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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Franc. Morosini
geht Erizzo auf die kirchlichen Verhältnisse, besonders auf die Streit-
fragen über, welche zwischen Venedig und Rom unaufhörlich im
Gange waren. Rom, sagt er, habe eine doppelte Gestalt: die eine
heilig, in so fern der Papst Wächter des Heiligthums und des gött-
lichen Rechtes sey; diese müsse man verehren: die andere weltlich, in
so fern er seine Macht zu erweitern suche, was mit dem Gebrauch
der ersten Jahrhunderte nichts gemein habe; gegen diese müsse man
auf der Hut seyn. Er kann es doch nicht verschmerzen, daß Vene-
dig bei einer Cardinalpromotion unter der letzten Regierung übergan-
gen worden: -- er beklagt es, daß die Republik das Recht ihre Bis-
thümer zu vergeben nicht mehr besitze, wie ehedem: wie viel arme
Edelleute würde sie dann unterstützen können: -- jetzt suchen die ve-
nezianischen Unterthanen auf ungeradem Wege, auch durch Verwen-
dungen fremder Fürsten, zu den Aemtern zu gelangen; -- Cardinal
Panciatichi habe die Maxime in der Dataria aufgebracht, daß man
gerade Diejenigen begünstigen müsse welche von den Fürsten in de-
ren Gebiete die Pfründe liege, am unabhängigsten seyen; -- er fin-
det es einen Mißbrauch, daß die Nepoten der Päpste so vielen An-
theil an den geistlichen Gütern seines Vaterlandes besitzen; warum
verleihe man ihnen auch so leicht den Rang venezianischer Nobili?
-- Andern Staaten, selbst dem Großherzog von Toscana, werde
eine Liste der Nuntien mitgetheilt unter denen man sich einen aus-
suchen könne, der Republik widerfahre eine solche Ehre nicht; -- auch
den Titel Carissimo versage man zu Rom dem Dogen von Venedig.
-- Wir sehen, daß sich zu den alten Streitigkeiten unaufhörlich neue
ansammeln.

Der Gesandte empfiehlt deshalb seiner Republik sich der römi-
schen Angelegenheiten ernstlicher anzunehmen. Könne ein Papst jetzt
auch nicht mehr so viel helfen wie ehedem, so vermöge er doch noch
sehr zu schaden, besonders wenn er jung, muthig und sparsam sey.

155.
Relatione del N. U. Gio. Franc. Morosini Kr fu ambasciatore
al sommo pontefice Clemente XI. 1707 17 Dec.
(36 Bl.)

Morosini, der Nachfolger Erizzos, stand vom Januar 1702 bis
zum Nov. 1706 bei Clemens XI, dessen Verwaltung nun erst ihre
volle Eigenthümlichkeit entwickelte.

Morosini schildert ausführlich, wie so eifrig der Papst das Bei-
spiel seiner berühmtesten Vorfahre nachahme. Selbst die Thränen
mit denen er die Würde ausgeschlagen, seyen nicht ohne ein Muster.
Er erfülle alle Aeußerlichkeiten mit denen man ein gutes Exempel
gebe. Vita sobria e regolata: frequenti pubbliche devotioni alla
scala santa, a visite di chiese, al servitio negli hospitali: somma
edificatione et accuratezza nei riti sacri e nelle piu solenni ed
humili funtioni, ai quali vuol supplire anche con pregiuditio della
salute. Al paragone pure dell' interesse comparisce egualmente
incolpabile: prima consultore, poi esecutore delle bolla del ni-
potismo. Con ogni facilita dona ai vescovi poveri le sue pro-
pine, e nudrisce del proprio molti operarj ed opere pie. Nella
scelta de' vescovi, sopra tutto essentiale al servitio della chiesa,

