Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Reichstag zu Worms 1495. Vor allem aber erwartet er Wiederbelebung der Autori-tät, Einheit und Macht des Reiches von der Einrichtung jährlicher Reichsversammlungen. Denn das sieht er wohl, daß von der kaiserlichen Gewalt allein Resultate dieser Art nicht mehr erreicht werden konnten. Entweder im Mai oder im September müsse eine allgemeine Ständeversamm- lung etwa zu Frankfurt Statt finden, um obwaltende Ent- zweiungen auszugleichen und die allgemeinen Gesetze zu ver- fassen: jeder Fürst müsse dieselben unterschreiben, besiegeln und sich bei seiner Ehre verpflichten sie zu halten. Er ist davon erfüllt, daß sich dem auch kein Geistlicher entziehen dürfe, wolle er anders an den weltlichen Herrschaften Theil haben, deren Verwaltung vor allen Dingen zum Besten des Gemeinwesens einzurichten sey. Da hat er nun aber ferner die Idee: um Friede und Recht ernstlich handhaben, die Widerstrebenden züchtigen zu können, müsse man eine stehende Truppe halten; denn wozu helfe ein Gesetz ohne Strafgewalt? Er meint, von dem Ertrage der so vielen Einzelnen verliehenen Zölle möge ein Theil dem Reiche vorbehalten, ein Schatz daraus gesammelt, in jener Versammlung alle Jahr über dessen Verwendung be- schlossen werden. Dann werde es keine Gewaltsamkeiten mehr geben; jeder Bischof werde sich den geistlichen Pflich- ten widmen können: Ruhe, und Blüthe und Macht werde wiederkehren. Saepe simplices pauperes per cavillationes causidicorum extra cau-
sam ducuntur, et a tota causa cadunt, quoniam qui cadit a syl- laba, cadit a causa: ut saepe vidi per Treverensem dioecesim accidere. Tollantur consuetudines quae admittunt juramentum contra quoscunque et cujuscunque numeri testes. (III, c. 36.) Reichstag zu Worms 1495. Vor allem aber erwartet er Wiederbelebung der Autori-tät, Einheit und Macht des Reiches von der Einrichtung jährlicher Reichsverſammlungen. Denn das ſieht er wohl, daß von der kaiſerlichen Gewalt allein Reſultate dieſer Art nicht mehr erreicht werden konnten. Entweder im Mai oder im September müſſe eine allgemeine Ständeverſamm- lung etwa zu Frankfurt Statt finden, um obwaltende Ent- zweiungen auszugleichen und die allgemeinen Geſetze zu ver- faſſen: jeder Fürſt müſſe dieſelben unterſchreiben, beſiegeln und ſich bei ſeiner Ehre verpflichten ſie zu halten. Er iſt davon erfüllt, daß ſich dem auch kein Geiſtlicher entziehen dürfe, wolle er anders an den weltlichen Herrſchaften Theil haben, deren Verwaltung vor allen Dingen zum Beſten des Gemeinweſens einzurichten ſey. Da hat er nun aber ferner die Idee: um Friede und Recht ernſtlich handhaben, die Widerſtrebenden züchtigen zu können, müſſe man eine ſtehende Truppe halten; denn wozu helfe ein Geſetz ohne Strafgewalt? Er meint, von dem Ertrage der ſo vielen Einzelnen verliehenen Zölle möge ein Theil dem Reiche vorbehalten, ein Schatz daraus geſammelt, in jener Verſammlung alle Jahr über deſſen Verwendung be- ſchloſſen werden. Dann werde es keine Gewaltſamkeiten mehr geben; jeder Biſchof werde ſich den geiſtlichen Pflich- ten widmen können: Ruhe, und Blüthe und Macht werde wiederkehren. Saepe simplices pauperes per cavillationes causidicorum extra cau-
