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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Besitznahme von Ungern.

Nicht so leicht noch friedlich jedoch entwickelte sich
die Ungrische Angelegenheit.

Eine gewisse Analogie in religiöser Hinsicht bot auch
Ungern dar. Königin Maria, um welche sich die östrei-
chische Partei sammelte, galt für eine Freundin der neuen
Meinungen: sie hielt die Fasten nicht, las lutherische Schrif-
ten, hatte Anhänger Luthers an ihrem Hof: im November
1526 widmete ihr Luther vier Psalmen zum Trost in ihrem
Unglück. Dagegen nahmen die Zapolyaner eine streng alt-
gläubige Miene an: sie setzten 1525 den Beschluß durch,
daß alle Lutheraner ausgerottet, wo man sie nur finde ver-
brannt werden sollten: ihr Wortführer Verböcz galt bei
den Deutschen als ein großer Gleißner: von seinem Hause
hatte er zu ununterbrochener Communication einen hölzer-
nen Gang nach dem nahen Barfüßerkloster anbringen las-
sen. 1 Von politischen Folgen dieser entgegengesetzten Stim-
mungen wird man jedoch in Ungern noch nicht viel inne.
Die Hinneigungen zu einer abweichenden Kirchenform wa-
ren noch zu zerstreut zu geringfügig, um eine irgend merk-
liche Wirkung zu haben. Ferdinand, dem man es früher
zum Vorwurf gemacht, daß er seine Gemahlin mit lauter
Deutschen umgeben, 2 welche alle Lutheraner seyen, suchte
seine katholische Reputation sorgfältig zu behaupten. Den

1 Turnschwamb bei Engel I, 197. "Stephan Verböcz Ami-
cus Stis." Relatio Actorum
bei Engel II, p. 55.
2 Diarium in Comitiis Pesthanis bei Engel II, 51. "Dedit
ei Germanos qui omnes fuerunt Lutherani."
bei Katona XIX,
515 Art. V. Fukkarii ablegentur: oratores Caesareus et Venetus
(der letzte blos wegen des ersten, wie eine venezianische Relation aus-
führt,) exmittantur: Lutherani etiam omnes de regno extirpen-
tur, -- ubicumque reperti fuerint, libere comburantur.
Beſitznahme von Ungern.

Nicht ſo leicht noch friedlich jedoch entwickelte ſich
die Ungriſche Angelegenheit.

Eine gewiſſe Analogie in religiöſer Hinſicht bot auch
Ungern dar. Königin Maria, um welche ſich die öſtrei-
chiſche Partei ſammelte, galt für eine Freundin der neuen
Meinungen: ſie hielt die Faſten nicht, las lutheriſche Schrif-
ten, hatte Anhänger Luthers an ihrem Hof: im November
1526 widmete ihr Luther vier Pſalmen zum Troſt in ihrem
Unglück. Dagegen nahmen die Zapolyaner eine ſtreng alt-
gläubige Miene an: ſie ſetzten 1525 den Beſchluß durch,
daß alle Lutheraner ausgerottet, wo man ſie nur finde ver-
brannt werden ſollten: ihr Wortführer Verböcz galt bei
den Deutſchen als ein großer Gleißner: von ſeinem Hauſe
hatte er zu ununterbrochener Communication einen hölzer-
nen Gang nach dem nahen Barfüßerkloſter anbringen laſ-
ſen. 1 Von politiſchen Folgen dieſer entgegengeſetzten Stim-
mungen wird man jedoch in Ungern noch nicht viel inne.
Die Hinneigungen zu einer abweichenden Kirchenform wa-
ren noch zu zerſtreut zu geringfügig, um eine irgend merk-
liche Wirkung zu haben. Ferdinand, dem man es früher
zum Vorwurf gemacht, daß er ſeine Gemahlin mit lauter
Deutſchen umgeben, 2 welche alle Lutheraner ſeyen, ſuchte
ſeine katholiſche Reputation ſorgfältig zu behaupten. Den

1 Turnſchwamb bei Engel I, 197. „Stephan Verböcz Ami-
cus Stis.“ Relatio Actorum
bei Engel II, p. 55.
2 Diarium in Comitiis Pesthanis bei Engel II, 51. „Dedit
ei Germanos qui omnes fuerunt Lutherani.“
bei Katona XIX,
515 Art. V. Fukkarii ablegentur: oratores Caesareus et Venetus
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[423/0433] Beſitznahme von Ungern. Nicht ſo leicht noch friedlich jedoch entwickelte ſich die Ungriſche Angelegenheit. Eine gewiſſe Analogie in religiöſer Hinſicht bot auch Ungern dar. Königin Maria, um welche ſich die öſtrei- chiſche Partei ſammelte, galt für eine Freundin der neuen Meinungen: ſie hielt die Faſten nicht, las lutheriſche Schrif- ten, hatte Anhänger Luthers an ihrem Hof: im November 1526 widmete ihr Luther vier Pſalmen zum Troſt in ihrem Unglück. Dagegen nahmen die Zapolyaner eine ſtreng alt- gläubige Miene an: ſie ſetzten 1525 den Beſchluß durch, daß alle Lutheraner ausgerottet, wo man ſie nur finde ver- brannt werden ſollten: ihr Wortführer Verböcz galt bei den Deutſchen als ein großer Gleißner: von ſeinem Hauſe hatte er zu ununterbrochener Communication einen hölzer- nen Gang nach dem nahen Barfüßerkloſter anbringen laſ- ſen. 1 Von politiſchen Folgen dieſer entgegengeſetzten Stim- mungen wird man jedoch in Ungern noch nicht viel inne. Die Hinneigungen zu einer abweichenden Kirchenform wa- ren noch zu zerſtreut zu geringfügig, um eine irgend merk- liche Wirkung zu haben. Ferdinand, dem man es früher zum Vorwurf gemacht, daß er ſeine Gemahlin mit lauter Deutſchen umgeben, 2 welche alle Lutheraner ſeyen, ſuchte ſeine katholiſche Reputation ſorgfältig zu behaupten. Den 1 Turnſchwamb bei Engel I, 197. „Stephan Verböcz Ami- cus Stis.“ Relatio Actorum bei Engel II, p. 55. 2 Diarium in Comitiis Pesthanis bei Engel II, 51. „Dedit ei Germanos qui omnes fuerunt Lutherani.“ bei Katona XIX, 515 Art. V. Fukkarii ablegentur: oratores Caesareus et Venetus (der letzte blos wegen des erſten, wie eine venezianiſche Relation aus- fuͤhrt,) exmittantur: Lutherani etiam omnes de regno extirpen- tur, — ubicumque reperti fuerint, libere comburantur.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/433>, abgerufen am 27.11.2024.