con

Franc. Morosini
geht Erizzo auf die kirchlichen Verhaͤltniſſe, beſonders auf die Streit-
fragen uͤber, welche zwiſchen Venedig und Rom unaufhoͤrlich im
Gange waren. Rom, ſagt er, habe eine doppelte Geſtalt: die eine
heilig, in ſo fern der Papſt Waͤchter des Heiligthums und des goͤtt-
lichen Rechtes ſey; dieſe muͤſſe man verehren: die andere weltlich, in
ſo fern er ſeine Macht zu erweitern ſuche, was mit dem Gebrauch
der erſten Jahrhunderte nichts gemein habe; gegen dieſe muͤſſe man
auf der Hut ſeyn. Er kann es doch nicht verſchmerzen, daß Vene-
dig bei einer Cardinalpromotion unter der letzten Regierung uͤbergan-
gen worden: — er beklagt es, daß die Republik das Recht ihre Bis-
thuͤmer zu vergeben nicht mehr beſitze, wie ehedem: wie viel arme
Edelleute wuͤrde ſie dann unterſtuͤtzen koͤnnen: — jetzt ſuchen die ve-
nezianiſchen Unterthanen auf ungeradem Wege, auch durch Verwen-
dungen fremder Fuͤrſten, zu den Aemtern zu gelangen; — Cardinal
Panciatichi habe die Maxime in der Dataria aufgebracht, daß man
gerade Diejenigen beguͤnſtigen muͤſſe welche von den Fuͤrſten in de-
ren Gebiete die Pfruͤnde liege, am unabhaͤngigſten ſeyen; — er fin-
det es einen Mißbrauch, daß die Nepoten der Paͤpſte ſo vielen An-
theil an den geiſtlichen Guͤtern ſeines Vaterlandes beſitzen; warum
verleihe man ihnen auch ſo leicht den Rang venezianiſcher Nobili?
— Andern Staaten, ſelbſt dem Großherzog von Toscana, werde
eine Liſte der Nuntien mitgetheilt unter denen man ſich einen aus-
ſuchen koͤnne, der Republik widerfahre eine ſolche Ehre nicht; — auch
den Titel Carissimo verſage man zu Rom dem Dogen von Venedig.
— Wir ſehen, daß ſich zu den alten Streitigkeiten unaufhoͤrlich neue
anſammeln.

Der Geſandte empfiehlt deshalb ſeiner Republik ſich der roͤmi-
ſchen Angelegenheiten ernſtlicher anzunehmen. Koͤnne ein Papſt jetzt
auch nicht mehr ſo viel helfen wie ehedem, ſo vermoͤge er doch noch
ſehr zu ſchaden, beſonders wenn er jung, muthig und ſparſam ſey.

155.
Relatione del N. U. Gio. Franc. Morosini Kr fu ambasciatore
al sommo pontefice Clemente XI. 1707 17 Dec.
(36 Bl.)

Moroſini, der Nachfolger Erizzos, ſtand vom Januar 1702 bis
zum Nov. 1706 bei Clemens XI, deſſen Verwaltung nun erſt ihre
volle Eigenthuͤmlichkeit entwickelte.

Moroſini ſchildert ausfuͤhrlich, wie ſo eifrig der Papſt das Bei-
ſpiel ſeiner beruͤhmteſten Vorfahre nachahme. Selbſt die Thraͤnen
mit denen er die Wuͤrde ausgeſchlagen, ſeyen nicht ohne ein Muſter.
Er erfuͤlle alle Aeußerlichkeiten mit denen man ein gutes Exempel
gebe. Vita sobria e regolata: frequenti pubbliche devotioni alla
scala santa, a visite di chiese, al servitio negli hospitali: somma
edificatione et accuratezza nei riti sacri e nelle più solenni ed
humili funtioni, ai quali vuol supplire anche con pregiuditio della
salute. Al paragone pure dell’ interesse comparisce egualmente
incolpabile: prima consultore, poi esecutore delle bolla del ni-
potismo. Con ogni facilità dona ai vescovi poveri le sue pro-
pine, e nudrisce del proprio molti operarj ed opere pie. Nella
scelta de’ vescovi, sopra tutto essentiale al servitio della chiesa,

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[496/0508] Franc. Morosini geht Erizzo auf die kirchlichen Verhaͤltniſſe, beſonders auf die Streit- fragen uͤber, welche zwiſchen Venedig und Rom unaufhoͤrlich im Gange waren. Rom, ſagt er, habe eine doppelte Geſtalt: die eine heilig, in ſo fern der Papſt Waͤchter des Heiligthums und des goͤtt- lichen Rechtes ſey; dieſe muͤſſe man verehren: die andere weltlich, in ſo fern er ſeine Macht zu erweitern ſuche, was mit dem Gebrauch der erſten Jahrhunderte nichts gemein habe; gegen dieſe muͤſſe man auf der Hut ſeyn. Er kann es doch nicht verſchmerzen, daß Vene- dig bei einer Cardinalpromotion unter der letzten Regierung uͤbergan- gen worden: — er beklagt es, daß die Republik das Recht ihre Bis- thuͤmer zu vergeben nicht mehr beſitze, wie ehedem: wie viel arme Edelleute wuͤrde ſie dann unterſtuͤtzen koͤnnen: — jetzt ſuchen die ve- nezianiſchen Unterthanen auf ungeradem Wege, auch durch Verwen- dungen fremder Fuͤrſten, zu den Aemtern zu gelangen; — Cardinal Panciatichi habe die Maxime in der Dataria aufgebracht, daß man gerade Diejenigen beguͤnſtigen muͤſſe welche von den Fuͤrſten in de- ren Gebiete die Pfruͤnde liege, am unabhaͤngigſten ſeyen; — er fin- det es einen Mißbrauch, daß die Nepoten der Paͤpſte ſo vielen An- theil an den geiſtlichen Guͤtern ſeines Vaterlandes beſitzen; warum verleihe man ihnen auch ſo leicht den Rang venezianiſcher Nobili? — Andern Staaten, ſelbſt dem Großherzog von Toscana, werde eine Liſte der Nuntien mitgetheilt unter denen man ſich einen aus- ſuchen koͤnne, der Republik widerfahre eine ſolche Ehre nicht; — auch den Titel Carissimo verſage man zu Rom dem Dogen von Venedig. — Wir ſehen, daß ſich zu den alten Streitigkeiten unaufhoͤrlich neue anſammeln. Der Geſandte empfiehlt deshalb ſeiner Republik ſich der roͤmi- ſchen Angelegenheiten ernſtlicher anzunehmen. Koͤnne ein Papſt jetzt auch nicht mehr ſo viel helfen wie ehedem, ſo vermoͤge er doch noch ſehr zu ſchaden, beſonders wenn er jung, muthig und ſparſam ſey. 155. Relatione del N. U. Gio. Franc. Morosini Kr fu ambasciatore al sommo pontefice Clemente XI. 1707 17 Dec. (36 Bl.) Moroſini, der Nachfolger Erizzos, ſtand vom Januar 1702 bis zum Nov. 1706 bei Clemens XI, deſſen Verwaltung nun erſt ihre volle Eigenthuͤmlichkeit entwickelte. Moroſini ſchildert ausfuͤhrlich, wie ſo eifrig der Papſt das Bei- ſpiel ſeiner beruͤhmteſten Vorfahre nachahme. Selbſt die Thraͤnen mit denen er die Wuͤrde ausgeſchlagen, ſeyen nicht ohne ein Muſter. Er erfuͤlle alle Aeußerlichkeiten mit denen man ein gutes Exempel gebe. Vita sobria e regolata: frequenti pubbliche devotioni alla scala santa, a visite di chiese, al servitio negli hospitali: somma edificatione et accuratezza nei riti sacri e nelle più solenni ed humili funtioni, ai quali vuol supplire anche con pregiuditio della salute. Al paragone pure dell’ interesse comparisce egualmente incolpabile: prima consultore, poi esecutore delle bolla del ni- potismo. Con ogni facilità dona ai vescovi poveri le sue pro- pine, e nudrisce del proprio molti operarj ed opere pie. Nella scelta de’ vescovi, sopra tutto essentiale al servitio della chiesa, con

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/508>, abgerufen am 24.11.2024.