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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
reich selbst jedoch hatte er keinerlei Vortheil abgewonnen:
sein Anfall war vollkommen zurückgeschlagen worden. Den-
noch forderte er hartnäckig und gebieterisch die Herausgabe
von Burgund. Weder die Krankheit, in welche der Kö-
nig aus Mißmuth verfiel, noch die Unterhandlung seiner
Schwester, die deshalb nach Spanien gereist war, noch
die Deductionen seiner Räthe, machten auf Carl den min-
desten Eindruck. 1 Auf keine Entschädigung wollte er sich
einlassen, er forderte das Stammgut zurück, wovon er Na-
men und Wappen trage. Dazu aber war doch sein Sieg
lange nicht vollständig genug. Das Prinzip der Einheit
und Nationalität, das sich in Frankreich mächtig und mäch-
tiger erhob, hatte sich selbst bei dem Abfall des Conneta-
bel unverletzt erhalten: von dem Verlust in Italien ward
es wenig berührt. So sehr die Mutter des Königs die
Rückkunft ihres Sohnes wünschte, so sagte sie doch, es
sey besser, er bleibe ewig in Gefangenschaft, als daß das
Reich zerstückelt werde.

Ein reiner Begriff von Sittlichkeit und Würde hätte
nun wohl auch den König veranlassen sollen, lieber seine
Gefangenschaft zu erdulden, als auf Bedingungen ein-
zugehn, welche er im Voraus entschlossen war nicht zu
halten. Allein das hieß zu viel von ihm fordern: er
fand seinen Zustand unerträglich und wollte um jeden
Preis frei seyn.

Endlich am 14ten Januar unterzeichnete er die ihm

1 Aus der Refutatio apologiae p. 877 sehen wir, daß es den
Kaiser verdroß, daß die Herzogin von Alencon eine Rücksicht auf die
Machinationen in Italien, nicht einmal alle das zugestehn wollte,
wozu der König sich früher selbst erboten: hauptsächlich, daß sie ihm
zur Flucht behülflich seyn wollte.

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
reich ſelbſt jedoch hatte er keinerlei Vortheil abgewonnen:
ſein Anfall war vollkommen zurückgeſchlagen worden. Den-
noch forderte er hartnäckig und gebieteriſch die Herausgabe
von Burgund. Weder die Krankheit, in welche der Kö-
nig aus Mißmuth verfiel, noch die Unterhandlung ſeiner
Schweſter, die deshalb nach Spanien gereiſt war, noch
die Deductionen ſeiner Räthe, machten auf Carl den min-
deſten Eindruck. 1 Auf keine Entſchädigung wollte er ſich
einlaſſen, er forderte das Stammgut zurück, wovon er Na-
men und Wappen trage. Dazu aber war doch ſein Sieg
lange nicht vollſtändig genug. Das Prinzip der Einheit
und Nationalität, das ſich in Frankreich mächtig und mäch-
tiger erhob, hatte ſich ſelbſt bei dem Abfall des Conneta-
bel unverletzt erhalten: von dem Verluſt in Italien ward
es wenig berührt. So ſehr die Mutter des Königs die
Rückkunft ihres Sohnes wünſchte, ſo ſagte ſie doch, es
ſey beſſer, er bleibe ewig in Gefangenſchaft, als daß das
Reich zerſtückelt werde.

Ein reiner Begriff von Sittlichkeit und Würde hätte
nun wohl auch den König veranlaſſen ſollen, lieber ſeine
Gefangenſchaft zu erdulden, als auf Bedingungen ein-
zugehn, welche er im Voraus entſchloſſen war nicht zu
halten. Allein das hieß zu viel von ihm fordern: er
fand ſeinen Zuſtand unerträglich und wollte um jeden
Preis frei ſeyn.

Endlich am 14ten Januar unterzeichnete er die ihm

1 Aus der Refutatio apologiae p. 877 ſehen wir, daß es den
Kaiſer verdroß, daß die Herzogin von Alençon eine Ruͤckſicht auf die
Machinationen in Italien, nicht einmal alle das zugeſtehn wollte,
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[338/0348] Viertes Buch. Erſtes Capitel. reich ſelbſt jedoch hatte er keinerlei Vortheil abgewonnen: ſein Anfall war vollkommen zurückgeſchlagen worden. Den- noch forderte er hartnäckig und gebieteriſch die Herausgabe von Burgund. Weder die Krankheit, in welche der Kö- nig aus Mißmuth verfiel, noch die Unterhandlung ſeiner Schweſter, die deshalb nach Spanien gereiſt war, noch die Deductionen ſeiner Räthe, machten auf Carl den min- deſten Eindruck. 1 Auf keine Entſchädigung wollte er ſich einlaſſen, er forderte das Stammgut zurück, wovon er Na- men und Wappen trage. Dazu aber war doch ſein Sieg lange nicht vollſtändig genug. Das Prinzip der Einheit und Nationalität, das ſich in Frankreich mächtig und mäch- tiger erhob, hatte ſich ſelbſt bei dem Abfall des Conneta- bel unverletzt erhalten: von dem Verluſt in Italien ward es wenig berührt. So ſehr die Mutter des Königs die Rückkunft ihres Sohnes wünſchte, ſo ſagte ſie doch, es ſey beſſer, er bleibe ewig in Gefangenſchaft, als daß das Reich zerſtückelt werde. Ein reiner Begriff von Sittlichkeit und Würde hätte nun wohl auch den König veranlaſſen ſollen, lieber ſeine Gefangenſchaft zu erdulden, als auf Bedingungen ein- zugehn, welche er im Voraus entſchloſſen war nicht zu halten. Allein das hieß zu viel von ihm fordern: er fand ſeinen Zuſtand unerträglich und wollte um jeden Preis frei ſeyn. Endlich am 14ten Januar unterzeichnete er die ihm 1 Aus der Refutatio apologiae p. 877 ſehen wir, daß es den Kaiſer verdroß, daß die Herzogin von Alençon eine Ruͤckſicht auf die Machinationen in Italien, nicht einmal alle das zugeſtehn wollte, wozu der Koͤnig ſich fruͤher ſelbſt erboten: hauptſaͤchlich, daß ſie ihm zur Flucht behuͤlflich ſeyn wollte.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/348>, abgerufen am 27.11.2024.