Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Viertes Buch. Zweites Capitel. darauf an, eine Gesandtschaft an ihn abzuordnen, um ihmdie Lage der Dinge vorzustellen, ihn zu bitten, entweder nun doch ein National-Concilium zu bewilligen oder we- nigstens von der Forderung abzustehn, daß das Wormser Edict ausgeführt werde. Ihr Vorschlag fand in dem gro- ßen Ausschuß geneigtes Gehör. Auf der Stelle hatte sich hier eine anti-geistliche Mehrheit gebildet. Bei der Bera- thung über die Beschwerden der gemeinen Leute hatte man die Mißbräuche der Geistlichen ihnen zum Trotz als die vornehmste Ursache der Empörung bezeichnet. Jetzt erin- nerte man, das kaiserliche Edict sey nur in so weit ange- nommen worden, als es möglich seyn werde es auszufüh- ren; allein das zeige sich eben unmöglich, Niemand werde sich finden, der es ausgeführt habe, ja der sich nicht ein Gewissen daraus mache, es nach dem Wortlaut zu vollstrecken. 1 Und wie werde man gegen die Türken Hülfe leisten wollen, wenn man sich indeß zu Hause gefährdet sehe? Der große Aus- 1 Daß diese Motive angeführt wurden ergiebt sich aus einem
Entwurfe der Instruction im Dresdner Archive, worin die Bitte so lautet: "der Kaiser wolle die Execution der Peen und Straf dessel- bigen Edictes bis uf ein künftig Concilium in Ruw stehn lassen, Ur- sach es haben die Stennd das Edict nicht anders angenommen dan so vil In müglich, wie die kaiserliche Instruction selbs mit ir bringt, und nachdem Etlichen unmüglich gewesen das Edict zu halten, so seyen sie auch nicht in die Peen gefallen, zum andern so man die Buchstaben besieht, so ist kain Fürst oder Bischof der das Edict ge- hallten oder der nicht ein Entsetzen hat dasselbige ad literam zu hal- ten." Dort folgt dann auch die Instruction selbst. Die Frankfurter Gesandten sagen in einem Schreiben von diesem Reichstag o. D. "So wollen wir auch E. F. W. nicht bergen, daß auch das kais. Edict so ao 21 zu Worms ausgangen, allhie auf diesem Reichstag von Fürsten Grafen Herrn und Stedten hochlich und fast als unmög- lich in allen Puncten zu halten angefochten wird." Viertes Buch. Zweites Capitel. darauf an, eine Geſandtſchaft an ihn abzuordnen, um ihmdie Lage der Dinge vorzuſtellen, ihn zu bitten, entweder nun doch ein National-Concilium zu bewilligen oder we- nigſtens von der Forderung abzuſtehn, daß das Wormſer Edict ausgeführt werde. Ihr Vorſchlag fand in dem gro- ßen Ausſchuß geneigtes Gehör. Auf der Stelle hatte ſich hier eine anti-geiſtliche Mehrheit gebildet. Bei der Bera- thung über die Beſchwerden der gemeinen Leute hatte man die Mißbräuche der Geiſtlichen ihnen zum Trotz als die vornehmſte Urſache der Empörung bezeichnet. Jetzt erin- nerte man, das kaiſerliche Edict ſey nur in ſo weit ange- nommen worden, als es möglich ſeyn werde es auszufüh- ren; allein das zeige ſich eben unmöglich, Niemand werde ſich finden, der es ausgeführt habe, ja der ſich nicht ein Gewiſſen daraus mache, es nach dem Wortlaut zu vollſtrecken. 1 Und wie werde man gegen die Türken Hülfe leiſten wollen, wenn man ſich indeß zu Hauſe gefährdet ſehe? Der große Aus- 1 Daß dieſe Motive angefuͤhrt wurden ergiebt ſich aus einem
Entwurfe der Inſtruction im Dresdner Archive, worin die Bitte ſo lautet: „der Kaiſer wolle die Execution der Peen und Straf deſſel- bigen Edictes bis uf ein kuͤnftig Concilium in Ruw ſtehn laſſen, Ur- ſach es haben die Stennd das Edict nicht anders angenommen dan ſo vil In muͤglich, wie die kaiſerliche Inſtruction ſelbs mit ir bringt, und nachdem Etlichen unmuͤglich geweſen das Edict zu halten, ſo ſeyen ſie auch nicht in die Peen gefallen, zum andern ſo man die Buchſtaben beſieht, ſo iſt kain Fuͤrſt oder Biſchof der das Edict ge- hallten oder der nicht ein Entſetzen hat daſſelbige ad literam zu hal- ten.“ Dort folgt dann auch die Inſtruction ſelbſt. Die Frankfurter Geſandten ſagen in einem Schreiben von dieſem Reichstag o. D. „So wollen wir auch E. F. W. nicht bergen, daß auch das kaiſ. Edict ſo aō 21 zu Worms ausgangen, allhie auf dieſem Reichstag von Fuͤrſten Grafen Herrn und Stedten hochlich und faſt als unmoͤg- lich in allen Puncten zu halten angefochten wird.