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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Viertes Capitel.
Muth in die feste Zuversicht; er sagte: Gott wird mit mir
seyn; so stieg er ab.

Und sogleich des andern Tages gegen Abend ward
er in die Versammlung des Reiches geführt. Der junge
Kaiser, unter den sechs Churfürsten sein eigner Herr, so
viele andre geistliche und weltliche Fürsten, vor denen die
Unterthanen ihre Kniee beugten, zahlreiche durch Thaten
in Krieg und Frieden berühmte Oberhäupter, würdige Ab-
geordnete der Städte, Freunde und Feinde, erwarteten den
Mönch. Der Anblick einer so erhabenen, prächtigen Ver-
sammlung schien ihn doch einen Augenblick zu blenden.
Er sprach mit ziemlich schwacher unvernehmlicher Stimme:
Viele glaubten, er sey erschrocken. Auf die Frage, ob er
seine Bücher, deren Titel verlesen wurden, sämmtlich wie
sie seyen vertheidigen oder sich zu einem Widerruf verstehen
wolle, bat er sich Bedenkzeit aus: auch er nahm wie wir
sehen die Förmlichkeiten des Reiches für sich in Anspruch.

Den andern Tag erschien er aufs neue in der Ver-
sammlung. Es wurde spät, eh er vorgelassen ward: schon
zündete man Fackeln an; die Versammlung war vielleicht
noch zahlreicher als gestern, das Gedränge des Volkes so
stark, daß kaum die Fürsten zu sitzen kamen, die Aufmerk-
samkeit auf den entscheidenden Augenblick noch gespann-
ter. Jetzt aber war in Luther keine Spur von Befan-
genheit. Auf die ihm wiederholte frühere Frage antwor-
tete er mit männlich-fester, starker Stimme, mit dem Aus-
druck freudiger Ruhe. Er theilte seine Werke ein in Bü-
cher der christlichen Lehre, Schriften wider die Mißbräuche
des Stuhles zu Rom, und in Streitschriften. Die ersten

Zweites Buch. Viertes Capitel.
Muth in die feſte Zuverſicht; er ſagte: Gott wird mit mir
ſeyn; ſo ſtieg er ab.

Und ſogleich des andern Tages gegen Abend ward
er in die Verſammlung des Reiches geführt. Der junge
Kaiſer, unter den ſechs Churfürſten ſein eigner Herr, ſo
viele andre geiſtliche und weltliche Fürſten, vor denen die
Unterthanen ihre Kniee beugten, zahlreiche durch Thaten
in Krieg und Frieden berühmte Oberhäupter, würdige Ab-
geordnete der Städte, Freunde und Feinde, erwarteten den
Mönch. Der Anblick einer ſo erhabenen, prächtigen Ver-
ſammlung ſchien ihn doch einen Augenblick zu blenden.
Er ſprach mit ziemlich ſchwacher unvernehmlicher Stimme:
Viele glaubten, er ſey erſchrocken. Auf die Frage, ob er
ſeine Bücher, deren Titel verleſen wurden, ſämmtlich wie
ſie ſeyen vertheidigen oder ſich zu einem Widerruf verſtehen
wolle, bat er ſich Bedenkzeit aus: auch er nahm wie wir
ſehen die Förmlichkeiten des Reiches für ſich in Anſpruch.

Den andern Tag erſchien er aufs neue in der Ver-
ſammlung. Es wurde ſpät, eh er vorgelaſſen ward: ſchon
zündete man Fackeln an; die Verſammlung war vielleicht
noch zahlreicher als geſtern, das Gedränge des Volkes ſo
ſtark, daß kaum die Fürſten zu ſitzen kamen, die Aufmerk-
ſamkeit auf den entſcheidenden Augenblick noch geſpann-
ter. Jetzt aber war in Luther keine Spur von Befan-
genheit. Auf die ihm wiederholte frühere Frage antwor-
tete er mit männlich-feſter, ſtarker Stimme, mit dem Aus-
druck freudiger Ruhe. Er theilte ſeine Werke ein in Bü-
cher der chriſtlichen Lehre, Schriften wider die Mißbräuche
des Stuhles zu Rom, und in Streitſchriften. Die erſten

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[482/0500] Zweites Buch. Viertes Capitel. Muth in die feſte Zuverſicht; er ſagte: Gott wird mit mir ſeyn; ſo ſtieg er ab. Und ſogleich des andern Tages gegen Abend ward er in die Verſammlung des Reiches geführt. Der junge Kaiſer, unter den ſechs Churfürſten ſein eigner Herr, ſo viele andre geiſtliche und weltliche Fürſten, vor denen die Unterthanen ihre Kniee beugten, zahlreiche durch Thaten in Krieg und Frieden berühmte Oberhäupter, würdige Ab- geordnete der Städte, Freunde und Feinde, erwarteten den Mönch. Der Anblick einer ſo erhabenen, prächtigen Ver- ſammlung ſchien ihn doch einen Augenblick zu blenden. Er ſprach mit ziemlich ſchwacher unvernehmlicher Stimme: Viele glaubten, er ſey erſchrocken. Auf die Frage, ob er ſeine Bücher, deren Titel verleſen wurden, ſämmtlich wie ſie ſeyen vertheidigen oder ſich zu einem Widerruf verſtehen wolle, bat er ſich Bedenkzeit aus: auch er nahm wie wir ſehen die Förmlichkeiten des Reiches für ſich in Anſpruch. Den andern Tag erſchien er aufs neue in der Ver- ſammlung. Es wurde ſpät, eh er vorgelaſſen ward: ſchon zündete man Fackeln an; die Verſammlung war vielleicht noch zahlreicher als geſtern, das Gedränge des Volkes ſo ſtark, daß kaum die Fürſten zu ſitzen kamen, die Aufmerk- ſamkeit auf den entſcheidenden Augenblick noch geſpann- ter. Jetzt aber war in Luther keine Spur von Befan- genheit. Auf die ihm wiederholte frühere Frage antwor- tete er mit männlich-feſter, ſtarker Stimme, mit dem Aus- druck freudiger Ruhe. Er theilte ſeine Werke ein in Bü- cher der chriſtlichen Lehre, Schriften wider die Mißbräuche des Stuhles zu Rom, und in Streitſchriften. Die erſten

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/500>, abgerufen am 22.11.2024.