Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Reichstag zu Speier 1526. ten. Sie stellten vor, es werde nicht mehr möglich seyn,die kirchlichen Cerimonien wieder zu vereinigen: -- an manchen Orten habe man sie geändert, an andern alles beim Alten gelassen, jeder glaube, wie er es mache so sey es recht -- unmöglich könne man da mit Gewalt einschreiten, und nichts bleibe übrig, als einen Jeden bei den angenommenen Kirchenbräuchen zu lassen, "bis einmal ein freies Concilium vermöge des göttlichen Wor- tes darin Bestimmung treffe." 1 Ein Vorschlag, der im Grunde der Natur eines Reichstags, welcher die Einheit repräsentirte, und den frühern Reichsschlüssen, welche im- mer allgemein gültige Festsetzungen enthalten hatten, wider- sprach, aber von der Lage der Dinge empfohlen ward. Es war gleich unthunlich, den katholischen Ständen das Worm- ser Edict wieder zu entziehen, und es den evangelischen neuer- dings aufzulegen: -- der Gedanke brach sich Bahn, jeder Landschaft, jedem Reichsstand in Hinsicht der Religion die Autonomie zu gewähren, die sie einmal auszuüben begon- nen hatten. Es war das Leichteste, Ratürlichste: Niemand wußte etwas Besseres anzugeben. Die Triebe der religiö- sen Sonderung, welche seit 1524 hervorgetreten, behiel- ten über die Versuche, die Einheit durch Reform zu be- haupten und fester zu stellen, die Oberhand. Der Aus- schuß beschloß, "jeder Stand möge sich so verhalten wie er es gegen Gott und gegen den Kaiser zu verantworten gedenke," d. i. er möge thun, wie er es selber für rathsam erachte. Diesen Beschluß nahm der Ausschuß in die In- struction für die Gesandtschaft an den Kaiser sogleich mit auf. 1 Eingabe der Städte in den Frankf. AA. Bd 42. Ranke d. Gesch. II. 24
Reichstag zu Speier 1526. ten. Sie ſtellten vor, es werde nicht mehr möglich ſeyn,die kirchlichen Cerimonien wieder zu vereinigen: — an manchen Orten habe man ſie geändert, an andern alles beim Alten gelaſſen, jeder glaube, wie er es mache ſo ſey es recht — unmöglich könne man da mit Gewalt einſchreiten, und nichts bleibe übrig, als einen Jeden bei den angenommenen Kirchenbräuchen zu laſſen, „bis einmal ein freies Concilium vermöge des göttlichen Wor- tes darin Beſtimmung treffe.“ 1 Ein Vorſchlag, der im Grunde der Natur eines Reichstags, welcher die Einheit repräſentirte, und den frühern Reichsſchlüſſen, welche im- mer allgemein gültige Feſtſetzungen enthalten hatten, wider- ſprach, aber von der Lage der Dinge empfohlen ward. Es war gleich unthunlich, den katholiſchen Ständen das Worm- ſer Edict wieder zu entziehen, und es den evangeliſchen neuer- dings aufzulegen: — der Gedanke brach ſich Bahn, jeder Landſchaft, jedem Reichsſtand in Hinſicht der Religion die Autonomie zu gewähren, die ſie einmal auszuüben begon- nen hatten. Es war das Leichteſte, Ratürlichſte: Niemand wußte etwas Beſſeres anzugeben. Die Triebe der religiö- ſen Sonderung, welche ſeit 1524 hervorgetreten, behiel- ten über die Verſuche, die Einheit durch Reform zu be- haupten und feſter zu ſtellen, die Oberhand. Der Aus- ſchuß beſchloß, „jeder Stand möge ſich ſo verhalten wie er es gegen Gott und gegen den Kaiſer zu verantworten gedenke,“ d. i. er möge thun, wie er es ſelber für rathſam erachte. Dieſen Beſchluß nahm der Ausſchuß in die In- ſtruction für die Geſandtſchaft an den Kaiſer ſogleich mit auf. 1 Eingabe der Staͤdte in den Frankf. AA. Bd 42. Ranke d. Geſch. II. 24
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0379" n="369"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reichstag zu Speier</hi> 1526.</fw><lb/> ten. Sie ſtellten vor, es werde nicht mehr möglich ſeyn,<lb/> die kirchlichen Cerimonien wieder zu vereinigen: — an<lb/> manchen Orten habe man ſie geändert, an andern alles<lb/> beim Alten gelaſſen, jeder glaube, wie er es mache ſo<lb/> ſey es recht — unmöglich könne man da mit Gewalt<lb/> einſchreiten, und nichts bleibe übrig, als einen Jeden<lb/> bei den angenommenen Kirchenbräuchen zu laſſen, „bis<lb/> einmal ein freies Concilium vermöge des göttlichen Wor-<lb/> tes darin Beſtimmung treffe.“ <note place="foot" n="1">Eingabe der Staͤdte in den Frankf. AA. Bd 42.</note> Ein Vorſchlag, der im<lb/> Grunde der Natur eines Reichstags, welcher die Einheit<lb/> repräſentirte, und den frühern Reichsſchlüſſen, welche im-<lb/> mer allgemein gültige Feſtſetzungen enthalten hatten, wider-<lb/> ſprach, aber von der Lage der Dinge empfohlen ward. Es<lb/> war gleich unthunlich, den katholiſchen Ständen das Worm-<lb/> ſer Edict wieder zu entziehen, und es den evangeliſchen neuer-<lb/> dings aufzulegen: — der Gedanke brach ſich Bahn, jeder<lb/> Landſchaft, jedem Reichsſtand in Hinſicht der Religion die<lb/> Autonomie zu gewähren, die ſie einmal auszuüben begon-<lb/> nen hatten. Es war das Leichteſte, Ratürlichſte: Niemand<lb/> wußte etwas Beſſeres anzugeben. Die Triebe der religiö-<lb/> ſen Sonderung, welche ſeit 1524 hervorgetreten, behiel-<lb/> ten über die Verſuche, die Einheit durch Reform zu be-<lb/> haupten und feſter zu ſtellen, die Oberhand. Der Aus-<lb/> ſchuß beſchloß, „jeder Stand möge ſich ſo verhalten wie<lb/> er es gegen Gott und gegen den Kaiſer zu verantworten<lb/> gedenke,“ d. i. er möge thun, wie er es ſelber für rathſam<lb/> erachte. Dieſen Beſchluß nahm der Ausſchuß in die In-<lb/> ſtruction für die Geſandtſchaft an den Kaiſer ſogleich mit auf.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Ranke d. Geſch. <hi rendition="#aq">II.</hi> 24</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [369/0379]
Reichstag zu Speier 1526.
ten. Sie ſtellten vor, es werde nicht mehr möglich ſeyn,
die kirchlichen Cerimonien wieder zu vereinigen: — an
manchen Orten habe man ſie geändert, an andern alles
beim Alten gelaſſen, jeder glaube, wie er es mache ſo
ſey es recht — unmöglich könne man da mit Gewalt
einſchreiten, und nichts bleibe übrig, als einen Jeden
bei den angenommenen Kirchenbräuchen zu laſſen, „bis
einmal ein freies Concilium vermöge des göttlichen Wor-
tes darin Beſtimmung treffe.“ 1 Ein Vorſchlag, der im
Grunde der Natur eines Reichstags, welcher die Einheit
repräſentirte, und den frühern Reichsſchlüſſen, welche im-
mer allgemein gültige Feſtſetzungen enthalten hatten, wider-
ſprach, aber von der Lage der Dinge empfohlen ward. Es
war gleich unthunlich, den katholiſchen Ständen das Worm-
ſer Edict wieder zu entziehen, und es den evangeliſchen neuer-
dings aufzulegen: — der Gedanke brach ſich Bahn, jeder
Landſchaft, jedem Reichsſtand in Hinſicht der Religion die
Autonomie zu gewähren, die ſie einmal auszuüben begon-
nen hatten. Es war das Leichteſte, Ratürlichſte: Niemand
wußte etwas Beſſeres anzugeben. Die Triebe der religiö-
ſen Sonderung, welche ſeit 1524 hervorgetreten, behiel-
ten über die Verſuche, die Einheit durch Reform zu be-
haupten und feſter zu ſtellen, die Oberhand. Der Aus-
ſchuß beſchloß, „jeder Stand möge ſich ſo verhalten wie
er es gegen Gott und gegen den Kaiſer zu verantworten
gedenke,“ d. i. er möge thun, wie er es ſelber für rathſam
erachte. Dieſen Beſchluß nahm der Ausſchuß in die In-
ſtruction für die Geſandtſchaft an den Kaiſer ſogleich mit auf.
1 Eingabe der Staͤdte in den Frankf. AA. Bd 42.
Ranke d. Geſch. II. 24
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |