Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Bauernkrieg. in der Stadt Zell am Untersee von den Bauern eingeschlos-sen und belagert. Auch der gewaltige Truchseß an der Spitze der schwäbischen Bundesvölker mußte sich endlich zum Vertrag mit den Bauern von Allgau, See und Ried bequemen und ihnen eine Erledigung ihrer Beschwerden unter Vermittelung der Städte versprechen. Ein Glück wenn sie sich nur noch auch auf die Zukunft verweisen lie- ßen. In Wirtenberg wollten sie von keinem Landtag mehr hören, sondern alles augenblicklich ihrer christlichen Ver- einigung unterwerfen, die sich bereits über den größten Theil des Landes verbreitete: jeder Ort stellte eine bestimmte Anzahl Leute ins Feld. Der Bischof von Bamberg, der Abt von Hersfeld, der Coadjutor von Fulda hatten sich zu geistlichen und weltlichen Concessionen verstanden: der letzte mit besonders leichtem Sinne: schon ließ er sich als Fürst von der Buchen begrüßen; auch sein Bruder der alte Graf Wilhelm von Henneberg nahm den Bund der Bauern an und versprach alles frei zu lassen, "was Gott der Allmächtige gefreiet in Christo seinem Sohn." 1 Viel- leicht den kühnsten Versuch einer Umgestaltung aller Ver- hältnisse machten die Einwohner des Rheingau. Noch ein- mal versammelten sie sich auf dem Grund und Boden ihrer uralten Malstatt, der Lützelaue, zu St. Bartholomä, 2 und vereinigten sich, vor allem ihre alte Verfassung zurückzufor- dern, das Haingericht nach dem alten Rechte, die Herstellung des Gebickes, welches das Land in eine Art von Festung 1 Bundesformel bei Ludwig a. a. O. p. 879. 2 Nach Bodmanns Rheingauischen Alterthümern p. 461. Daß
der Wachholder die alte Malstatt gewesen, wie Vogt annimmt, be- ruht wohl auf einem Irrthnm. Bauernkrieg. in der Stadt Zell am Unterſee von den Bauern eingeſchloſ-ſen und belagert. Auch der gewaltige Truchſeß an der Spitze der ſchwäbiſchen Bundesvölker mußte ſich endlich zum Vertrag mit den Bauern von Allgau, See und Ried bequemen und ihnen eine Erledigung ihrer Beſchwerden unter Vermittelung der Städte verſprechen. Ein Glück wenn ſie ſich nur noch auch auf die Zukunft verweiſen lie- ßen. In Wirtenberg wollten ſie von keinem Landtag mehr hören, ſondern alles augenblicklich ihrer chriſtlichen Ver- einigung unterwerfen, die ſich bereits über den größten Theil des Landes verbreitete: jeder Ort ſtellte eine beſtimmte Anzahl Leute ins Feld. Der Biſchof von Bamberg, der Abt von Hersfeld, der Coadjutor von Fulda hatten ſich zu geiſtlichen und weltlichen Conceſſionen verſtanden: der letzte mit beſonders leichtem Sinne: ſchon ließ er ſich als Fürſt von der Buchen begrüßen; auch ſein Bruder der alte Graf Wilhelm von Henneberg nahm den Bund der Bauern an und verſprach alles frei zu laſſen, „was Gott der Allmächtige gefreiet in Chriſto ſeinem Sohn.“ 1 Viel- leicht den kühnſten Verſuch einer Umgeſtaltung aller Ver- hältniſſe machten die Einwohner des Rheingau. Noch ein- mal verſammelten ſie ſich auf dem Grund und Boden ihrer uralten Malſtatt, der Lützelaue, zu St. Bartholomä, 2 und vereinigten ſich, vor allem ihre alte Verfaſſung zurückzufor- dern, das Haingericht nach dem alten Rechte, die Herſtellung des Gebickes, welches das Land in eine Art von Feſtung 1 Bundesformel bei Ludwig a. a. O. p. 879. 2 Nach Bodmanns Rheingauiſchen Alterthuͤmern p. 461. Daß
