Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Eroberung von Rom.
halb desselben die Deutschen an: unter den Spaniern Bour-
bon selbst. Die Mauern waren nur niedrig, die Ver-
schanzungen in der Eile aufgeworfen: das päpstliche Ge-
schütz that keine rechte Wirkung; einen einzigen großen
Verlust erlitten die Kaiserlichen: Bourbon selbst fiel im
ersten Anlauf durch den Schuß einer Hakenbüchse; 1 er war
nur bestimmt gewesen, das Ereigniß bis auf den Punct
zu führen, wo es seinem eignen innern Antrieb über-
lassen werden konnte; über ihn dahin gieng es nun sei-
nen Lauf weiter. In Kurzem waren die Verschanzungen
überwältigt; hierauf wurden die Leitern angelegt; unter den
Ersten erstieg Claus Seidensticker, sein großes Schlacht-
schwerd in der Hand, die Mauern; dann sprang Michael
Hartmann mit einigen Gefährten hinab; sie hatten so we-
nig nachhaltigen Widerstand gefunden, daß sie selbst kaum
wußten, wie sie hinübergekommen: in ihrem evangelischen
Eifer meinten sie, Gott sey ihnen im Nebel vorangegan-
gen. Leicht war das päpstliche Geschütz genommen, das
Thor für den nachdringenden Haufen eröffnet: ein paar
hundert Schweizer, die sich auch hier den Landsknechten
gegenüber finden ließen, wurden ohne Mühe zurückgewor-
fen: der Borgo war erobert, ehe der Papst recht wußte
daß der Angriff begonnen: er hatte nur eben noch so viel
Zeit, um nach der Engelsburg zu flüchten. 2


1 Nach dem Ferrarischen Schreiben bei Hormayr 437 fiel
Bourbon als der erste oder der dritte: eine Musketenkugel zerriß ihm
Rippen und Eingeweide, in einer halben Stunde war er todt.
2 Vettori Storia d'Italia erzählt, was er erfuhr, folgender-
gestalt. La mattina delli sei appresento (Borbone) la battaglia
tra il portone del borgo, che e drieto alla casa del Cl Cesis, e
quello di S. Spirito, dove ne' piu di luoghi non e muro, ma

Eroberung von Rom.
halb deſſelben die Deutſchen an: unter den Spaniern Bour-
bon ſelbſt. Die Mauern waren nur niedrig, die Ver-
ſchanzungen in der Eile aufgeworfen: das päpſtliche Ge-
ſchütz that keine rechte Wirkung; einen einzigen großen
Verluſt erlitten die Kaiſerlichen: Bourbon ſelbſt fiel im
erſten Anlauf durch den Schuß einer Hakenbüchſe; 1 er war
nur beſtimmt geweſen, das Ereigniß bis auf den Punct
zu führen, wo es ſeinem eignen innern Antrieb über-
laſſen werden konnte; über ihn dahin gieng es nun ſei-
nen Lauf weiter. In Kurzem waren die Verſchanzungen
überwältigt; hierauf wurden die Leitern angelegt; unter den
Erſten erſtieg Claus Seidenſticker, ſein großes Schlacht-
ſchwerd in der Hand, die Mauern; dann ſprang Michael
Hartmann mit einigen Gefährten hinab; ſie hatten ſo we-
nig nachhaltigen Widerſtand gefunden, daß ſie ſelbſt kaum
wußten, wie ſie hinübergekommen: in ihrem evangeliſchen
Eifer meinten ſie, Gott ſey ihnen im Nebel vorangegan-
gen. Leicht war das päpſtliche Geſchütz genommen, das
Thor für den nachdringenden Haufen eröffnet: ein paar
hundert Schweizer, die ſich auch hier den Landsknechten
gegenüber finden ließen, wurden ohne Mühe zurückgewor-
fen: der Borgo war erobert, ehe der Papſt recht wußte
daß der Angriff begonnen: er hatte nur eben noch ſo viel
Zeit, um nach der Engelsburg zu flüchten. 2


1 Nach dem Ferrariſchen Schreiben bei Hormayr 437 fiel
Bourbon als der erſte oder der dritte: eine Musketenkugel zerriß ihm
Rippen und Eingeweide, in einer halben Stunde war er todt.
2 Vettori Storia d’Italia erzaͤhlt, was er erfuhr, folgender-
geſtalt. La mattina delli sei appresentò (Borbone) la battaglia
tra il portone del borgo, che è drieto alla casa del Cl Cesis, e
quello di S. Spirito, dove ne’ piu di luoghi non è muro, ma
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0405" n="395"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Eroberung von Rom</hi>.</fw><lb/>
halb de&#x017F;&#x017F;elben die Deut&#x017F;chen an: unter den Spaniern Bour-<lb/>
bon &#x017F;elb&#x017F;t. Die Mauern waren nur niedrig, die Ver-<lb/>
&#x017F;chanzungen in der Eile aufgeworfen: das päp&#x017F;tliche Ge-<lb/>
&#x017F;chütz that keine rechte Wirkung; einen einzigen großen<lb/>
Verlu&#x017F;t erlitten die Kai&#x017F;erlichen: Bourbon &#x017F;elb&#x017F;t fiel im<lb/>
er&#x017F;ten Anlauf durch den Schuß einer Hakenbüch&#x017F;e; <note place="foot" n="1">Nach dem Ferrari&#x017F;chen Schreiben bei Hormayr 437 fiel<lb/>
Bourbon als der er&#x017F;te oder der dritte: eine Musketenkugel zerriß ihm<lb/>
Rippen und Eingeweide, in einer halben Stunde war er todt.</note> er war<lb/>
nur be&#x017F;timmt gewe&#x017F;en, das Ereigniß bis auf den Punct<lb/>
zu führen, wo es &#x017F;einem eignen innern Antrieb über-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en werden konnte; über ihn dahin gieng es nun &#x017F;ei-<lb/>
nen Lauf weiter. In Kurzem waren die Ver&#x017F;chanzungen<lb/>
überwältigt; hierauf wurden die Leitern angelegt; unter den<lb/>
Er&#x017F;ten er&#x017F;tieg Claus Seiden&#x017F;ticker, &#x017F;ein großes Schlacht-<lb/>
&#x017F;chwerd in der Hand, die Mauern; dann &#x017F;prang Michael<lb/>
Hartmann mit einigen Gefährten hinab; &#x017F;ie hatten &#x017F;o we-<lb/>
nig nachhaltigen Wider&#x017F;tand gefunden, daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t kaum<lb/>
wußten, wie &#x017F;ie hinübergekommen: in ihrem evangeli&#x017F;chen<lb/>
Eifer meinten &#x017F;ie, Gott &#x017F;ey ihnen im Nebel vorangegan-<lb/>
gen. Leicht war das päp&#x017F;tliche Ge&#x017F;chütz genommen, das<lb/>
Thor für den nachdringenden Haufen eröffnet: ein paar<lb/>
hundert Schweizer, die &#x017F;ich auch hier den Landsknechten<lb/>
gegenüber finden ließen, wurden ohne Mühe zurückgewor-<lb/>
fen: der Borgo war erobert, ehe der Pap&#x017F;t recht wußte<lb/>
daß der Angriff begonnen: er hatte nur eben noch &#x017F;o viel<lb/>
Zeit, um nach der Engelsburg zu flüchten. <note xml:id="seg2pn_40_1" next="#seg2pn_40_2" place="foot" n="2">Vettori <hi rendition="#aq">Storia d&#x2019;Italia</hi> erza&#x0364;hlt, was er erfuhr, folgender-<lb/>
ge&#x017F;talt. <hi rendition="#aq">La mattina delli sei appresentò (Borbone) la battaglia<lb/>
tra il portone del borgo, che è drieto alla casa del C<hi rendition="#sup">l</hi> Cesis, e<lb/>
quello di S. Spirito, dove ne&#x2019; piu di luoghi non è muro, ma</hi></note></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0405] Eroberung von Rom. halb deſſelben die Deutſchen an: unter den Spaniern Bour- bon ſelbſt. Die Mauern waren nur niedrig, die Ver- ſchanzungen in der Eile aufgeworfen: das päpſtliche Ge- ſchütz that keine rechte Wirkung; einen einzigen großen Verluſt erlitten die Kaiſerlichen: Bourbon ſelbſt fiel im erſten Anlauf durch den Schuß einer Hakenbüchſe; 1 er war nur beſtimmt geweſen, das Ereigniß bis auf den Punct zu führen, wo es ſeinem eignen innern Antrieb über- laſſen werden konnte; über ihn dahin gieng es nun ſei- nen Lauf weiter. In Kurzem waren die Verſchanzungen überwältigt; hierauf wurden die Leitern angelegt; unter den Erſten erſtieg Claus Seidenſticker, ſein großes Schlacht- ſchwerd in der Hand, die Mauern; dann ſprang Michael Hartmann mit einigen Gefährten hinab; ſie hatten ſo we- nig nachhaltigen Widerſtand gefunden, daß ſie ſelbſt kaum wußten, wie ſie hinübergekommen: in ihrem evangeliſchen Eifer meinten ſie, Gott ſey ihnen im Nebel vorangegan- gen. Leicht war das päpſtliche Geſchütz genommen, das Thor für den nachdringenden Haufen eröffnet: ein paar hundert Schweizer, die ſich auch hier den Landsknechten gegenüber finden ließen, wurden ohne Mühe zurückgewor- fen: der Borgo war erobert, ehe der Papſt recht wußte daß der Angriff begonnen: er hatte nur eben noch ſo viel Zeit, um nach der Engelsburg zu flüchten. 2 1 Nach dem Ferrariſchen Schreiben bei Hormayr 437 fiel Bourbon als der erſte oder der dritte: eine Musketenkugel zerriß ihm Rippen und Eingeweide, in einer halben Stunde war er todt. 2 Vettori Storia d’Italia erzaͤhlt, was er erfuhr, folgender- geſtalt. La mattina delli sei appresentò (Borbone) la battaglia tra il portone del borgo, che è drieto alla casa del Cl Cesis, e quello di S. Spirito, dove ne’ piu di luoghi non è muro, ma

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/405
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/405>, abgerufen am 20.05.2024.