Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Kaiserwahl von 1519.

Bei so mannichfaltigen Unternehmungen und Unter-
handlungen gieng nun, wie man denken kann, nicht alles
nach Wunsch; aber die Erfolge waren doch im Ganzen eine
Zeitlang sehr günstig; schon hielt man die Sache am franzö-
sischen Hof beinahe für sicher: man behauptete, die Mutter
des Königs habe schon den Schmuck bestellt, in dem sie
bei der Krönung erscheinen wollte. 1 Großartiger war der
Ehrgeiz des Königs. Als ihn der englische Gesandte fragte,
ob es sein Ernst sey, wenn er Kaiser werde, etwas wi-
der die Türken zu unternehmen, legte er die Hand auf die
Brust und betheuerte ihm, er werde dann über drei Jahr
entweder nicht mehr leben oder in Constantinopel ange-
kommen seyn. 2

Allein so wenig Wurzel hatte doch die östreichische
Gesinnung in Deutschland nicht, daß sie mit dem Tode
des Kaisers aller ihrer Kraft beraubt gewesen wäre. Ei-
nige Räthe Maximilians, Matthäus Lang, Villinger, Ren-
ner, und einige Abgeordnete des niederländischen Hofes,
unter denen sich besonders Maximilian von Zevenberghen
thätig und geschickt erwies, bildeten in Augsburg eine Com-
mission, welche unter der Leitung Margarethas das östrei-
chische Interesse nach allen Seiten hin wahrnahm. Auch
die Östreicher schonten das Geld nicht. Sie hatten den
eigenthümlichen Vortheil, daß das Wechslerhaus der Fugger,

den Grafen am Harz, dem Adel in Westphalen ward durch Vermit-
telung von Geldern französisches Dienstgeld angeboten; der Graf von
Schwarzburg meldete nach einem Schreiben Nassau's vom 20 März
bei Mone (p. 136) daß ihm ein Jahrgeld von 600 Livres auf Le-
benszeit angeboten worden, was er nicht angenommen.
1 Le Ferron V, 118.
2 Sir Thomas Boleyn to King Henry Ellis Letters I, 147.
Kaiſerwahl von 1519.

Bei ſo mannichfaltigen Unternehmungen und Unter-
handlungen gieng nun, wie man denken kann, nicht alles
nach Wunſch; aber die Erfolge waren doch im Ganzen eine
Zeitlang ſehr günſtig; ſchon hielt man die Sache am franzö-
ſiſchen Hof beinahe für ſicher: man behauptete, die Mutter
des Königs habe ſchon den Schmuck beſtellt, in dem ſie
bei der Krönung erſcheinen wollte. 1 Großartiger war der
Ehrgeiz des Königs. Als ihn der engliſche Geſandte fragte,
ob es ſein Ernſt ſey, wenn er Kaiſer werde, etwas wi-
der die Türken zu unternehmen, legte er die Hand auf die
Bruſt und betheuerte ihm, er werde dann über drei Jahr
entweder nicht mehr leben oder in Conſtantinopel ange-
kommen ſeyn. 2

Allein ſo wenig Wurzel hatte doch die öſtreichiſche
Geſinnung in Deutſchland nicht, daß ſie mit dem Tode
des Kaiſers aller ihrer Kraft beraubt geweſen wäre. Ei-
nige Räthe Maximilians, Matthäus Lang, Villinger, Ren-
ner, und einige Abgeordnete des niederländiſchen Hofes,
unter denen ſich beſonders Maximilian von Zevenberghen
thätig und geſchickt erwies, bildeten in Augsburg eine Com-
miſſion, welche unter der Leitung Margarethas das öſtrei-
chiſche Intereſſe nach allen Seiten hin wahrnahm. Auch
die Öſtreicher ſchonten das Geld nicht. Sie hatten den
eigenthümlichen Vortheil, daß das Wechslerhaus der Fugger,

den Grafen am Harz, dem Adel in Weſtphalen ward durch Vermit-
telung von Geldern franzoͤſiſches Dienſtgeld angeboten; der Graf von
Schwarzburg meldete nach einem Schreiben Naſſau’s vom 20 Maͤrz
bei Mone (p. 136) daß ihm ein Jahrgeld von 600 Livres auf Le-
benszeit angeboten worden, was er nicht angenommen.
1 Le Ferron V, 118.
2 Sir Thomas Boleyn to King Henry Ellis Letters I, 147.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0383" n="365"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kai&#x017F;erwahl von</hi> 1519.</fw><lb/>
            <p>Bei &#x017F;o mannichfaltigen Unternehmungen und Unter-<lb/>
handlungen gieng nun, wie man denken kann, nicht alles<lb/>
nach Wun&#x017F;ch; aber die Erfolge waren doch im Ganzen eine<lb/>
Zeitlang &#x017F;ehr gün&#x017F;tig; &#x017F;chon hielt man die Sache am franzö-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Hof beinahe für &#x017F;icher: man behauptete, die Mutter<lb/>
des Königs habe &#x017F;chon den Schmuck be&#x017F;tellt, in dem &#x017F;ie<lb/>
bei der Krönung er&#x017F;cheinen wollte. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Le Ferron V,</hi> 118.</note> Großartiger war der<lb/>
Ehrgeiz des Königs. Als ihn der engli&#x017F;che Ge&#x017F;andte fragte,<lb/>
ob es &#x017F;ein Ern&#x017F;t &#x017F;ey, wenn er Kai&#x017F;er werde, etwas wi-<lb/>
der die Türken zu unternehmen, legte er die Hand auf die<lb/>
Bru&#x017F;t und betheuerte ihm, er werde dann über drei Jahr<lb/>
entweder nicht mehr leben oder in Con&#x017F;tantinopel ange-<lb/>
kommen &#x017F;eyn. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Sir Thomas Boleyn to King Henry Ellis Letters I,</hi> 147.</note></p><lb/>
            <p>Allein &#x017F;o wenig Wurzel hatte doch die ö&#x017F;treichi&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;innung in Deut&#x017F;chland nicht, daß &#x017F;ie mit dem Tode<lb/>
des Kai&#x017F;ers aller ihrer Kraft beraubt gewe&#x017F;en wäre. Ei-<lb/>
nige Räthe Maximilians, Matthäus Lang, Villinger, Ren-<lb/>
ner, und einige Abgeordnete des niederländi&#x017F;chen Hofes,<lb/>
unter denen &#x017F;ich be&#x017F;onders Maximilian von Zevenberghen<lb/>
thätig und ge&#x017F;chickt erwies, bildeten in Augsburg eine Com-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;ion, welche unter der Leitung Margarethas das ö&#x017F;trei-<lb/>
chi&#x017F;che Intere&#x017F;&#x017F;e nach allen Seiten hin wahrnahm. Auch<lb/>
die Ö&#x017F;treicher &#x017F;chonten das Geld nicht. Sie hatten den<lb/>
eigenthümlichen Vortheil, daß das Wechslerhaus der Fugger,<lb/><note xml:id="seg2pn_30_2" prev="#seg2pn_30_1" place="foot" n="2">den Grafen am Harz, dem Adel in We&#x017F;tphalen ward durch Vermit-<lb/>
telung von Geldern franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ches Dien&#x017F;tgeld angeboten; der Graf von<lb/>
Schwarzburg meldete nach einem Schreiben Na&#x017F;&#x017F;au&#x2019;s vom 20 Ma&#x0364;rz<lb/>
bei Mone (<hi rendition="#aq">p.</hi> 136) daß ihm ein Jahrgeld von 600 Livres auf Le-<lb/>
benszeit angeboten worden, was er nicht angenommen.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0383] Kaiſerwahl von 1519. Bei ſo mannichfaltigen Unternehmungen und Unter- handlungen gieng nun, wie man denken kann, nicht alles nach Wunſch; aber die Erfolge waren doch im Ganzen eine Zeitlang ſehr günſtig; ſchon hielt man die Sache am franzö- ſiſchen Hof beinahe für ſicher: man behauptete, die Mutter des Königs habe ſchon den Schmuck beſtellt, in dem ſie bei der Krönung erſcheinen wollte. 1 Großartiger war der Ehrgeiz des Königs. Als ihn der engliſche Geſandte fragte, ob es ſein Ernſt ſey, wenn er Kaiſer werde, etwas wi- der die Türken zu unternehmen, legte er die Hand auf die Bruſt und betheuerte ihm, er werde dann über drei Jahr entweder nicht mehr leben oder in Conſtantinopel ange- kommen ſeyn. 2 Allein ſo wenig Wurzel hatte doch die öſtreichiſche Geſinnung in Deutſchland nicht, daß ſie mit dem Tode des Kaiſers aller ihrer Kraft beraubt geweſen wäre. Ei- nige Räthe Maximilians, Matthäus Lang, Villinger, Ren- ner, und einige Abgeordnete des niederländiſchen Hofes, unter denen ſich beſonders Maximilian von Zevenberghen thätig und geſchickt erwies, bildeten in Augsburg eine Com- miſſion, welche unter der Leitung Margarethas das öſtrei- chiſche Intereſſe nach allen Seiten hin wahrnahm. Auch die Öſtreicher ſchonten das Geld nicht. Sie hatten den eigenthümlichen Vortheil, daß das Wechslerhaus der Fugger, 2 1 Le Ferron V, 118. 2 Sir Thomas Boleyn to King Henry Ellis Letters I, 147. 2 den Grafen am Harz, dem Adel in Weſtphalen ward durch Vermit- telung von Geldern franzoͤſiſches Dienſtgeld angeboten; der Graf von Schwarzburg meldete nach einem Schreiben Naſſau’s vom 20 Maͤrz bei Mone (p. 136) daß ihm ein Jahrgeld von 600 Livres auf Le- benszeit angeboten worden, was er nicht angenommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/383
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/383>, abgerufen am 16.06.2024.