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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Idee des späteen Kaiserthums.
bei dem h. römischen Reiche und der heiligen römischen Kirche
in Ehre und Würdigkeit zu behaupten. Die Churfürsten
nehmen selbst für die kirchlichen Verhältnisse eine besondere
Berechtigung in Anspruch: im Jahre 1424, noch einmal
im J. 1446 erklären sie, der Allmächtige habe sie dazu ge-
ordnet und gewürdigt, daß sie die Gebrechen, die in der
heil. Kirche und Christenheit und in dem heil. Reiche ent-
stehen, mit dem römischen Könige, mit Fürsten, Herrn, Rit-
tern und Städten des Reichs und mit allen Christgläubi-
gen abzustellen suchen sollen. 1

Und so glaubte man denn der päpstlichen Gewalt so
gut wie der kaiserlichen verpflichtet zu seyn; aber da jene
in alle den Jahrhunderte langen Kämpfen immer Siege-
rin geblieben, während diese so oft unterlegen war, so
übten die Päpste eine bei weitem stärkere durchgreifendere
Wirksamkeit auch in weltlicher Beziehung aus als die Kai-
ser. Woran kein Kaiser hätte denken dürfen, einen Chur-
fürsten des Reiches abzusetzen, das haben die Päpste ver-
schiedene Mal versucht, und es zuweilen auch wirklich ausge-
führt. Auch so entfernte Bisthümer wie Camin verleihen
sie italienischen Prälaten. Durch ihre Annaten, Pallien und
alle die mannichfaltigen Gefälle der Curie bringen sie ein
bei weitem größeres,-Maximilian I hat gesagt, ein hun-
dert Mal größeres-Einkommen aus dem Reiche auf, als
der Kaiser: unaufhörlich durchziehen ihre Ablaßverkäufer die
verschiedenen Provinzen des Reiches. Die enge Verflech-
tung geistlicher und weltlicher Fürstenthümer und Gerecht-
same giebt ihnen jeden Augenblick Gelegenheit in die innern

1 Müller, Rtth. Fr. I, 305.

Idee des ſpaͤteen Kaiſerthums.
bei dem h. römiſchen Reiche und der heiligen römiſchen Kirche
in Ehre und Würdigkeit zu behaupten. Die Churfürſten
nehmen ſelbſt für die kirchlichen Verhältniſſe eine beſondere
Berechtigung in Anſpruch: im Jahre 1424, noch einmal
im J. 1446 erklären ſie, der Allmächtige habe ſie dazu ge-
ordnet und gewürdigt, daß ſie die Gebrechen, die in der
heil. Kirche und Chriſtenheit und in dem heil. Reiche ent-
ſtehen, mit dem römiſchen Könige, mit Fürſten, Herrn, Rit-
tern und Städten des Reichs und mit allen Chriſtgläubi-
gen abzuſtellen ſuchen ſollen. 1

Und ſo glaubte man denn der päpſtlichen Gewalt ſo
gut wie der kaiſerlichen verpflichtet zu ſeyn; aber da jene
in alle den Jahrhunderte langen Kämpfen immer Siege-
rin geblieben, während dieſe ſo oft unterlegen war, ſo
übten die Päpſte eine bei weitem ſtärkere durchgreifendere
Wirkſamkeit auch in weltlicher Beziehung aus als die Kai-
ſer. Woran kein Kaiſer hätte denken dürfen, einen Chur-
fürſten des Reiches abzuſetzen, das haben die Päpſte ver-
ſchiedene Mal verſucht, und es zuweilen auch wirklich ausge-
führt. Auch ſo entfernte Bisthümer wie Camin verleihen
ſie italieniſchen Prälaten. Durch ihre Annaten, Pallien und
alle die mannichfaltigen Gefälle der Curie bringen ſie ein
bei weitem größeres,-Maximilian I hat geſagt, ein hun-
dert Mal größeres-Einkommen aus dem Reiche auf, als
der Kaiſer: unaufhörlich durchziehen ihre Ablaßverkäufer die
verſchiedenen Provinzen des Reiches. Die enge Verflech-
tung geiſtlicher und weltlicher Fürſtenthümer und Gerecht-
ſame giebt ihnen jeden Augenblick Gelegenheit in die innern

1 Muͤller, Rtth. Fr. I, 305.
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[57/0075] Idee des ſpaͤteen Kaiſerthums. bei dem h. römiſchen Reiche und der heiligen römiſchen Kirche in Ehre und Würdigkeit zu behaupten. Die Churfürſten nehmen ſelbſt für die kirchlichen Verhältniſſe eine beſondere Berechtigung in Anſpruch: im Jahre 1424, noch einmal im J. 1446 erklären ſie, der Allmächtige habe ſie dazu ge- ordnet und gewürdigt, daß ſie die Gebrechen, die in der heil. Kirche und Chriſtenheit und in dem heil. Reiche ent- ſtehen, mit dem römiſchen Könige, mit Fürſten, Herrn, Rit- tern und Städten des Reichs und mit allen Chriſtgläubi- gen abzuſtellen ſuchen ſollen. 1 Und ſo glaubte man denn der päpſtlichen Gewalt ſo gut wie der kaiſerlichen verpflichtet zu ſeyn; aber da jene in alle den Jahrhunderte langen Kämpfen immer Siege- rin geblieben, während dieſe ſo oft unterlegen war, ſo übten die Päpſte eine bei weitem ſtärkere durchgreifendere Wirkſamkeit auch in weltlicher Beziehung aus als die Kai- ſer. Woran kein Kaiſer hätte denken dürfen, einen Chur- fürſten des Reiches abzuſetzen, das haben die Päpſte ver- ſchiedene Mal verſucht, und es zuweilen auch wirklich ausge- führt. Auch ſo entfernte Bisthümer wie Camin verleihen ſie italieniſchen Prälaten. Durch ihre Annaten, Pallien und alle die mannichfaltigen Gefälle der Curie bringen ſie ein bei weitem größeres,-Maximilian I hat geſagt, ein hun- dert Mal größeres-Einkommen aus dem Reiche auf, als der Kaiſer: unaufhörlich durchziehen ihre Ablaßverkäufer die verſchiedenen Provinzen des Reiches. Die enge Verflech- tung geiſtlicher und weltlicher Fürſtenthümer und Gerecht- ſame giebt ihnen jeden Augenblick Gelegenheit in die innern 1 Muͤller, Rtth. Fr. I, 305.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/75>, abgerufen am 21.11.2024.