Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Grundlegung einer neuen Verfassung.
Metalle, er arbeitete gern an heilenden Arzneien; er hat
wohl selbst aus der Constellation in wichtigen Momenten
die Zukunft vorhergesagt; in dem Angesicht eines Men-
schen, in den Zügen seiner Hand las er dessen Schicksale.
Er glaubte an die verborgenen Kräfte, welche Natur und
Geschick regieren. Mochte dann auch schon in seinen jün-
gern Jahren seine portugiesische Gemahlin mit dem Feuer
und der Weltansicht einer Südländerin ihn auffordern sich
zu rächen, denn ein Mann der sich nicht räche, sey nicht
werth seine Blöße zu decken, so antwortete er nur, mit der
Zeit belohne und strafe und räche sich alles. 1 Es brachte
wenig Eindruck auf ihn hervor, wenn man ihm die Miß-
bräuche bei seinen Gerichten vorstellte; er meinte, es gehe
eben nirgends ganz recht und gleich her. Man machte
ihm einst von Seiten der Fürsten Vorstellungen wegen des
Einflusses den er seinem Rath Prüschenk gestatte; er er-
wiederte: ein Jeder von ihnen werde auch seinen Prüschenk
zu Hause haben. In allen Verwickelungen der Geschäfte
begleitete ihn dieser Gleichmuth. Als die 1449 zum Kriege
gerüsteten Städte und Fürsten seine Vermittelung zurück-
wiesen, ließ er es gut seyn; er sagte, er wolle warten, bis
sie einander ihre Häuser verbrannt, ihre Saaten vernich-
tet; alsdann würden sie schon von selbst kommen und ihn er-
suchen sie auszusöhnen; was denn auch in Kurzem geschah.
Die Gewaltsamkeiten welche König Matthias über sein
Erbland Östreich verhieng, regten nicht etwa sein Mitlei-
den auf: er knüpfte nur die Betrachtung daran, man habe

1 Grünbeck: historia Friderici et Maximiliani bei Chmel
Östreichischer Geschichtsforscher I, p. 69.

Grundlegung einer neuen Verfaſſung.
Metalle, er arbeitete gern an heilenden Arzneien; er hat
wohl ſelbſt aus der Conſtellation in wichtigen Momenten
die Zukunft vorhergeſagt; in dem Angeſicht eines Men-
ſchen, in den Zügen ſeiner Hand las er deſſen Schickſale.
Er glaubte an die verborgenen Kräfte, welche Natur und
Geſchick regieren. Mochte dann auch ſchon in ſeinen jün-
gern Jahren ſeine portugieſiſche Gemahlin mit dem Feuer
und der Weltanſicht einer Südländerin ihn auffordern ſich
zu rächen, denn ein Mann der ſich nicht räche, ſey nicht
werth ſeine Blöße zu decken, ſo antwortete er nur, mit der
Zeit belohne und ſtrafe und räche ſich alles. 1 Es brachte
wenig Eindruck auf ihn hervor, wenn man ihm die Miß-
bräuche bei ſeinen Gerichten vorſtellte; er meinte, es gehe
eben nirgends ganz recht und gleich her. Man machte
ihm einſt von Seiten der Fürſten Vorſtellungen wegen des
Einfluſſes den er ſeinem Rath Prüſchenk geſtatte; er er-
wiederte: ein Jeder von ihnen werde auch ſeinen Prüſchenk
zu Hauſe haben. In allen Verwickelungen der Geſchäfte
begleitete ihn dieſer Gleichmuth. Als die 1449 zum Kriege
gerüſteten Städte und Fürſten ſeine Vermittelung zurück-
wieſen, ließ er es gut ſeyn; er ſagte, er wolle warten, bis
ſie einander ihre Häuſer verbrannt, ihre Saaten vernich-
tet; alsdann würden ſie ſchon von ſelbſt kommen und ihn er-
ſuchen ſie auszuſöhnen; was denn auch in Kurzem geſchah.
Die Gewaltſamkeiten welche König Matthias über ſein
Erbland Öſtreich verhieng, regten nicht etwa ſein Mitlei-
den auf: er knüpfte nur die Betrachtung daran, man habe

1 Grünbeck: historia Friderici et Maximiliani bei Chmel
Oͤſtreichiſcher Geſchichtsforſcher I, p. 69.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0113" n="95"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Grundlegung einer neuen Verfa&#x017F;&#x017F;ung</hi>.</fw><lb/>
Metalle, er arbeitete gern an heilenden Arzneien; er hat<lb/>
wohl &#x017F;elb&#x017F;t aus der Con&#x017F;tellation in wichtigen Momenten<lb/>
die Zukunft vorherge&#x017F;agt; in dem Ange&#x017F;icht eines Men-<lb/>
&#x017F;chen, in den Zügen &#x017F;einer Hand las er de&#x017F;&#x017F;en Schick&#x017F;ale.<lb/>
Er glaubte an die verborgenen Kräfte, welche Natur und<lb/>
Ge&#x017F;chick regieren. Mochte dann auch &#x017F;chon in &#x017F;einen jün-<lb/>
gern Jahren &#x017F;eine portugie&#x017F;i&#x017F;che Gemahlin mit dem Feuer<lb/>
und der Weltan&#x017F;icht einer Südländerin ihn auffordern &#x017F;ich<lb/>
zu rächen, denn ein Mann der &#x017F;ich nicht räche, &#x017F;ey nicht<lb/>
werth &#x017F;eine Blöße zu decken, &#x017F;o antwortete er nur, mit der<lb/>
Zeit belohne und &#x017F;trafe und räche &#x017F;ich alles. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Grünbeck: historia Friderici et Maximiliani</hi> bei Chmel<lb/>
O&#x0364;&#x017F;treichi&#x017F;cher Ge&#x017F;chichtsfor&#x017F;cher <hi rendition="#aq">I, p.</hi> 69.</note> Es brachte<lb/>
wenig Eindruck auf ihn hervor, wenn man ihm die Miß-<lb/>
bräuche bei &#x017F;einen Gerichten vor&#x017F;tellte; er meinte, es gehe<lb/>
eben nirgends ganz recht und gleich her. Man machte<lb/>
ihm ein&#x017F;t von Seiten der Für&#x017F;ten Vor&#x017F;tellungen wegen des<lb/>
Einflu&#x017F;&#x017F;es den er &#x017F;einem Rath Prü&#x017F;chenk ge&#x017F;tatte; er er-<lb/>
wiederte: ein Jeder von ihnen werde auch &#x017F;einen Prü&#x017F;chenk<lb/>
zu Hau&#x017F;e haben. In allen Verwickelungen der Ge&#x017F;chäfte<lb/>
begleitete ihn die&#x017F;er Gleichmuth. Als die 1449 zum Kriege<lb/>
gerü&#x017F;teten Städte und Für&#x017F;ten &#x017F;eine Vermittelung zurück-<lb/>
wie&#x017F;en, ließ er es gut &#x017F;eyn; er &#x017F;agte, er wolle warten, bis<lb/>
&#x017F;ie einander ihre Häu&#x017F;er verbrannt, ihre Saaten vernich-<lb/>
tet; alsdann würden &#x017F;ie &#x017F;chon von &#x017F;elb&#x017F;t kommen und ihn er-<lb/>
&#x017F;uchen &#x017F;ie auszu&#x017F;öhnen; was denn auch in Kurzem ge&#x017F;chah.<lb/>
Die Gewalt&#x017F;amkeiten welche König Matthias über &#x017F;ein<lb/>
Erbland Ö&#x017F;treich verhieng, regten nicht etwa &#x017F;ein Mitlei-<lb/>
den auf: er knüpfte nur die Betrachtung daran, man habe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0113] Grundlegung einer neuen Verfaſſung. Metalle, er arbeitete gern an heilenden Arzneien; er hat wohl ſelbſt aus der Conſtellation in wichtigen Momenten die Zukunft vorhergeſagt; in dem Angeſicht eines Men- ſchen, in den Zügen ſeiner Hand las er deſſen Schickſale. Er glaubte an die verborgenen Kräfte, welche Natur und Geſchick regieren. Mochte dann auch ſchon in ſeinen jün- gern Jahren ſeine portugieſiſche Gemahlin mit dem Feuer und der Weltanſicht einer Südländerin ihn auffordern ſich zu rächen, denn ein Mann der ſich nicht räche, ſey nicht werth ſeine Blöße zu decken, ſo antwortete er nur, mit der Zeit belohne und ſtrafe und räche ſich alles. 1 Es brachte wenig Eindruck auf ihn hervor, wenn man ihm die Miß- bräuche bei ſeinen Gerichten vorſtellte; er meinte, es gehe eben nirgends ganz recht und gleich her. Man machte ihm einſt von Seiten der Fürſten Vorſtellungen wegen des Einfluſſes den er ſeinem Rath Prüſchenk geſtatte; er er- wiederte: ein Jeder von ihnen werde auch ſeinen Prüſchenk zu Hauſe haben. In allen Verwickelungen der Geſchäfte begleitete ihn dieſer Gleichmuth. Als die 1449 zum Kriege gerüſteten Städte und Fürſten ſeine Vermittelung zurück- wieſen, ließ er es gut ſeyn; er ſagte, er wolle warten, bis ſie einander ihre Häuſer verbrannt, ihre Saaten vernich- tet; alsdann würden ſie ſchon von ſelbſt kommen und ihn er- ſuchen ſie auszuſöhnen; was denn auch in Kurzem geſchah. Die Gewaltſamkeiten welche König Matthias über ſein Erbland Öſtreich verhieng, regten nicht etwa ſein Mitlei- den auf: er knüpfte nur die Betrachtung daran, man habe 1 Grünbeck: historia Friderici et Maximiliani bei Chmel Oͤſtreichiſcher Geſchichtsforſcher I, p. 69.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/113
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/113>, abgerufen am 21.11.2024.