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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Reichstag von 1521. Berathung über Luther.
lutherische Bewegung mußte dazu dienen, daß der Papst
eine Milderung der Inquisition in Spanien, die er im
Interesse der dortigen Stände schon beschlossen, zurücknahm.
Dafür schickte sich der Kaiser an, in Deutschland den
Mönch zu unterdrücken, der so verwegen zur Empörung
gegen den römischen Stuhl aufforderte. Die Bewegung
gegen die Gewalt dominicanischer Ketzerrichter war hier
wie dort national. Es ist sehr begreiflich, wenn von den
Spaniern welche den Hof begleiteten, wenigstens diejeni-
gen die den mittleren Ständen angehörten, an Luther und
seinen Schriften lebendigen Antheil nahmen.

In Deutschland aber konnte der Kaiser nichts verfü-
gen ohne das Gutachten des Reiches, und jenen Entwurf
des Mandates hatte er den Ständen mit der Erklärung
vorgelegt, "wenn sie etwas besseres wüßten, das verneh-
men zu wollen." Hierauf kam es in dem Reichsrath zu
sehr lebhaften Verhandlungen. "Der Mönch," schreibt der
Frankfurter Gesandte, "macht viel Arbeit: ein Theil möchte
ihn aus Kreuz schlagen, und ich fürchte er wird ihnen
schwerlich entrinnen: nur ist zu besorgen, daß er am drit-
ten Tag wieder aufersteht." Diese Besorgniß, daß mit
einer einseitigen Verdammung nichts gethan seyn werde,
beherrschte auch die Stände. Der Kaiser hatte gemeint,
das Edict ohne weiteres Verhör zu erlassen: 1 so rieth ihm

1 In dem Entwurf heißt es: "Und (weil) dann der gedacht
Martin Luther alles das, so muglichen gewesen ist, offentlichen ge-
bredigt, geschrieben und ausgebraitet, und yetzt am jungsten etlich
Articul, so inn viel Orten in Behem gehalten werden und die von
den hailigen Concilien für kätzerisch erkannt und erklärt sein, ange-
nommen, und ine darum die papstlich Heyligkeit für einen offenbaren
Ketzer wie obstet erclärt und verdammt hat und deßhalben inen wei-
ter zu hören nit rat noch geburlich ist."

Reichstag von 1521. Berathung uͤber Luther.
lutheriſche Bewegung mußte dazu dienen, daß der Papſt
eine Milderung der Inquiſition in Spanien, die er im
Intereſſe der dortigen Stände ſchon beſchloſſen, zurücknahm.
Dafür ſchickte ſich der Kaiſer an, in Deutſchland den
Mönch zu unterdrücken, der ſo verwegen zur Empörung
gegen den römiſchen Stuhl aufforderte. Die Bewegung
gegen die Gewalt dominicaniſcher Ketzerrichter war hier
wie dort national. Es iſt ſehr begreiflich, wenn von den
Spaniern welche den Hof begleiteten, wenigſtens diejeni-
gen die den mittleren Ständen angehörten, an Luther und
ſeinen Schriften lebendigen Antheil nahmen.

In Deutſchland aber konnte der Kaiſer nichts verfü-
gen ohne das Gutachten des Reiches, und jenen Entwurf
des Mandates hatte er den Ständen mit der Erklärung
vorgelegt, „wenn ſie etwas beſſeres wüßten, das verneh-
men zu wollen.“ Hierauf kam es in dem Reichsrath zu
ſehr lebhaften Verhandlungen. „Der Mönch,“ ſchreibt der
Frankfurter Geſandte, „macht viel Arbeit: ein Theil möchte
ihn aus Kreuz ſchlagen, und ich fürchte er wird ihnen
ſchwerlich entrinnen: nur iſt zu beſorgen, daß er am drit-
ten Tag wieder auferſteht.“ Dieſe Beſorgniß, daß mit
einer einſeitigen Verdammung nichts gethan ſeyn werde,
beherrſchte auch die Stände. Der Kaiſer hatte gemeint,
das Edict ohne weiteres Verhör zu erlaſſen: 1 ſo rieth ihm

1 In dem Entwurf heißt es: „Und (weil) dann der gedacht
Martin Luther alles das, ſo muglichen geweſen iſt, offentlichen ge-
bredigt, geſchrieben und ausgebraitet, und yetzt am jungſten etlich
Articul, ſo inn viel Orten in Behem gehalten werden und die von
den hailigen Concilien fuͤr kaͤtzeriſch erkannt und erklaͤrt ſein, ange-
nommen, und ine darum die papſtlich Heyligkeit fuͤr einen offenbaren
Ketzer wie obſtet erclaͤrt und verdammt hat und deßhalben inen wei-
ter zu hoͤren nit rat noch geburlich iſt.“
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[475/0493] Reichstag von 1521. Berathung uͤber Luther. lutheriſche Bewegung mußte dazu dienen, daß der Papſt eine Milderung der Inquiſition in Spanien, die er im Intereſſe der dortigen Stände ſchon beſchloſſen, zurücknahm. Dafür ſchickte ſich der Kaiſer an, in Deutſchland den Mönch zu unterdrücken, der ſo verwegen zur Empörung gegen den römiſchen Stuhl aufforderte. Die Bewegung gegen die Gewalt dominicaniſcher Ketzerrichter war hier wie dort national. Es iſt ſehr begreiflich, wenn von den Spaniern welche den Hof begleiteten, wenigſtens diejeni- gen die den mittleren Ständen angehörten, an Luther und ſeinen Schriften lebendigen Antheil nahmen. In Deutſchland aber konnte der Kaiſer nichts verfü- gen ohne das Gutachten des Reiches, und jenen Entwurf des Mandates hatte er den Ständen mit der Erklärung vorgelegt, „wenn ſie etwas beſſeres wüßten, das verneh- men zu wollen.“ Hierauf kam es in dem Reichsrath zu ſehr lebhaften Verhandlungen. „Der Mönch,“ ſchreibt der Frankfurter Geſandte, „macht viel Arbeit: ein Theil möchte ihn aus Kreuz ſchlagen, und ich fürchte er wird ihnen ſchwerlich entrinnen: nur iſt zu beſorgen, daß er am drit- ten Tag wieder auferſteht.“ Dieſe Beſorgniß, daß mit einer einſeitigen Verdammung nichts gethan ſeyn werde, beherrſchte auch die Stände. Der Kaiſer hatte gemeint, das Edict ohne weiteres Verhör zu erlaſſen: 1 ſo rieth ihm 1 In dem Entwurf heißt es: „Und (weil) dann der gedacht Martin Luther alles das, ſo muglichen geweſen iſt, offentlichen ge- bredigt, geſchrieben und ausgebraitet, und yetzt am jungſten etlich Articul, ſo inn viel Orten in Behem gehalten werden und die von den hailigen Concilien fuͤr kaͤtzeriſch erkannt und erklaͤrt ſein, ange- nommen, und ine darum die papſtlich Heyligkeit fuͤr einen offenbaren Ketzer wie obſtet erclaͤrt und verdammt hat und deßhalben inen wei- ter zu hoͤren nit rat noch geburlich iſt.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/493>, abgerufen am 22.11.2024.