Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Drittes Capitel.
das Geleite, drei Meilen bis zum hohen Gebirg. Nur
wenige Pferde konnte man mitnehmen: von diesen stürzten
dennoch einige die Klüfte hinab: auch von den Leuten stürz-
ten einige hinunter: Keiner durfte seine Blicke abwärts
wenden. Den Feldhauptmann nahmen einige sichre Knechte
in die Mitte: mit ihren langen Spießen bildeten sie an
den gefährlichsten Stellen wie ein Geländer zu seiner Seite:
er faßte dann wohl den Vordermann an dem Goller, der
Hintermann schob ihn: so gelangten sie des Abends nach
Aa, am 18ten nach Sabbio: Widerstand fanden sie nicht:
am 19ten erschienen sie an dem Fuß des Gebirges, bei
dem Markt Gavardo im Gebiet von Brescia. Eben gien-
gen ihre Lebensmittel aus: hier aber fanden sie guten Far-
natzer Wein, 8000 Stück Vieh trieben sie zusammen, und
thaten sich nach langer Entbehrung gütlich. 1

Ihre Absicht wäre gewesen, sich nun unmittelbar mit
dem Heere in Mailand zu vereinigen. Aber viel zu stark
war der Feind im Felde, als daß er das zugegeben hätte.
Der Oberbefehlshaber der Liga, Herzog von Urbino erschien
mit seinen Halbhacken in ihrer rechten Flanke und hielt sie
vom Oglio entfernt. Sie konnten nicht daran denken, irgend
eine von den benachbarten Städten anzugreifen: alle waren
in zu gutem Vertheidigungszustand, und sie dagegen ohne
Geschütz: es blieb ihnen nichts übrig, als der Versuch,
über den Po zu kommen, wo der Feind nicht so stark war
und sich Bourbon mit der Zeit mit ihnen vereinigen konnte. 2

1 Reisner Frundsberge 86. Thun bei Hormayr 428.
2 Bourbon hatte ihm geschrieben, er könne ihm den Weg nicht
angeben: Frundsberg war entschlossen im Nothfall zu schlagen, doch
sich sonst "in keine Gefährlichkeit zu stellen." Schreiben bei H. 424.

Viertes Buch. Drittes Capitel.
das Geleite, drei Meilen bis zum hohen Gebirg. Nur
wenige Pferde konnte man mitnehmen: von dieſen ſtürzten
dennoch einige die Klüfte hinab: auch von den Leuten ſtürz-
ten einige hinunter: Keiner durfte ſeine Blicke abwärts
wenden. Den Feldhauptmann nahmen einige ſichre Knechte
in die Mitte: mit ihren langen Spießen bildeten ſie an
den gefährlichſten Stellen wie ein Geländer zu ſeiner Seite:
er faßte dann wohl den Vordermann an dem Goller, der
Hintermann ſchob ihn: ſo gelangten ſie des Abends nach
Aa, am 18ten nach Sabbio: Widerſtand fanden ſie nicht:
am 19ten erſchienen ſie an dem Fuß des Gebirges, bei
dem Markt Gavardo im Gebiet von Brescia. Eben gien-
gen ihre Lebensmittel aus: hier aber fanden ſie guten Far-
natzer Wein, 8000 Stück Vieh trieben ſie zuſammen, und
thaten ſich nach langer Entbehrung gütlich. 1

Ihre Abſicht wäre geweſen, ſich nun unmittelbar mit
dem Heere in Mailand zu vereinigen. Aber viel zu ſtark
war der Feind im Felde, als daß er das zugegeben hätte.
Der Oberbefehlshaber der Liga, Herzog von Urbino erſchien
mit ſeinen Halbhacken in ihrer rechten Flanke und hielt ſie
vom Oglio entfernt. Sie konnten nicht daran denken, irgend
eine von den benachbarten Städten anzugreifen: alle waren
in zu gutem Vertheidigungszuſtand, und ſie dagegen ohne
Geſchütz: es blieb ihnen nichts übrig, als der Verſuch,
über den Po zu kommen, wo der Feind nicht ſo ſtark war
und ſich Bourbon mit der Zeit mit ihnen vereinigen konnte. 2

1 Reisner Frundsberge 86. Thun bei Hormayr 428.
2 Bourbon hatte ihm geſchrieben, er koͤnne ihm den Weg nicht
angeben: Frundsberg war entſchloſſen im Nothfall zu ſchlagen, doch
ſich ſonſt „in keine Gefaͤhrlichkeit zu ſtellen.“ Schreiben bei H. 424.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0390" n="380"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
das Geleite, drei Meilen bis zum hohen Gebirg. Nur<lb/>
wenige Pferde konnte man mitnehmen: von die&#x017F;en &#x017F;türzten<lb/>
dennoch einige die Klüfte hinab: auch von den Leuten &#x017F;türz-<lb/>
ten einige hinunter: Keiner durfte &#x017F;eine Blicke abwärts<lb/>
wenden. Den Feldhauptmann nahmen einige &#x017F;ichre Knechte<lb/>
in die Mitte: mit ihren langen Spießen bildeten &#x017F;ie an<lb/>
den gefährlich&#x017F;ten Stellen wie ein Geländer zu &#x017F;einer Seite:<lb/>
er faßte dann wohl den Vordermann an dem Goller, der<lb/>
Hintermann &#x017F;chob ihn: &#x017F;o gelangten &#x017F;ie des Abends nach<lb/>
Aa, am 18ten nach Sabbio: Wider&#x017F;tand fanden &#x017F;ie nicht:<lb/>
am 19ten er&#x017F;chienen &#x017F;ie an dem Fuß des Gebirges, bei<lb/>
dem Markt Gavardo im Gebiet von Brescia. Eben gien-<lb/>
gen ihre Lebensmittel aus: hier aber fanden &#x017F;ie guten Far-<lb/>
natzer Wein, 8000 Stück Vieh trieben &#x017F;ie zu&#x017F;ammen, und<lb/>
thaten &#x017F;ich nach langer Entbehrung gütlich. <note place="foot" n="1">Reisner Frundsberge 86. Thun bei Hormayr 428.</note></p><lb/>
          <p>Ihre Ab&#x017F;icht wäre gewe&#x017F;en, &#x017F;ich nun unmittelbar mit<lb/>
dem Heere in Mailand zu vereinigen. Aber viel zu &#x017F;tark<lb/>
war der Feind im Felde, als daß er das zugegeben hätte.<lb/>
Der Oberbefehlshaber der Liga, Herzog von Urbino er&#x017F;chien<lb/>
mit &#x017F;einen Halbhacken in ihrer rechten Flanke und hielt &#x017F;ie<lb/>
vom Oglio entfernt. Sie konnten nicht daran denken, irgend<lb/>
eine von den benachbarten Städten anzugreifen: alle waren<lb/>
in zu gutem Vertheidigungszu&#x017F;tand, und &#x017F;ie dagegen ohne<lb/>
Ge&#x017F;chütz: es blieb ihnen nichts übrig, als der Ver&#x017F;uch,<lb/>
über den Po zu kommen, wo der Feind nicht &#x017F;o &#x017F;tark war<lb/>
und &#x017F;ich Bourbon mit der Zeit mit ihnen vereinigen konnte. <note place="foot" n="2">Bourbon hatte ihm ge&#x017F;chrieben, er ko&#x0364;nne ihm den Weg nicht<lb/>
angeben: Frundsberg war ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en im Nothfall zu &#x017F;chlagen, doch<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t &#x201E;in keine Gefa&#x0364;hrlichkeit zu &#x017F;tellen.&#x201C; Schreiben bei H. 424.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0390] Viertes Buch. Drittes Capitel. das Geleite, drei Meilen bis zum hohen Gebirg. Nur wenige Pferde konnte man mitnehmen: von dieſen ſtürzten dennoch einige die Klüfte hinab: auch von den Leuten ſtürz- ten einige hinunter: Keiner durfte ſeine Blicke abwärts wenden. Den Feldhauptmann nahmen einige ſichre Knechte in die Mitte: mit ihren langen Spießen bildeten ſie an den gefährlichſten Stellen wie ein Geländer zu ſeiner Seite: er faßte dann wohl den Vordermann an dem Goller, der Hintermann ſchob ihn: ſo gelangten ſie des Abends nach Aa, am 18ten nach Sabbio: Widerſtand fanden ſie nicht: am 19ten erſchienen ſie an dem Fuß des Gebirges, bei dem Markt Gavardo im Gebiet von Brescia. Eben gien- gen ihre Lebensmittel aus: hier aber fanden ſie guten Far- natzer Wein, 8000 Stück Vieh trieben ſie zuſammen, und thaten ſich nach langer Entbehrung gütlich. 1 Ihre Abſicht wäre geweſen, ſich nun unmittelbar mit dem Heere in Mailand zu vereinigen. Aber viel zu ſtark war der Feind im Felde, als daß er das zugegeben hätte. Der Oberbefehlshaber der Liga, Herzog von Urbino erſchien mit ſeinen Halbhacken in ihrer rechten Flanke und hielt ſie vom Oglio entfernt. Sie konnten nicht daran denken, irgend eine von den benachbarten Städten anzugreifen: alle waren in zu gutem Vertheidigungszuſtand, und ſie dagegen ohne Geſchütz: es blieb ihnen nichts übrig, als der Verſuch, über den Po zu kommen, wo der Feind nicht ſo ſtark war und ſich Bourbon mit der Zeit mit ihnen vereinigen konnte. 2 1 Reisner Frundsberge 86. Thun bei Hormayr 428. 2 Bourbon hatte ihm geſchrieben, er koͤnne ihm den Weg nicht angeben: Frundsberg war entſchloſſen im Nothfall zu ſchlagen, doch ſich ſonſt „in keine Gefaͤhrlichkeit zu ſtellen.“ Schreiben bei H. 424.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/390
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/390>, abgerufen am 20.05.2024.