der Wachholder die alte Malſtatt geweſen, wie Vogt annimmt, be- ruht wohl auf einem Irrthnm. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0209" n="199"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Bauernkrieg</hi>.</fw><lb/> in der Stadt Zell am Unterſee von den Bauern eingeſchloſ-<lb/> ſen und belagert. Auch der gewaltige Truchſeß an der<lb/> Spitze der ſchwäbiſchen Bundesvölker mußte ſich endlich<lb/> zum Vertrag mit den Bauern von Allgau, See und Ried<lb/> bequemen und ihnen eine Erledigung ihrer Beſchwerden<lb/> unter Vermittelung der Städte verſprechen. Ein Glück<lb/> wenn ſie ſich nur noch auch auf die Zukunft verweiſen lie-<lb/> ßen. In Wirtenberg wollten ſie von keinem Landtag mehr<lb/> hören, ſondern alles augenblicklich ihrer chriſtlichen Ver-<lb/> einigung unterwerfen, die ſich bereits über den größten<lb/> Theil des Landes verbreitete: jeder Ort ſtellte eine beſtimmte<lb/> Anzahl Leute ins Feld. Der Biſchof von Bamberg, der<lb/> Abt von Hersfeld, der Coadjutor von Fulda hatten ſich<lb/> zu geiſtlichen und weltlichen Conceſſionen verſtanden: der<lb/> letzte mit beſonders leichtem Sinne: ſchon ließ er ſich als<lb/> Fürſt von der Buchen begrüßen; auch ſein Bruder der<lb/> alte Graf Wilhelm von Henneberg nahm den Bund der<lb/> Bauern an und verſprach alles frei zu laſſen, „was Gott<lb/> der Allmächtige gefreiet in Chriſto ſeinem Sohn.“ <note place="foot" n="1">Bundesformel bei Ludwig a. a. O. <hi rendition="#aq">p.</hi> 879.</note> Viel-<lb/> leicht den kühnſten Verſuch einer Umgeſtaltung aller Ver-<lb/> hältniſſe machten die Einwohner des Rheingau. Noch ein-<lb/> mal verſammelten ſie ſich auf dem Grund und Boden ihrer<lb/> uralten Malſtatt, der Lützelaue, zu St. Bartholomä, <note place="foot" n="2">Nach Bodmanns Rheingauiſchen Alterthuͤmern <hi rendition="#aq">p.</hi> 461. Daß<lb/> der Wachholder die alte Malſtatt geweſen, wie Vogt annimmt, be-<lb/> ruht wohl auf einem Irrthnm.</note> und<lb/> vereinigten ſich, vor allem ihre alte Verfaſſung zurückzufor-<lb/> dern, das Haingericht nach dem alten Rechte, die Herſtellung<lb/> des Gebickes, welches das Land in eine Art von Feſtung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0209]
Bauernkrieg.
in der Stadt Zell am Unterſee von den Bauern eingeſchloſ-
ſen und belagert. Auch der gewaltige Truchſeß an der
Spitze der ſchwäbiſchen Bundesvölker mußte ſich endlich
zum Vertrag mit den Bauern von Allgau, See und Ried
bequemen und ihnen eine Erledigung ihrer Beſchwerden
unter Vermittelung der Städte verſprechen. Ein Glück
wenn ſie ſich nur noch auch auf die Zukunft verweiſen lie-
ßen. In Wirtenberg wollten ſie von keinem Landtag mehr
hören, ſondern alles augenblicklich ihrer chriſtlichen Ver-
einigung unterwerfen, die ſich bereits über den größten
Theil des Landes verbreitete: jeder Ort ſtellte eine beſtimmte
Anzahl Leute ins Feld. Der Biſchof von Bamberg, der
Abt von Hersfeld, der Coadjutor von Fulda hatten ſich
zu geiſtlichen und weltlichen Conceſſionen verſtanden: der
letzte mit beſonders leichtem Sinne: ſchon ließ er ſich als
Fürſt von der Buchen begrüßen; auch ſein Bruder der
alte Graf Wilhelm von Henneberg nahm den Bund der
Bauern an und verſprach alles frei zu laſſen, „was Gott
der Allmächtige gefreiet in Chriſto ſeinem Sohn.“ 1 Viel-
leicht den kühnſten Verſuch einer Umgeſtaltung aller Ver-
hältniſſe machten die Einwohner des Rheingau. Noch ein-
mal verſammelten ſie ſich auf dem Grund und Boden ihrer
uralten Malſtatt, der Lützelaue, zu St. Bartholomä, 2 und
vereinigten ſich, vor allem ihre alte Verfaſſung zurückzufor-
dern, das Haingericht nach dem alten Rechte, die Herſtellung
des Gebickes, welches das Land in eine Art von Feſtung
1 Bundesformel bei Ludwig a. a. O. p. 879.
2 Nach Bodmanns Rheingauiſchen Alterthuͤmern p. 461. Daß
der Wachholder die alte Malſtatt geweſen, wie Vogt annimmt, be-
ruht wohl auf einem Irrthnm.
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