sam ducuntur, et a tota causa cadunt, quoniam qui cadit a syl- laba, cadit a causa: ut saepe vidi per Treverensem dioecesim accidere. Tollantur consuetudines quae admittunt juramentum contra quoscunque et cujuscunque numeri testes. (III, c. 36.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0123" n="105"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reichstag zu Worms</hi> 1495.</fw><lb/> Vor allem aber erwartet er Wiederbelebung der Autori-<lb/> tät, Einheit und Macht des Reiches von der Einrichtung<lb/> jährlicher Reichsverſammlungen. Denn das ſieht er wohl,<lb/> daß von der kaiſerlichen Gewalt allein Reſultate dieſer Art<lb/> nicht mehr erreicht werden konnten. Entweder im Mai<lb/> oder im September müſſe eine allgemeine Ständeverſamm-<lb/> lung etwa zu Frankfurt Statt finden, um obwaltende Ent-<lb/> zweiungen auszugleichen und die allgemeinen Geſetze zu ver-<lb/> faſſen: jeder Fürſt müſſe dieſelben unterſchreiben, beſiegeln<lb/> und ſich bei ſeiner Ehre verpflichten ſie zu halten. Er iſt<lb/> davon erfüllt, daß ſich dem auch kein Geiſtlicher entziehen<lb/> dürfe, wolle er anders an den weltlichen Herrſchaften Theil<lb/> haben, deren Verwaltung vor allen Dingen zum Beſten<lb/> des Gemeinweſens einzurichten ſey. Da hat er nun<lb/> aber ferner die Idee: um Friede und Recht ernſtlich<lb/> handhaben, die Widerſtrebenden züchtigen zu können, müſſe<lb/> man eine ſtehende Truppe halten; denn wozu helfe ein<lb/> Geſetz ohne Strafgewalt? Er meint, von dem Ertrage<lb/> der ſo vielen Einzelnen verliehenen Zölle möge ein Theil<lb/> dem Reiche vorbehalten, ein Schatz daraus geſammelt, in<lb/> jener Verſammlung alle Jahr über deſſen Verwendung be-<lb/> ſchloſſen werden. Dann werde es keine Gewaltſamkeiten<lb/> mehr geben; jeder Biſchof werde ſich den geiſtlichen Pflich-<lb/> ten widmen können: Ruhe, und Blüthe und Macht werde<lb/> wiederkehren.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_10_2" prev="#seg2pn_10_1" place="foot" n="2"> <hi rendition="#aq">Saepe simplices pauperes per cavillationes causidicorum extra cau-<lb/> sam ducuntur, et a tota causa cadunt, quoniam qui cadit a syl-<lb/> laba, cadit a causa: ut saepe vidi per Treverensem dioecesim<lb/> accidere. Tollantur consuetudines quae admittunt juramentum<lb/> contra quoscunque et cujuscunque numeri testes. (III, c. 36.)</hi> </note> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0123]
Reichstag zu Worms 1495.
Vor allem aber erwartet er Wiederbelebung der Autori-
tät, Einheit und Macht des Reiches von der Einrichtung
jährlicher Reichsverſammlungen. Denn das ſieht er wohl,
daß von der kaiſerlichen Gewalt allein Reſultate dieſer Art
nicht mehr erreicht werden konnten. Entweder im Mai
oder im September müſſe eine allgemeine Ständeverſamm-
lung etwa zu Frankfurt Statt finden, um obwaltende Ent-
zweiungen auszugleichen und die allgemeinen Geſetze zu ver-
faſſen: jeder Fürſt müſſe dieſelben unterſchreiben, beſiegeln
und ſich bei ſeiner Ehre verpflichten ſie zu halten. Er iſt
davon erfüllt, daß ſich dem auch kein Geiſtlicher entziehen
dürfe, wolle er anders an den weltlichen Herrſchaften Theil
haben, deren Verwaltung vor allen Dingen zum Beſten
des Gemeinweſens einzurichten ſey. Da hat er nun
aber ferner die Idee: um Friede und Recht ernſtlich
handhaben, die Widerſtrebenden züchtigen zu können, müſſe
man eine ſtehende Truppe halten; denn wozu helfe ein
Geſetz ohne Strafgewalt? Er meint, von dem Ertrage
der ſo vielen Einzelnen verliehenen Zölle möge ein Theil
dem Reiche vorbehalten, ein Schatz daraus geſammelt, in
jener Verſammlung alle Jahr über deſſen Verwendung be-
ſchloſſen werden. Dann werde es keine Gewaltſamkeiten
mehr geben; jeder Biſchof werde ſich den geiſtlichen Pflich-
ten widmen können: Ruhe, und Blüthe und Macht werde
wiederkehren.
2
2 Saepe simplices pauperes per cavillationes causidicorum extra cau-
sam ducuntur, et a tota causa cadunt, quoniam qui cadit a syl-
laba, cadit a causa: ut saepe vidi per Treverensem dioecesim
accidere. Tollantur consuetudines quae admittunt juramentum
contra quoscunque et cujuscunque numeri testes. (III, c. 36.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |