den Antrag der Fürsten gaben Nürnberg, Straßburg, Augs- burg und Ulm nunmehr eingehende Antworten.
Die Verwickelung war höchst sonderbar. Indem der Papst den Kaiser in Italien aus allen Kräften angriff, ihm einen europäischen Krieg erweckte, sollte die kaiserliche Macht noch einmal dienen, die Autorität des päpstlichen Stuhles in Deutschland aufrecht zu erhalten.
In der That aber: ein solches Verhältniß widerstrei- tet zu sehr der Natur und dem Gange der menschlichen Dinge, als daß es sich hätte behaupten sollen.
Schon glaubte man in Deutschland nicht mehr an den Ernst der in der Instruction ausgesprochenen Meinung. So sehr man hier auch mit seinen innern Angelegenheiten beschäftigt war, so wußte man doch auch von dem Bunde zu Cognac, von den Irrungen zwischen Papst und Kaiser. Zuerst die Städte bemerkten wie weit zurück das Datum der Instruction liege. Damals freilich seyen Kaiser und Papst noch einverstanden gewesen, allein jetzt liege das Kriegsvolk des Papstes wider den Kaiser zu Felde. Man sage wohl, jede Verbesserung müsse einem allgemeinen Concilium vorbehalten bleiben: aber wie lasse sich unter den obwaltenden Umständen ein solches noch abwarten. Wäre der Kaiser zugegen, so würde er selbst sehen, daß man sein Edict nicht beobachten könnte, wenn man auch wollte.
Man erzählte sich, an Frau Margaretha in den Nieder- landen sey bereits die Weisung gelangt, in Sachen des Evan- geliums "säuberlich zu thun."
In der Überzeugung, mit der eigentlichen Meinung des Kaisers zusammenzutreffen, trugen deshalb die Städte
Reichstag zu Speier 1526.
den Antrag der Fürſten gaben Nürnberg, Straßburg, Augs- burg und Ulm nunmehr eingehende Antworten.
Die Verwickelung war höchſt ſonderbar. Indem der Papſt den Kaiſer in Italien aus allen Kräften angriff, ihm einen europäiſchen Krieg erweckte, ſollte die kaiſerliche Macht noch einmal dienen, die Autorität des päpſtlichen Stuhles in Deutſchland aufrecht zu erhalten.
In der That aber: ein ſolches Verhältniß widerſtrei- tet zu ſehr der Natur und dem Gange der menſchlichen Dinge, als daß es ſich hätte behaupten ſollen.
Schon glaubte man in Deutſchland nicht mehr an den Ernſt der in der Inſtruction ausgeſprochenen Meinung. So ſehr man hier auch mit ſeinen innern Angelegenheiten beſchäftigt war, ſo wußte man doch auch von dem Bunde zu Cognac, von den Irrungen zwiſchen Papſt und Kaiſer. Zuerſt die Städte bemerkten wie weit zurück das Datum der Inſtruction liege. Damals freilich ſeyen Kaiſer und Papſt noch einverſtanden geweſen, allein jetzt liege das Kriegsvolk des Papſtes wider den Kaiſer zu Felde. Man ſage wohl, jede Verbeſſerung müſſe einem allgemeinen Concilium vorbehalten bleiben: aber wie laſſe ſich unter den obwaltenden Umſtänden ein ſolches noch abwarten. Wäre der Kaiſer zugegen, ſo würde er ſelbſt ſehen, daß man ſein Edict nicht beobachten könnte, wenn man auch wollte.
Man erzählte ſich, an Frau Margaretha in den Nieder- landen ſey bereits die Weiſung gelangt, in Sachen des Evan- geliums „ſäuberlich zu thun.“
In der Überzeugung, mit der eigentlichen Meinung des Kaiſers zuſammenzutreffen, trugen deshalb die Städte
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Reichstag zu Speier 1526.
den Antrag der Fürſten gaben Nürnberg, Straßburg, Augs-
burg und Ulm nunmehr eingehende Antworten.
Die Verwickelung war höchſt ſonderbar. Indem der
Papſt den Kaiſer in Italien aus allen Kräften angriff, ihm
einen europäiſchen Krieg erweckte, ſollte die kaiſerliche Macht
noch einmal dienen, die Autorität des päpſtlichen Stuhles
in Deutſchland aufrecht zu erhalten.
In der That aber: ein ſolches Verhältniß widerſtrei-
tet zu ſehr der Natur und dem Gange der menſchlichen
Dinge, als daß es ſich hätte behaupten ſollen.
Schon glaubte man in Deutſchland nicht mehr an
den Ernſt der in der Inſtruction ausgeſprochenen Meinung.
So ſehr man hier auch mit ſeinen innern Angelegenheiten
beſchäftigt war, ſo wußte man doch auch von dem Bunde
zu Cognac, von den Irrungen zwiſchen Papſt und Kaiſer.
Zuerſt die Städte bemerkten wie weit zurück das Datum
der Inſtruction liege. Damals freilich ſeyen Kaiſer und
Papſt noch einverſtanden geweſen, allein jetzt liege das
Kriegsvolk des Papſtes wider den Kaiſer zu Felde. Man
ſage wohl, jede Verbeſſerung müſſe einem allgemeinen
Concilium vorbehalten bleiben: aber wie laſſe ſich unter
den obwaltenden Umſtänden ein ſolches noch abwarten.
Wäre der Kaiſer zugegen, ſo würde er ſelbſt ſehen, daß
man ſein Edict nicht beobachten könnte, wenn man auch
wollte.
Man erzählte ſich, an Frau Margaretha in den Nieder-
landen ſey bereits die Weiſung gelangt, in Sachen des Evan-
geliums „ſäuberlich zu thun.“
In der Überzeugung, mit der eigentlichen Meinung
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/373>, abgerufen am 27.11.2024.
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