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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Bulle gegen Luther.
Geist würde nie zu unverhüllter Kunde der alten Jahr-
hunderte zu dem Bewußtseyn seiner Vergangenheit gelangt
seyn. Der in der deutschen Nation erwachte Geist griff
dieß ganze System auf einmal an; für alle Richtungen
menschlicher Thätigkeit, den Staat, den Glauben und die
Wissenschaft war er beschäftigt eine neue Bahn zu öffnen.
Auf der andern Seite war man eben so eifrig bemüht,
das ganze alte System festzuhalten. So wie Eck mit sei-
nem Buche fertig war, eilte er nach Rom, um es dem Papst
selbst zu überreichen und die strengsten Maaßregeln der kirch-
lichen Autorität gegen die Widersacher hervorzurufen.

Man hat damals behauptet, eigentlich sey Eck von
dem Wechslerhaus der Fugger nach Rom geschickt wor-
den, welches gefürchtet habe, des aus dem Geldverkehr
zwischen Rom und Deutschland entspringenden Vortheiles
verlustig zu gehen. In enger Beziehung wenigstens stand
der Doctor zu diesen Kaufleuten. Zu ihren Gunsten war
es, daß er in jener Disputation zu Bologna den Wu-
cher vertheidigte. 1

Hauptsächlich aber kamen ihm die Erklärungen von
Cölln und Löwen zu Hülfe. Die mit Deutschland bekann-
ten Cardinäle Campeggi und Vio thaten ihr Bestes, um
ihn zu befördern. Sein Buch war ganz geeignet, das

1 Literae cujusdam e Roma. Aus den Pirkheimerschen Pa-
pieren bei Riederer Nachrichten zur Kirchen Gelehrten und Bücher-
geschichte I, p. 178. Als Brief erregt mir dieß Actenstück allerdings
einigen Verdacht; auf jeden Fall ist es gleichzeitig und drückt die
Meinung eines gut unterrichteten Zeitgenossen aus. Auch Welser
sagt (Augspurgische Chroniken ander Theil p. 275) daß jene Dis-
putationen "auf Jacob Fuggers und seiner Mitgesellschaft Unkosten"
gehalten worden.

Bulle gegen Luther.
Geiſt würde nie zu unverhüllter Kunde der alten Jahr-
hunderte zu dem Bewußtſeyn ſeiner Vergangenheit gelangt
ſeyn. Der in der deutſchen Nation erwachte Geiſt griff
dieß ganze Syſtem auf einmal an; für alle Richtungen
menſchlicher Thätigkeit, den Staat, den Glauben und die
Wiſſenſchaft war er beſchäftigt eine neue Bahn zu öffnen.
Auf der andern Seite war man eben ſo eifrig bemüht,
das ganze alte Syſtem feſtzuhalten. So wie Eck mit ſei-
nem Buche fertig war, eilte er nach Rom, um es dem Papſt
ſelbſt zu überreichen und die ſtrengſten Maaßregeln der kirch-
lichen Autorität gegen die Widerſacher hervorzurufen.

Man hat damals behauptet, eigentlich ſey Eck von
dem Wechslerhaus der Fugger nach Rom geſchickt wor-
den, welches gefürchtet habe, des aus dem Geldverkehr
zwiſchen Rom und Deutſchland entſpringenden Vortheiles
verluſtig zu gehen. In enger Beziehung wenigſtens ſtand
der Doctor zu dieſen Kaufleuten. Zu ihren Gunſten war
es, daß er in jener Disputation zu Bologna den Wu-
cher vertheidigte. 1

Hauptſächlich aber kamen ihm die Erklärungen von
Cölln und Löwen zu Hülfe. Die mit Deutſchland bekann-
ten Cardinäle Campeggi und Vio thaten ihr Beſtes, um
ihn zu befördern. Sein Buch war ganz geeignet, das

1 Literae cujusdam e Roma. Aus den Pirkheimerſchen Pa-
pieren bei Riederer Nachrichten zur Kirchen Gelehrten und Buͤcher-
geſchichte I, p. 178. Als Brief erregt mir dieß Actenſtuͤck allerdings
einigen Verdacht; auf jeden Fall iſt es gleichzeitig und druͤckt die
Meinung eines gut unterrichteten Zeitgenoſſen aus. Auch Welſer
ſagt (Augſpurgiſche Chroniken ander Theil p. 275) daß jene Dis-
putationen „auf Jacob Fuggers und ſeiner Mitgeſellſchaft Unkoſten“
gehalten worden.
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[427/0445] Bulle gegen Luther. Geiſt würde nie zu unverhüllter Kunde der alten Jahr- hunderte zu dem Bewußtſeyn ſeiner Vergangenheit gelangt ſeyn. Der in der deutſchen Nation erwachte Geiſt griff dieß ganze Syſtem auf einmal an; für alle Richtungen menſchlicher Thätigkeit, den Staat, den Glauben und die Wiſſenſchaft war er beſchäftigt eine neue Bahn zu öffnen. Auf der andern Seite war man eben ſo eifrig bemüht, das ganze alte Syſtem feſtzuhalten. So wie Eck mit ſei- nem Buche fertig war, eilte er nach Rom, um es dem Papſt ſelbſt zu überreichen und die ſtrengſten Maaßregeln der kirch- lichen Autorität gegen die Widerſacher hervorzurufen. Man hat damals behauptet, eigentlich ſey Eck von dem Wechslerhaus der Fugger nach Rom geſchickt wor- den, welches gefürchtet habe, des aus dem Geldverkehr zwiſchen Rom und Deutſchland entſpringenden Vortheiles verluſtig zu gehen. In enger Beziehung wenigſtens ſtand der Doctor zu dieſen Kaufleuten. Zu ihren Gunſten war es, daß er in jener Disputation zu Bologna den Wu- cher vertheidigte. 1 Hauptſächlich aber kamen ihm die Erklärungen von Cölln und Löwen zu Hülfe. Die mit Deutſchland bekann- ten Cardinäle Campeggi und Vio thaten ihr Beſtes, um ihn zu befördern. Sein Buch war ganz geeignet, das 1 Literae cujusdam e Roma. Aus den Pirkheimerſchen Pa- pieren bei Riederer Nachrichten zur Kirchen Gelehrten und Buͤcher- geſchichte I, p. 178. Als Brief erregt mir dieß Actenſtuͤck allerdings einigen Verdacht; auf jeden Fall iſt es gleichzeitig und druͤckt die Meinung eines gut unterrichteten Zeitgenoſſen aus. Auch Welſer ſagt (Augſpurgiſche Chroniken ander Theil p. 275) daß jene Dis- putationen „auf Jacob Fuggers und ſeiner Mitgeſellſchaft Unkoſten“ gehalten worden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/445>, abgerufen am 22.11.2024.