genblick durch neu ankommende Graubündner unterstützt, mit eben so viel Glück wie Geschicklichkeit ihren Übergang über die Adda: Lautrec sah sich ganz auf die festen Städte beschränkt.
Da aber war alles schon lange in feindseliger Gäh- rung. Die Gibellinen haßten die französische Regierung: auch die Guelfen waren von ihr nicht mit alle der Rück- sicht behandelt worden die sie forderten: ihr vornehmstes Oberhaupt, der alte Trivulzi, der eine Zeitlang mehr ver- mochte als der französische Gouverneur, war eben darum in die Ungnade des Königs gefallen und darin gestorben; dazu kamen die Erpressungen und Gewaltsamkeiten, welche die Herrschaft der Franzosen in fremden Ländern gewöhn- lich verhaßt machen: als Lautrec in Mailand anlangte, fand er eine so starke Bewegung daß er eine strenge Execu- tion für nothwendig hielt; den alten Christoph Pallavicini, einen nahen Verwandten des Hauses Medici, eins der Oberhäupter der gibellinischen Faction ließ er in dem Ca- stell enthaupten. 1 Diese Grausamkeit, der Anblick eines geschlagenen Heeres, das Gerücht von der Annäherung ei- nes übermächtigen Feindes, man kann denken wie alle das wirkte. Schon immer hatten Prospero und Cardinal Ju- lius ihre Hofnung auf diese Stimmung gesetzt. 2 Franz
1Cronaca Grumello, bei Verri III, 221.
2 Sepulveda Praefatio in Aristotelem de parvis naturalibus (Cf. Sepulvedae Vita et Scripta p. CVII) sagt von Julius: "non ignarus, in uno Mediolano cetera oppida expugnari." Ganz gut drückt Vettori die Umwandlung des Zustandes aus. In Milano in facto la parte Ghibellina e superiore assai, i popoli sono sempre desiderosi di mutazioni: chi lascia la campagna e si ritira den- tro alle mura, perde di riputatione.
Viertes Buch. Erſtes Capitel.
genblick durch neu ankommende Graubündner unterſtützt, mit eben ſo viel Glück wie Geſchicklichkeit ihren Übergang über die Adda: Lautrec ſah ſich ganz auf die feſten Städte beſchränkt.
Da aber war alles ſchon lange in feindſeliger Gäh- rung. Die Gibellinen haßten die franzöſiſche Regierung: auch die Guelfen waren von ihr nicht mit alle der Rück- ſicht behandelt worden die ſie forderten: ihr vornehmſtes Oberhaupt, der alte Trivulzi, der eine Zeitlang mehr ver- mochte als der franzöſiſche Gouverneur, war eben darum in die Ungnade des Königs gefallen und darin geſtorben; dazu kamen die Erpreſſungen und Gewaltſamkeiten, welche die Herrſchaft der Franzoſen in fremden Ländern gewöhn- lich verhaßt machen: als Lautrec in Mailand anlangte, fand er eine ſo ſtarke Bewegung daß er eine ſtrenge Execu- tion für nothwendig hielt; den alten Chriſtoph Pallavicini, einen nahen Verwandten des Hauſes Medici, eins der Oberhäupter der gibelliniſchen Faction ließ er in dem Ca- ſtell enthaupten. 1 Dieſe Grauſamkeit, der Anblick eines geſchlagenen Heeres, das Gerücht von der Annäherung ei- nes übermächtigen Feindes, man kann denken wie alle das wirkte. Schon immer hatten Prospero und Cardinal Ju- lius ihre Hofnung auf dieſe Stimmung geſetzt. 2 Franz
1Cronaca Grumello, bei Verri III, 221.
2 Sepulveda Praefatio in Aristotelem de parvis naturalibus (Cf. Sepulvedae Vita et Scripta p. CVII) ſagt von Julius: „non ignarus, in uno Mediolano cetera oppida expugnari.“ Ganz gut druͤckt Vettori die Umwandlung des Zuſtandes aus. In Milano in facto la parte Ghibellina è superiore assai, i popoli sono sempre desiderosi di mutazioni: chi lascia la campagna e si ritira den- tro alle mura, perde di riputatione.
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Viertes Buch. Erſtes Capitel.
genblick durch neu ankommende Graubündner unterſtützt,
mit eben ſo viel Glück wie Geſchicklichkeit ihren Übergang
über die Adda: Lautrec ſah ſich ganz auf die feſten Städte
beſchränkt.
Da aber war alles ſchon lange in feindſeliger Gäh-
rung. Die Gibellinen haßten die franzöſiſche Regierung:
auch die Guelfen waren von ihr nicht mit alle der Rück-
ſicht behandelt worden die ſie forderten: ihr vornehmſtes
Oberhaupt, der alte Trivulzi, der eine Zeitlang mehr ver-
mochte als der franzöſiſche Gouverneur, war eben darum
in die Ungnade des Königs gefallen und darin geſtorben;
dazu kamen die Erpreſſungen und Gewaltſamkeiten, welche
die Herrſchaft der Franzoſen in fremden Ländern gewöhn-
lich verhaßt machen: als Lautrec in Mailand anlangte,
fand er eine ſo ſtarke Bewegung daß er eine ſtrenge Execu-
tion für nothwendig hielt; den alten Chriſtoph Pallavicini,
einen nahen Verwandten des Hauſes Medici, eins der
Oberhäupter der gibelliniſchen Faction ließ er in dem Ca-
ſtell enthaupten. 1 Dieſe Grauſamkeit, der Anblick eines
geſchlagenen Heeres, das Gerücht von der Annäherung ei-
nes übermächtigen Feindes, man kann denken wie alle das
wirkte. Schon immer hatten Prospero und Cardinal Ju-
lius ihre Hofnung auf dieſe Stimmung geſetzt. 2 Franz
1 Cronaca Grumello, bei Verri III, 221.
2 Sepulveda Praefatio in Aristotelem de parvis naturalibus
(Cf. Sepulvedae Vita et Scripta p. CVII) ſagt von Julius: „non
ignarus, in uno Mediolano cetera oppida expugnari.“ Ganz gut
druͤckt Vettori die Umwandlung des Zuſtandes aus. In Milano in
facto la parte Ghibellina è superiore assai, i popoli sono sempre
desiderosi di mutazioni: chi lascia la campagna e si ritira den-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/280>, abgerufen am 16.07.2024.
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