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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Bairische Irrungen 1504.
Gesichtspuncten besetzt worden; er selber ward noch einmal
"als der lebendige Brunnen des Rechts" betrachtet; 1 al-
les berief sich auf seine Entscheidung.

Da ist es nun sehr bezeichnend für ihn, wie er ver-
fuhr. Er hielt darüber, daß der Friede beobachtet wurde;
er erschien dann selbst und wohnte langen Tagleistungen
bei, um der Güte zu pflegen; er ließ sich die Mühe nicht
verdrießen, die beiden Parteien, jede bis zu ihrem fünften
Vortrag zu verhören; endlich berief er auch seinen Kam-
merrichter und dessen Beisitzer zu rechtlicher Entscheidung
in seine Nähe. 2 Aber bei alle dem hatte er doch vorzüg-
lich sein Interesse, er bezeichnete es selbst mit diesem Na-
men, ins Auge gefaßt.

Er erinnerte daran was er alles schon wegen Baierns
versäumt, z. B. bei jenem Zuge auf das Lechfeld die Ver-
fechtung seiner Rechte in Bretagne und in Ungern; er fand
auf der einen Seite, daß Herzog Georg durch sein unbe-
fugtes Testament starke Pönen verwirkt habe, auf der an-
dern, daß doch auch die aus den Hausverträgen hergelei-
teten Rechte Albrechts nicht so unbedingt gültig seyen, da
dieselben nie von Kaiser und Reich bestätigt worden: hierauf
erhob er selbst Anspruch auf einen Theil des erledigten
Landes, der gar nicht unbedeutend war.

Herzog Albrecht, der Schwager des Königs, ließ sich
gleich von Anfang bewegen darauf einzugehen; er stellte
endlich einen förmlichen Verzichtbrief für die angesproche-

1 Ausdruck Lamparters in seinem Vortrag an die Landshuter
Stände bei Freiberg Geschichte der baier. Landstände II, p. 38.
2 Harpprecht Archiv des Kammergerichts II, p. 178.

Bairiſche Irrungen 1504.
Geſichtspuncten beſetzt worden; er ſelber ward noch einmal
„als der lebendige Brunnen des Rechts“ betrachtet; 1 al-
les berief ſich auf ſeine Entſcheidung.

Da iſt es nun ſehr bezeichnend für ihn, wie er ver-
fuhr. Er hielt darüber, daß der Friede beobachtet wurde;
er erſchien dann ſelbſt und wohnte langen Tagleiſtungen
bei, um der Güte zu pflegen; er ließ ſich die Mühe nicht
verdrießen, die beiden Parteien, jede bis zu ihrem fünften
Vortrag zu verhören; endlich berief er auch ſeinen Kam-
merrichter und deſſen Beiſitzer zu rechtlicher Entſcheidung
in ſeine Nähe. 2 Aber bei alle dem hatte er doch vorzüg-
lich ſein Intereſſe, er bezeichnete es ſelbſt mit dieſem Na-
men, ins Auge gefaßt.

Er erinnerte daran was er alles ſchon wegen Baierns
verſäumt, z. B. bei jenem Zuge auf das Lechfeld die Ver-
fechtung ſeiner Rechte in Bretagne und in Ungern; er fand
auf der einen Seite, daß Herzog Georg durch ſein unbe-
fugtes Teſtament ſtarke Pönen verwirkt habe, auf der an-
dern, daß doch auch die aus den Hausverträgen hergelei-
teten Rechte Albrechts nicht ſo unbedingt gültig ſeyen, da
dieſelben nie von Kaiſer und Reich beſtätigt worden: hierauf
erhob er ſelbſt Anſpruch auf einen Theil des erledigten
Landes, der gar nicht unbedeutend war.

Herzog Albrecht, der Schwager des Königs, ließ ſich
gleich von Anfang bewegen darauf einzugehen; er ſtellte
endlich einen förmlichen Verzichtbrief für die angeſproche-

1 Ausdruck Lamparters in ſeinem Vortrag an die Landshuter
Staͤnde bei Freiberg Geſchichte der baier. Landſtaͤnde II, p. 38.
2 Harpprecht Archiv des Kammergerichts II, p. 178.
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[159/0177] Bairiſche Irrungen 1504. Geſichtspuncten beſetzt worden; er ſelber ward noch einmal „als der lebendige Brunnen des Rechts“ betrachtet; 1 al- les berief ſich auf ſeine Entſcheidung. Da iſt es nun ſehr bezeichnend für ihn, wie er ver- fuhr. Er hielt darüber, daß der Friede beobachtet wurde; er erſchien dann ſelbſt und wohnte langen Tagleiſtungen bei, um der Güte zu pflegen; er ließ ſich die Mühe nicht verdrießen, die beiden Parteien, jede bis zu ihrem fünften Vortrag zu verhören; endlich berief er auch ſeinen Kam- merrichter und deſſen Beiſitzer zu rechtlicher Entſcheidung in ſeine Nähe. 2 Aber bei alle dem hatte er doch vorzüg- lich ſein Intereſſe, er bezeichnete es ſelbſt mit dieſem Na- men, ins Auge gefaßt. Er erinnerte daran was er alles ſchon wegen Baierns verſäumt, z. B. bei jenem Zuge auf das Lechfeld die Ver- fechtung ſeiner Rechte in Bretagne und in Ungern; er fand auf der einen Seite, daß Herzog Georg durch ſein unbe- fugtes Teſtament ſtarke Pönen verwirkt habe, auf der an- dern, daß doch auch die aus den Hausverträgen hergelei- teten Rechte Albrechts nicht ſo unbedingt gültig ſeyen, da dieſelben nie von Kaiſer und Reich beſtätigt worden: hierauf erhob er ſelbſt Anſpruch auf einen Theil des erledigten Landes, der gar nicht unbedeutend war. Herzog Albrecht, der Schwager des Königs, ließ ſich gleich von Anfang bewegen darauf einzugehen; er ſtellte endlich einen förmlichen Verzichtbrief für die angeſproche- 1 Ausdruck Lamparters in ſeinem Vortrag an die Landshuter Staͤnde bei Freiberg Geſchichte der baier. Landſtaͤnde II, p. 38. 2 Harpprecht Archiv des Kammergerichts II, p. 178.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/177>, abgerufen am 21.11.2024.