Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Verwaltung der Kirche.
len und Häusern und fange an in den Kirchen auf den
Kanzeln. Das heilige Geschäft der Predigt diene der Ruhm-
sucht oder der Schmeichelei. Man trage Metaphysik vor,
wovon der Sprechende wenig, seine Zuhörer aber gar nichts
verstehn. Statt zu lehren, zu tadeln, lasse man Lobreden
erschallen, nur um sich emporzubringen. Schon komme es
auch bei der Wahl der Prediger nicht mehr auf Verdienst,
sondern nur auf Verbindung und Gunst an."

Die Summe ist: jener große innere Antrieb, der frü-
her Hof und Staat und Kirche beherrscht und ihnen ihre
streng religiöse Haltung gegeben hat, ist verloschen: mit
den Tendenzen der Restauration und Eroberung ist es vor-
bei: jetzt machen sich andere Triebe in den Dingen geltend,
die doch zuletzt nur auf Macht und Genuß hinauslaufen
und das Geistliche aufs neue verweltlichen.

Die Frage entsteht, welche Richtung unter diesen Um-
ständen die Gesellschaft angenommen hatte die auf die Prin-
cipien der Restauration so besonders gegründet war, der
Orden der Jesuiten.

Die Jesuiten in der Mitte des siebzehnten Jahr-
hunderts.

Die vornehmste Veränderung in dem Innern der Ge-
sellschaft Jesu bestand darin, daß die Professen in den Besitz
der Macht gelangten.

Professen, welche die vier Gelübde ablegten, gab es
anfangs nur wenige: von den Collegien entfernt, auf Al-

Verwaltung der Kirche.
len und Haͤuſern und fange an in den Kirchen auf den
Kanzeln. Das heilige Geſchaͤft der Predigt diene der Ruhm-
ſucht oder der Schmeichelei. Man trage Metaphyſik vor,
wovon der Sprechende wenig, ſeine Zuhoͤrer aber gar nichts
verſtehn. Statt zu lehren, zu tadeln, laſſe man Lobreden
erſchallen, nur um ſich emporzubringen. Schon komme es
auch bei der Wahl der Prediger nicht mehr auf Verdienſt,
ſondern nur auf Verbindung und Gunſt an.“

Die Summe iſt: jener große innere Antrieb, der fruͤ-
her Hof und Staat und Kirche beherrſcht und ihnen ihre
ſtreng religioͤſe Haltung gegeben hat, iſt verloſchen: mit
den Tendenzen der Reſtauration und Eroberung iſt es vor-
bei: jetzt machen ſich andere Triebe in den Dingen geltend,
die doch zuletzt nur auf Macht und Genuß hinauslaufen
und das Geiſtliche aufs neue verweltlichen.

Die Frage entſteht, welche Richtung unter dieſen Um-
ſtaͤnden die Geſellſchaft angenommen hatte die auf die Prin-
cipien der Reſtauration ſo beſonders gegruͤndet war, der
Orden der Jeſuiten.

Die Jeſuiten in der Mitte des ſiebzehnten Jahr-
hunderts.

Die vornehmſte Veraͤnderung in dem Innern der Ge-
ſellſchaft Jeſu beſtand darin, daß die Profeſſen in den Beſitz
der Macht gelangten.