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0374" n="364"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/> darauf an, eine Geſandtſchaft an ihn abzuordnen, um ihm<lb/> die Lage der Dinge vorzuſtellen, ihn zu bitten, entweder<lb/> nun doch ein National-Concilium zu bewilligen oder we-<lb/> nigſtens von der Forderung abzuſtehn, daß das Wormſer<lb/> Edict ausgeführt werde. Ihr Vorſchlag fand in dem gro-<lb/> ßen Ausſchuß geneigtes Gehör. Auf der Stelle hatte ſich<lb/> hier eine anti-geiſtliche Mehrheit gebildet. Bei der Bera-<lb/> thung über die Beſchwerden der gemeinen Leute hatte man<lb/> die Mißbräuche der Geiſtlichen ihnen zum Trotz als die<lb/> vornehmſte Urſache der Empörung bezeichnet. Jetzt erin-<lb/> nerte man, das kaiſerliche Edict ſey nur in ſo weit ange-<lb/> nommen worden, als es möglich ſeyn werde es auszufüh-<lb/> ren; allein das zeige ſich eben unmöglich, Niemand werde ſich<lb/> finden, der es ausgeführt habe, ja der ſich nicht ein Gewiſſen<lb/> daraus mache, es nach dem Wortlaut zu vollſtrecken. <note place="foot" n="1">Daß dieſe Motive angefuͤhrt wurden ergiebt ſich aus einem<lb/> Entwurfe der Inſtruction im Dresdner Archive, worin die Bitte ſo<lb/> lautet: „der Kaiſer wolle die Execution der Peen und Straf deſſel-<lb/> bigen Edictes bis uf ein kuͤnftig Concilium in Ruw ſtehn laſſen, Ur-<lb/> ſach es haben die Stennd das Edict nicht anders angenommen dan<lb/> ſo vil In muͤglich, wie die kaiſerliche Inſtruction ſelbs mit ir bringt,<lb/> und nachdem Etlichen unmuͤglich geweſen das Edict zu halten, ſo<lb/> ſeyen ſie auch nicht in die Peen gefallen, zum andern ſo man die<lb/> Buchſtaben beſieht, ſo iſt kain Fuͤrſt oder Biſchof der das Edict ge-<lb/> hallten oder der nicht ein Entſetzen hat daſſelbige <hi rendition="#aq">ad literam</hi> zu hal-<lb/> ten.“ Dort folgt dann auch die Inſtruction ſelbſt. Die Frankfurter<lb/> Geſandten ſagen in einem Schreiben von dieſem Reichstag o. D.<lb/> „So wollen wir auch E. F. W. nicht bergen, daß auch das kaiſ.<lb/> Edict ſo <hi rendition="#aq">aō</hi> 21 zu Worms ausgangen, allhie auf dieſem Reichstag<lb/> von Fuͤrſten Grafen Herrn und Stedten hochlich und faſt als unmoͤg-<lb/> lich in allen Puncten zu halten angefochten wird.“</note> Und<lb/> wie werde man gegen die Türken Hülfe leiſten wollen, wenn<lb/> man ſich indeß zu Hauſe gefährdet ſehe? Der große Aus-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [364/0374]
Viertes Buch. Zweites Capitel.
darauf an, eine Geſandtſchaft an ihn abzuordnen, um ihm
die Lage der Dinge vorzuſtellen, ihn zu bitten, entweder
nun doch ein National-Concilium zu bewilligen oder we-
nigſtens von der Forderung abzuſtehn, daß das Wormſer
Edict ausgeführt werde. Ihr Vorſchlag fand in dem gro-
ßen Ausſchuß geneigtes Gehör. Auf der Stelle hatte ſich
hier eine anti-geiſtliche Mehrheit gebildet. Bei der Bera-
thung über die Beſchwerden der gemeinen Leute hatte man
die Mißbräuche der Geiſtlichen ihnen zum Trotz als die
vornehmſte Urſache der Empörung bezeichnet. Jetzt erin-
nerte man, das kaiſerliche Edict ſey nur in ſo weit ange-
nommen worden, als es möglich ſeyn werde es auszufüh-
ren; allein das zeige ſich eben unmöglich, Niemand werde ſich
finden, der es ausgeführt habe, ja der ſich nicht ein Gewiſſen
daraus mache, es nach dem Wortlaut zu vollſtrecken. 1 Und
wie werde man gegen die Türken Hülfe leiſten wollen, wenn
man ſich indeß zu Hauſe gefährdet ſehe? Der große Aus-
1 Daß dieſe Motive angefuͤhrt wurden ergiebt ſich aus einem
Entwurfe der Inſtruction im Dresdner Archive, worin die Bitte ſo
lautet: „der Kaiſer wolle die Execution der Peen und Straf deſſel-
bigen Edictes bis uf ein kuͤnftig Concilium in Ruw ſtehn laſſen, Ur-
ſach es haben die Stennd das Edict nicht anders angenommen dan
ſo vil In muͤglich, wie die kaiſerliche Inſtruction ſelbs mit ir bringt,
und nachdem Etlichen unmuͤglich geweſen das Edict zu halten, ſo
ſeyen ſie auch nicht in die Peen gefallen, zum andern ſo man die
Buchſtaben beſieht, ſo iſt kain Fuͤrſt oder Biſchof der das Edict ge-
hallten oder der nicht ein Entſetzen hat daſſelbige ad literam zu hal-
ten.“ Dort folgt dann auch die Inſtruction ſelbſt. Die Frankfurter
Geſandten ſagen in einem Schreiben von dieſem Reichstag o. D.
„So wollen wir auch E. F. W. nicht bergen, daß auch das kaiſ.
Edict ſo aō 21 zu Worms ausgangen, allhie auf dieſem Reichstag
von Fuͤrſten Grafen Herrn und Stedten hochlich und faſt als unmoͤg-
lich in allen Puncten zu halten angefochten wird.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |