchen beſaß, war er gleich- wohl eingedrungen: es gab einen lutheriſchen Prediger da- ſelbſt: die Communion ward unter beiden Geſtalten aus- getheilt: einſtmals haben nur noch zwoͤlf angeſehene Buͤrger zu Oſtern das Abendmahl nach katholiſchem Gebrauch ge- nommen 2). Eben in dieſer Zeit — im Jahre 1574 — erſchien der Erzbiſchof perſoͤnlich auf dem Eichsfeld von zwei Jeſuiten begleitet, um eine Kirchenviſitation zu hal- ten. Zu aͤußerſten Gewaltthaten ſchritt er nicht: doch wandte er Mittel an, welche wirkſam waren. In Hei- ligenſtadt entfernte er den proſtantiſchen Prediger und ſtif- tete dafuͤr ein Collegium von Jeſuiten. Er verwies Nie- mand aus dem Rath; aber durch einen kleinen Zuſatz zu 1) Klagen Robert Turners: der einen Bonifacius ſuchte und nur einen „principem politicum“ fand. Bei Serarius p. 947. 2) Johann Wolf: Geſchichte und Beſchreibung von Heiligen- ſtadt p. 59.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/62>, abgerufen am 24.11.2024.