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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Drittes Capitel.
in Rom krönen zu lassen, was ihm zum Frieden mit dem
Papst und zur Unterwerfung der Fürsten sehr nützlich seyn
werde; von sich selbst versicherte er, seine Absicht sey nur,
den Papst zu einem Darlehn für die Besoldung der Trup-
pen zu nöthigen, und die Krönung des Kaisers vorzube-
reiten. Man sieht er fühlte sich ganz als ein Soldat des
Kaisers: mit dem siegreichen und befriedigten Heer dachte
er Rom besetzt zu halten, und seinem Herrn das Ansehn
eines alten Kaisers zu verschaffen.

Merkwürdigerweise neigte auch die Meinung eines
Theils der Bevölkerung innerhalb der Mauern dahin. Rom
hatte keine feste, durch ererbte Rechte zusammengehaltene
Bürgerschaft, wie damals vielleicht alle andern Städte in
Europa: die Einwohner waren großentheils erst in den letz-
ten Jahren eingewandert. Sie lebten von den Geschäf-
ten am Hofe. Da dessen Ansehn und Einkommen Schlag
auf Schlag abnahm, so hätten sie es so übel nicht gefun-
den, wenn die Regierung der Priester durch die Hofhaltung
eines mächtigen Kaisers verdrängt worden wäre, die ihnen
dieselben Vortheile gewährt hätte. 1

In der Frühe des 6ten Mai, es war ein nebliger Mor-
gen, schritten die Kaiserlichen zum Angriff wider die Mauern
welche den Vatican umgaben. Sie hatten eine Anzahl von
Sturmleitern aus den Gattern der Gärten, die man mit
Weidenruthen an einander band, zu Stande gebracht. Ober-
halb des Thores Sti. Spirito griffen die Spanier, unter-

1 Vettori: Sacco di Roma, scritto in dialogo. Gli Romani
si persuadevano che l'imperatore avessi a pigliare Roma e farvi
la sua residenza, e dovere avere quelle medesime comodita e
utile che avevano dal dominio de' preti.

Viertes Buch. Drittes Capitel.
in Rom krönen zu laſſen, was ihm zum Frieden mit dem
Papſt und zur Unterwerfung der Fürſten ſehr nützlich ſeyn
werde; von ſich ſelbſt verſicherte er, ſeine Abſicht ſey nur,
den Papſt zu einem Darlehn für die Beſoldung der Trup-
pen zu nöthigen, und die Krönung des Kaiſers vorzube-
reiten. Man ſieht er fühlte ſich ganz als ein Soldat des
Kaiſers: mit dem ſiegreichen und befriedigten Heer dachte
er Rom beſetzt zu halten, und ſeinem Herrn das Anſehn
eines alten Kaiſers zu verſchaffen.

Merkwürdigerweiſe neigte auch die Meinung eines
Theils der Bevölkerung innerhalb der Mauern dahin. Rom
hatte keine feſte, durch ererbte Rechte zuſammengehaltene
Bürgerſchaft, wie damals vielleicht alle andern Städte in
Europa: die Einwohner waren großentheils erſt in den letz-
ten Jahren eingewandert. Sie lebten von den Geſchäf-
ten am Hofe. Da deſſen Anſehn und Einkommen Schlag
auf Schlag abnahm, ſo hätten ſie es ſo übel nicht gefun-
den, wenn die Regierung der Prieſter durch die Hofhaltung
eines mächtigen Kaiſers verdrängt worden wäre, die ihnen
dieſelben Vortheile gewährt hätte. 1

In der Frühe des 6ten Mai, es war ein nebliger Mor-
gen, ſchritten die Kaiſerlichen zum Angriff wider die Mauern
welche den Vatican umgaben. Sie hatten eine Anzahl von
Sturmleitern aus den Gattern der Gärten, die man mit
Weidenruthen an einander band, zu Stande gebracht. Ober-
halb des Thores Sti. Spirito griffen die Spanier, unter-

1 Vettori: Sacco di Roma, scritto in dialogo. Gli Romani
si persuadevano che l’imperatore avessi a pigliare Roma e farvi
la sua residenza, e dovere avere quelle medesime comodità e
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[394/0404] Viertes Buch. Drittes Capitel. in Rom krönen zu laſſen, was ihm zum Frieden mit dem Papſt und zur Unterwerfung der Fürſten ſehr nützlich ſeyn werde; von ſich ſelbſt verſicherte er, ſeine Abſicht ſey nur, den Papſt zu einem Darlehn für die Beſoldung der Trup- pen zu nöthigen, und die Krönung des Kaiſers vorzube- reiten. Man ſieht er fühlte ſich ganz als ein Soldat des Kaiſers: mit dem ſiegreichen und befriedigten Heer dachte er Rom beſetzt zu halten, und ſeinem Herrn das Anſehn eines alten Kaiſers zu verſchaffen. Merkwürdigerweiſe neigte auch die Meinung eines Theils der Bevölkerung innerhalb der Mauern dahin. Rom hatte keine feſte, durch ererbte Rechte zuſammengehaltene Bürgerſchaft, wie damals vielleicht alle andern Städte in Europa: die Einwohner waren großentheils erſt in den letz- ten Jahren eingewandert. Sie lebten von den Geſchäf- ten am Hofe. Da deſſen Anſehn und Einkommen Schlag auf Schlag abnahm, ſo hätten ſie es ſo übel nicht gefun- den, wenn die Regierung der Prieſter durch die Hofhaltung eines mächtigen Kaiſers verdrängt worden wäre, die ihnen dieſelben Vortheile gewährt hätte. 1 In der Frühe des 6ten Mai, es war ein nebliger Mor- gen, ſchritten die Kaiſerlichen zum Angriff wider die Mauern welche den Vatican umgaben. Sie hatten eine Anzahl von Sturmleitern aus den Gattern der Gärten, die man mit Weidenruthen an einander band, zu Stande gebracht. Ober- halb des Thores Sti. Spirito griffen die Spanier, unter- 1 Vettori: Sacco di Roma, scritto in dialogo. Gli Romani si persuadevano che l’imperatore avessi a pigliare Roma e farvi la sua residenza, e dovere avere quelle medesime comodità e utile che avevano dal dominio de’ preti.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/404>, abgerufen am 27.11.2024.