Von dem Kaiser erinnerte man, er wolle auf diesem Wege nur zu einer Reichssteuer gelangen.
Daher fiel die Antwort der Stände -- 27 Aug. -- entschieden ablehnend aus. Sie bemerkten daß sich eine so bedeutende Auflage bei dem Zustand in den man die letzten Jahre daher durch Krieg, Theurung und Aufruhr gerathen, gar nicht werde eintreiben lassen; aber überdieß beklage sich auch schon der gemeine Mann über alle das Geld, das aus Deutschland ohne Nutzen weggehe; schon oft habe man durch Cruciat und Indulgenz zu einem Tür- kenkriege beigesteuert, aber noch niemals erfahren, daß et- was gegen die Türken geschehen sey. In eine Anklage, wie man sieht, verwandelt sich die Ablehnung: die Stände ergriffen die Gelegenheit einer Anforderung des römischen Stuhles, ihm dagegen eine Menge Beschwerden vorzuhalten; -- über die Annaten, die man jetzt auch von Abteien, Prop- steien und Pfarren fordere: die immer steigenden Kosten der Bestätigungen in geistlichen Ämtern durch neue Offi- cia: die gleichsam ewige Beschwerung, welche durch die römischen Canzleiregeln aufgelegt werde: alle die mancherlei Eingriffe in das Patronatsrecht: Übertragung geistlicher Lehen im hohen und niedern Deutschland auf Fremde: überhaupt eine unaufhörliche Verletzung der Concordate deutscher Nation. 1 Diesen Beschwerden noch einen neuen
diese Rede von Hutten herrühre, steht ihr Schluß entgegen. Wie ist es aber zu erklären, daß der unzweifelhafte Dialog Huttens Pas- quillus exul in vielen Stellen eine so außerordentliche Ähnlichkeit mit dieser Rede hat, die unmöglich zufällig seyn kann? Übrigens könnte sie wohl auf die Berathungen Einfluß gehabt haben, da sie schon am 2ten Sept. in Wittenberg war. Luthers Briefe I, nr. 79.
1 Antwort der Stände Freitag nach Bartholomäi. Frankfur- ter AA.
Zweites Buch. Zweites Capitel.
Von dem Kaiſer erinnerte man, er wolle auf dieſem Wege nur zu einer Reichsſteuer gelangen.
Daher fiel die Antwort der Stände — 27 Aug. — entſchieden ablehnend aus. Sie bemerkten daß ſich eine ſo bedeutende Auflage bei dem Zuſtand in den man die letzten Jahre daher durch Krieg, Theurung und Aufruhr gerathen, gar nicht werde eintreiben laſſen; aber überdieß beklage ſich auch ſchon der gemeine Mann über alle das Geld, das aus Deutſchland ohne Nutzen weggehe; ſchon oft habe man durch Cruciat und Indulgenz zu einem Tür- kenkriege beigeſteuert, aber noch niemals erfahren, daß et- was gegen die Türken geſchehen ſey. In eine Anklage, wie man ſieht, verwandelt ſich die Ablehnung: die Stände ergriffen die Gelegenheit einer Anforderung des römiſchen Stuhles, ihm dagegen eine Menge Beſchwerden vorzuhalten; — über die Annaten, die man jetzt auch von Abteien, Prop- ſteien und Pfarren fordere: die immer ſteigenden Koſten der Beſtätigungen in geiſtlichen Ämtern durch neue Offi- cia: die gleichſam ewige Beſchwerung, welche durch die römiſchen Canzleiregeln aufgelegt werde: alle die mancherlei Eingriffe in das Patronatsrecht: Übertragung geiſtlicher Lehen im hohen und niedern Deutſchland auf Fremde: überhaupt eine unaufhörliche Verletzung der Concordate deutſcher Nation. 1 Dieſen Beſchwerden noch einen neuen
dieſe Rede von Hutten herruͤhre, ſteht ihr Schluß entgegen. Wie iſt es aber zu erklaͤren, daß der unzweifelhafte Dialog Huttens Pas- quillus exul in vielen Stellen eine ſo außerordentliche Aͤhnlichkeit mit dieſer Rede hat, die unmoͤglich zufaͤllig ſeyn kann? Uͤbrigens koͤnnte ſie wohl auf die Berathungen Einfluß gehabt haben, da ſie ſchon am 2ten Sept. in Wittenberg war. Luthers Briefe I, nr. 79.
1 Antwort der Staͤnde Freitag nach Bartholomaͤi. Frankfur- ter AA.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0346"n="328"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweites Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
Von dem Kaiſer erinnerte man, er wolle auf dieſem Wege<lb/>
nur zu einer Reichsſteuer gelangen.</p><lb/><p>Daher fiel die Antwort der Stände — 27 Aug. —<lb/>
entſchieden ablehnend aus. Sie bemerkten daß ſich eine<lb/>ſo bedeutende Auflage bei dem Zuſtand in den man die<lb/>
letzten Jahre daher durch Krieg, Theurung und Aufruhr<lb/>
gerathen, gar nicht werde eintreiben laſſen; aber überdieß<lb/>
beklage ſich auch ſchon der gemeine Mann über alle das<lb/>
Geld, das aus Deutſchland ohne Nutzen weggehe; ſchon<lb/>
oft habe man durch Cruciat und Indulgenz zu einem Tür-<lb/>
kenkriege beigeſteuert, aber noch niemals erfahren, daß et-<lb/>
was gegen die Türken geſchehen ſey. In eine Anklage,<lb/>
wie man ſieht, verwandelt ſich die Ablehnung: die Stände<lb/>
ergriffen die Gelegenheit einer Anforderung des römiſchen<lb/>
Stuhles, ihm dagegen eine Menge Beſchwerden vorzuhalten;<lb/>— über die Annaten, die man jetzt auch von Abteien, Prop-<lb/>ſteien und Pfarren fordere: die immer ſteigenden Koſten<lb/>
der Beſtätigungen in geiſtlichen Ämtern durch neue Offi-<lb/>
cia: die gleichſam ewige Beſchwerung, welche durch die<lb/>
römiſchen Canzleiregeln aufgelegt werde: alle die mancherlei<lb/>
Eingriffe in das Patronatsrecht: Übertragung geiſtlicher<lb/>
Lehen im hohen und niedern Deutſchland auf Fremde:<lb/>
überhaupt eine unaufhörliche Verletzung der Concordate<lb/>
deutſcher Nation. <noteplace="foot"n="1">Antwort der Staͤnde Freitag nach Bartholomaͤi. Frankfur-<lb/>
ter AA.</note> Dieſen Beſchwerden noch einen neuen<lb/><notexml:id="seg2pn_28_2"prev="#seg2pn_28_1"place="foot"n="2">dieſe Rede von Hutten herruͤhre, ſteht ihr Schluß entgegen. Wie<lb/>
iſt es aber zu erklaͤren, daß der unzweifelhafte Dialog Huttens <hirendition="#aq">Pas-<lb/>
quillus exul</hi> in vielen Stellen eine ſo außerordentliche Aͤhnlichkeit<lb/>
mit dieſer Rede hat, die unmoͤglich zufaͤllig ſeyn kann? Uͤbrigens<lb/>
koͤnnte ſie wohl auf die Berathungen Einfluß gehabt haben, da ſie<lb/>ſchon am 2ten Sept. in Wittenberg war. Luthers Briefe <hirendition="#aq">I, nr.</hi> 79.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[328/0346]
Zweites Buch. Zweites Capitel.
Von dem Kaiſer erinnerte man, er wolle auf dieſem Wege
nur zu einer Reichsſteuer gelangen.
Daher fiel die Antwort der Stände — 27 Aug. —
entſchieden ablehnend aus. Sie bemerkten daß ſich eine
ſo bedeutende Auflage bei dem Zuſtand in den man die
letzten Jahre daher durch Krieg, Theurung und Aufruhr
gerathen, gar nicht werde eintreiben laſſen; aber überdieß
beklage ſich auch ſchon der gemeine Mann über alle das
Geld, das aus Deutſchland ohne Nutzen weggehe; ſchon
oft habe man durch Cruciat und Indulgenz zu einem Tür-
kenkriege beigeſteuert, aber noch niemals erfahren, daß et-
was gegen die Türken geſchehen ſey. In eine Anklage,
wie man ſieht, verwandelt ſich die Ablehnung: die Stände
ergriffen die Gelegenheit einer Anforderung des römiſchen
Stuhles, ihm dagegen eine Menge Beſchwerden vorzuhalten;
— über die Annaten, die man jetzt auch von Abteien, Prop-
ſteien und Pfarren fordere: die immer ſteigenden Koſten
der Beſtätigungen in geiſtlichen Ämtern durch neue Offi-
cia: die gleichſam ewige Beſchwerung, welche durch die
römiſchen Canzleiregeln aufgelegt werde: alle die mancherlei
Eingriffe in das Patronatsrecht: Übertragung geiſtlicher
Lehen im hohen und niedern Deutſchland auf Fremde:
überhaupt eine unaufhörliche Verletzung der Concordate
deutſcher Nation. 1 Dieſen Beſchwerden noch einen neuen
2
1 Antwort der Staͤnde Freitag nach Bartholomaͤi. Frankfur-
ter AA.
2 dieſe Rede von Hutten herruͤhre, ſteht ihr Schluß entgegen. Wie
iſt es aber zu erklaͤren, daß der unzweifelhafte Dialog Huttens Pas-
quillus exul in vielen Stellen eine ſo außerordentliche Aͤhnlichkeit
mit dieſer Rede hat, die unmoͤglich zufaͤllig ſeyn kann? Uͤbrigens
koͤnnte ſie wohl auf die Berathungen Einfluß gehabt haben, da ſie
ſchon am 2ten Sept. in Wittenberg war. Luthers Briefe I, nr. 79.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/346>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.