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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Gefahren.
allgemeinen Conciliums; selbst wenn ein Engel vom Him-
mel käme, so würde man ihm nicht folgen dürfen, es ge-
schähe denn in einer vollständigen christlichen Versamm-
lung. 1 Auch ein päpstlicher Nuntius machte sich auf,
um den Reichstag zu besuchen.

War die Absicht eine Veränderung zu treffen eben so
weit verbreitet wie umfassend, so war doch auch die entge-
gengesetzte Tendenz, die geistliche Verfassung wie sie be-
stand aufrecht zu erhalten, oder vielmehr in ihrer Integri-
tät wieder herzustellen, noch sehr kräftig. Indem man sich
auf der Seite der Neuerung zu den weitaussehendsten Plä-
nen erhob, verbarg man sich doch nicht, daß der Reichs-
tag auch leicht eine widrige Wendung nehmen könne. Es
schien Einigen als wolle man da Gutes und Böses mit
einander ausrotten, die Wahrheit mit der Unwahrheit unter-
drücken: als werde man am Ende eine Ordnung des Glau-
bens und Lebens nach dem alten Gesetz aufrichten, und daran
gehn, Jeden der sich nicht füge mit Gewalt dazu zu zwingen.

Wie sich Churfürst Johann und Landgraf Philipp am
entschlossensten für die Neuerung erklärten, so hatten sie
auch Grund die meisten Besorgnisse zu hegen. Der Land-
graf, weil er sich ringsher von mächtigen geistlichen Gebie-
ten umgeben sah: -- der Churfürst, weil man schon damals
daran dachte, ihm als einem von der römischen Kirche
Abgefallenen die Chur zu entziehen: er wurde erinnert,
sich mit seinen Nachbarn -- ohne Zweifel hauptsächlich

1 Instruction auf Otto v. Pack im Dresdner Archiv. Auch
über die Heirath Luthers wird darin gescholten, der jetzt mit seiner
Käthe so viel brauche, wie sonst der ganze Augustinerconvent.
Ranke d. Gesch. II. 16

Gefahren.
allgemeinen Conciliums; ſelbſt wenn ein Engel vom Him-
mel käme, ſo würde man ihm nicht folgen dürfen, es ge-
ſchähe denn in einer vollſtändigen chriſtlichen Verſamm-
lung. 1 Auch ein päpſtlicher Nuntius machte ſich auf,
um den Reichstag zu beſuchen.

War die Abſicht eine Veränderung zu treffen eben ſo
weit verbreitet wie umfaſſend, ſo war doch auch die entge-
gengeſetzte Tendenz, die geiſtliche Verfaſſung wie ſie be-
ſtand aufrecht zu erhalten, oder vielmehr in ihrer Integri-
tät wieder herzuſtellen, noch ſehr kräftig. Indem man ſich
auf der Seite der Neuerung zu den weitausſehendſten Plä-
nen erhob, verbarg man ſich doch nicht, daß der Reichs-
tag auch leicht eine widrige Wendung nehmen könne. Es
ſchien Einigen als wolle man da Gutes und Böſes mit
einander ausrotten, die Wahrheit mit der Unwahrheit unter-
drücken: als werde man am Ende eine Ordnung des Glau-
bens und Lebens nach dem alten Geſetz aufrichten, und daran
gehn, Jeden der ſich nicht füge mit Gewalt dazu zu zwingen.

Wie ſich Churfürſt Johann und Landgraf Philipp am
entſchloſſenſten für die Neuerung erklärten, ſo hatten ſie
auch Grund die meiſten Beſorgniſſe zu hegen. Der Land-
graf, weil er ſich ringsher von mächtigen geiſtlichen Gebie-
ten umgeben ſah: — der Churfürſt, weil man ſchon damals
daran dachte, ihm als einem von der römiſchen Kirche
Abgefallenen die Chur zu entziehen: er wurde erinnert,
ſich mit ſeinen Nachbarn — ohne Zweifel hauptſächlich

1 Inſtruction auf Otto v. Pack im Dresdner Archiv. Auch
uͤber die Heirath Luthers wird darin geſcholten, der jetzt mit ſeiner
Kaͤthe ſo viel brauche, wie ſonſt der ganze Auguſtinerconvent.
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[241/0251] Gefahren. allgemeinen Conciliums; ſelbſt wenn ein Engel vom Him- mel käme, ſo würde man ihm nicht folgen dürfen, es ge- ſchähe denn in einer vollſtändigen chriſtlichen Verſamm- lung. 1 Auch ein päpſtlicher Nuntius machte ſich auf, um den Reichstag zu beſuchen. War die Abſicht eine Veränderung zu treffen eben ſo weit verbreitet wie umfaſſend, ſo war doch auch die entge- gengeſetzte Tendenz, die geiſtliche Verfaſſung wie ſie be- ſtand aufrecht zu erhalten, oder vielmehr in ihrer Integri- tät wieder herzuſtellen, noch ſehr kräftig. Indem man ſich auf der Seite der Neuerung zu den weitausſehendſten Plä- nen erhob, verbarg man ſich doch nicht, daß der Reichs- tag auch leicht eine widrige Wendung nehmen könne. Es ſchien Einigen als wolle man da Gutes und Böſes mit einander ausrotten, die Wahrheit mit der Unwahrheit unter- drücken: als werde man am Ende eine Ordnung des Glau- bens und Lebens nach dem alten Geſetz aufrichten, und daran gehn, Jeden der ſich nicht füge mit Gewalt dazu zu zwingen. Wie ſich Churfürſt Johann und Landgraf Philipp am entſchloſſenſten für die Neuerung erklärten, ſo hatten ſie auch Grund die meiſten Beſorgniſſe zu hegen. Der Land- graf, weil er ſich ringsher von mächtigen geiſtlichen Gebie- ten umgeben ſah: — der Churfürſt, weil man ſchon damals daran dachte, ihm als einem von der römiſchen Kirche Abgefallenen die Chur zu entziehen: er wurde erinnert, ſich mit ſeinen Nachbarn — ohne Zweifel hauptſächlich 1 Inſtruction auf Otto v. Pack im Dresdner Archiv. Auch uͤber die Heirath Luthers wird darin geſcholten, der jetzt mit ſeiner Kaͤthe ſo viel brauche, wie ſonſt der ganze Auguſtinerconvent. Ranke d. Geſch. II. 16

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/251>, abgerufen am 12.12.2024.