Profeſſen, welche die vier Geluͤbde ablegten, gab es
anfangs nur wenige: von den Collegien entfernt, auf Al-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Verwaltung der Kirche.</hi></fw><lb/>
len und Ha&#x0364;u&#x017F;ern und fange an in den Kirchen auf den<lb/>
Kanzeln. Das heilige Ge&#x017F;cha&#x0364;ft der Predigt diene der Ruhm-<lb/>
&#x017F;ucht oder der Schmeichelei. Man trage Metaphy&#x017F;ik vor,<lb/>
wovon der Sprechende wenig, &#x017F;eine Zuho&#x0364;rer aber gar nichts<lb/>
ver&#x017F;tehn. Statt zu lehren, zu tadeln, la&#x017F;&#x017F;e man Lobreden<lb/>
er&#x017F;challen, nur um &#x017F;ich emporzubringen. Schon komme es<lb/>
auch bei der Wahl der Prediger nicht mehr auf Verdien&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ondern nur auf Verbindung und Gun&#x017F;t an.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Summe i&#x017F;t: jener große innere Antrieb, der fru&#x0364;-<lb/>
her Hof und Staat und Kirche beherr&#x017F;cht und ihnen ihre<lb/>
&#x017F;treng religio&#x0364;&#x017F;e Haltung gegeben hat, i&#x017F;t verlo&#x017F;chen: mit<lb/>
den Tendenzen der Re&#x017F;tauration und Eroberung i&#x017F;t es vor-<lb/>
bei: jetzt machen &#x017F;ich andere Triebe in den Dingen geltend,<lb/>
die doch zuletzt nur auf Macht und Genuß hinauslaufen<lb/>
und das Gei&#x017F;tliche aufs neue verweltlichen.</p><lb/>
          <p>Die Frage ent&#x017F;teht, welche Richtung unter die&#x017F;en Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft angenommen hatte die auf die Prin-<lb/>
cipien der Re&#x017F;tauration &#x017F;o be&#x017F;onders gegru&#x0364;ndet war, der<lb/>
Orden der Je&#x017F;uiten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Die Je&#x017F;uiten in der Mitte des &#x017F;iebzehnten Jahr-<lb/>
hunderts.</head><lb/>
          <p>Die vornehm&#x017F;te Vera&#x0364;nderung in dem Innern der Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft Je&#x017F;u be&#x017F;tand darin, daß die Profe&#x017F;&#x017F;en in den Be&#x017F;itz<lb/>
der Macht gelangten.</p><lb/>
          <p>Profe&#x017F;&#x017F;en, welche die vier Gelu&#x0364;bde ablegten, gab es<lb/>
anfangs nur wenige: von den Collegien entfernt, auf Al-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0135] Verwaltung der Kirche. len und Haͤuſern und fange an in den Kirchen auf den Kanzeln. Das heilige Geſchaͤft der Predigt diene der Ruhm- ſucht oder der Schmeichelei. Man trage Metaphyſik vor, wovon der Sprechende wenig, ſeine Zuhoͤrer aber gar nichts verſtehn. Statt zu lehren, zu tadeln, laſſe man Lobreden erſchallen, nur um ſich emporzubringen. Schon komme es auch bei der Wahl der Prediger nicht mehr auf Verdienſt, ſondern nur auf Verbindung und Gunſt an.“ Die Summe iſt: jener große innere Antrieb, der fruͤ- her Hof und Staat und Kirche beherrſcht und ihnen ihre ſtreng religioͤſe Haltung gegeben hat, iſt verloſchen: mit den Tendenzen der Reſtauration und Eroberung iſt es vor- bei: jetzt machen ſich andere Triebe in den Dingen geltend, die doch zuletzt nur auf Macht und Genuß hinauslaufen und das Geiſtliche aufs neue verweltlichen. Die Frage entſteht, welche Richtung unter dieſen Um- ſtaͤnden die Geſellſchaft angenommen hatte die auf die Prin- cipien der Reſtauration ſo beſonders gegruͤndet war, der Orden der Jeſuiten. Die Jeſuiten in der Mitte des ſiebzehnten Jahr- hunderts. Die vornehmſte Veraͤnderung in dem Innern der Ge- ſellſchaft Jeſu beſtand darin, daß die Profeſſen in den Beſitz der Macht gelangten. Profeſſen, welche die vier Geluͤbde ablegten, gab es anfangs nur wenige: von den Collegien entfernt, auf Al-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/135
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/135>, abgerufen am 27.11.2024.