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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
salleneid geleistet. 1 Am 9ten August nahm er Aix die
Hauptstadt des Landes ein, am 19ten langte er vor Mar-
seille an: er wußte wohl, daß alles andre verloren sey, wenn
er diesen festen Platz nicht besitze. Was wäre es dem Kaiser
werth gewesen, über einen Hafen von solcher Bedeutung
zwischen Barcellona und Genua gebieten zu können. Mar-
seille hätte die eigentliche Schutzwehr für Italien und eine
unvergleichliche Grundlage für jede künftige Unternehmung
auf Frankreich selbst gebildet. Beaurain hatte daran ge-
dacht, Toulon für den Kaiser in Stand zu setzen: es fehlte
ihm aber an allen Mitteln. 2 Um so eifriger machte man
sich an die Belagerung von Marseille.


1 Guicciardini sagt zwar XIV, 448: Borbone constante-
mente ricuso di riconoscere il re d'Inghilterra.
Es ist aber nichts
desto minder gewiß, daß er den Eid leistete, wie dieß Herbert an-
giebt (p. 133) und wir aus einem Schreiben de Praet's bei Hor-
mayr (p. 27) unzweifelhaft entnehmen. Auch war der König von
England noch sehr mit der Unternehmung einverstanden. Richard
Pace erzählte dem Venezianer Suriano, daß ihm sein König noch
durch ein Schreiben vom 28sten Juni ermächtigt, Bourbon in seinem
Vorhaben zu bestärken, ja daß sich der Cardinal Wolsey noch un-
term 14ten September erboten habe eine Landung versuchen zu las-
sen, wenn sie zu etwas helfen könne. Wenn Pace nicht alle Raten
richtig gezahlt hatte, so entschuldigte er sich damit, daß das auch der
Kaiser nicht immer gethan habe. Indessen wissen wir, daß John
Russel 20000 Pf. noch in das Lager vor Marseille brachte. Daß
Pace hier sehr aufrichtig zu Werke gieng, läßt sich daraus abneh-
men, daß er doch bei alle dem schon einen gewissen Verdacht gegen
den guten Willen des Cardinals äußert, der ein schlechter Mensch
sey -- attenta la pessima natura del ditto Cardenal. -- Wie dem
auch seyn mag, so ist es offenbar, daß man den Ausgang der Unter-
nehmung in England mit Spannung erwartete. Erkannte doch Bour-
bon keinen andern König an als eben Heinrich VIII.
2 Schreiben bei Hormayr a. a. O.: er meinte, er würde das
mit 10000 Duc. bewerkstelligen.

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
ſalleneid geleiſtet. 1 Am 9ten Auguſt nahm er Aix die
Hauptſtadt des Landes ein, am 19ten langte er vor Mar-
ſeille an: er wußte wohl, daß alles andre verloren ſey, wenn
er dieſen feſten Platz nicht beſitze. Was wäre es dem Kaiſer
werth geweſen, über einen Hafen von ſolcher Bedeutung
zwiſchen Barcellona und Genua gebieten zu können. Mar-
ſeille hätte die eigentliche Schutzwehr für Italien und eine
unvergleichliche Grundlage für jede künftige Unternehmung
auf Frankreich ſelbſt gebildet. Beaurain hatte daran ge-
dacht, Toulon für den Kaiſer in Stand zu ſetzen: es fehlte
ihm aber an allen Mitteln. 2 Um ſo eifriger machte man
ſich an die Belagerung von Marſeille.


1 Guicciardini ſagt zwar XIV, 448: Borbone constante-
mente ricusò di riconoscere il re d’Inghilterra.
Es iſt aber nichts
deſto minder gewiß, daß er den Eid leiſtete, wie dieß Herbert an-
giebt (p. 133) und wir aus einem Schreiben de Praet’s bei Hor-
mayr (p. 27) unzweifelhaft entnehmen. Auch war der Koͤnig von
England noch ſehr mit der Unternehmung einverſtanden. Richard
Pace erzaͤhlte dem Venezianer Suriano, daß ihm ſein Koͤnig noch
durch ein Schreiben vom 28ſten Juni ermaͤchtigt, Bourbon in ſeinem
Vorhaben zu beſtaͤrken, ja daß ſich der Cardinal Wolſey noch un-
term 14ten September erboten habe eine Landung verſuchen zu laſ-
ſen, wenn ſie zu etwas helfen koͤnne. Wenn Pace nicht alle Raten
richtig gezahlt hatte, ſo entſchuldigte er ſich damit, daß das auch der
Kaiſer nicht immer gethan habe. Indeſſen wiſſen wir, daß John
Ruſſel 20000 Pf. noch in das Lager vor Marſeille brachte. Daß
Pace hier ſehr aufrichtig zu Werke gieng, laͤßt ſich daraus abneh-
men, daß er doch bei alle dem ſchon einen gewiſſen Verdacht gegen
den guten Willen des Cardinals aͤußert, der ein ſchlechter Menſch
ſey — attenta la pessima natura del ditto Cardenal. — Wie dem
auch ſeyn mag, ſo iſt es offenbar, daß man den Ausgang der Unter-
nehmung in England mit Spannung erwartete. Erkannte doch Bour-
bon keinen andern Koͤnig an als eben Heinrich VIII.
2 Schreiben bei Hormayr a. a. O.: er meinte, er wuͤrde das
mit 10000 Duc. bewerkſtelligen.
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[300/0310] Viertes Buch. Erſtes Capitel. ſalleneid geleiſtet. 1 Am 9ten Auguſt nahm er Aix die Hauptſtadt des Landes ein, am 19ten langte er vor Mar- ſeille an: er wußte wohl, daß alles andre verloren ſey, wenn er dieſen feſten Platz nicht beſitze. Was wäre es dem Kaiſer werth geweſen, über einen Hafen von ſolcher Bedeutung zwiſchen Barcellona und Genua gebieten zu können. Mar- ſeille hätte die eigentliche Schutzwehr für Italien und eine unvergleichliche Grundlage für jede künftige Unternehmung auf Frankreich ſelbſt gebildet. Beaurain hatte daran ge- dacht, Toulon für den Kaiſer in Stand zu ſetzen: es fehlte ihm aber an allen Mitteln. 2 Um ſo eifriger machte man ſich an die Belagerung von Marſeille. 1 Guicciardini ſagt zwar XIV, 448: Borbone constante- mente ricusò di riconoscere il re d’Inghilterra. Es iſt aber nichts deſto minder gewiß, daß er den Eid leiſtete, wie dieß Herbert an- giebt (p. 133) und wir aus einem Schreiben de Praet’s bei Hor- mayr (p. 27) unzweifelhaft entnehmen. Auch war der Koͤnig von England noch ſehr mit der Unternehmung einverſtanden. Richard Pace erzaͤhlte dem Venezianer Suriano, daß ihm ſein Koͤnig noch durch ein Schreiben vom 28ſten Juni ermaͤchtigt, Bourbon in ſeinem Vorhaben zu beſtaͤrken, ja daß ſich der Cardinal Wolſey noch un- term 14ten September erboten habe eine Landung verſuchen zu laſ- ſen, wenn ſie zu etwas helfen koͤnne. Wenn Pace nicht alle Raten richtig gezahlt hatte, ſo entſchuldigte er ſich damit, daß das auch der Kaiſer nicht immer gethan habe. Indeſſen wiſſen wir, daß John Ruſſel 20000 Pf. noch in das Lager vor Marſeille brachte. Daß Pace hier ſehr aufrichtig zu Werke gieng, laͤßt ſich daraus abneh- men, daß er doch bei alle dem ſchon einen gewiſſen Verdacht gegen den guten Willen des Cardinals aͤußert, der ein ſchlechter Menſch ſey — attenta la pessima natura del ditto Cardenal. — Wie dem auch ſeyn mag, ſo iſt es offenbar, daß man den Ausgang der Unter- nehmung in England mit Spannung erwartete. Erkannte doch Bour- bon keinen andern Koͤnig an als eben Heinrich VIII. 2 Schreiben bei Hormayr a. a. O.: er meinte, er wuͤrde das mit 10000 Duc. bewerkſtelligen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/310>, abgerufen am 27.11.2024.