Charfreitag 1527 bezeichnete er damit, daß er seiner Schwester Vorstellungen über ihre religiösen Hinneigungen machte. 1 Am Frohnleichnamstag 1527 sah man ihn in Wien in der Procession einhergehn: in königlichem Schmuck, mit dem Schwert umgürtet, sein Gebetbuch in der Hand: er sah um sich her, ob auch jedermann dem Hochwürdigen noch die gebührende Ehrfurcht beweise. Von Zeit zu Zeit ließ er Man- date zur Aufrechthaltung der alten Gebräuche erscheinen.
In Ungern kam es zur Zeit noch mehr auf die Über- macht der Waffen an als auf die religiösen Verhältnisse.
Man könnte nicht sagen, daß sich die ganze Nation in zwei entgegengesetzte Parteien gespalten hätte; sondern es hatten sich in ihrer Mitte zwei politische Tendenzen ge- bildet, die eine des Hofes und des Palatins, die andre der Opposition und Zapolyas: nach der Niederlage stan- den sie einander eben so gegenüber wie vor derselben: das Übergewicht einer jeden hieng dann immer von der mo- mentanen Beistimmung der größern Anzahl ab, die sich we- der der einen noch der andern entschieden zugesellt hatte.
Anfangs, als Zapolya in dem allgemeinen Ruin be- waffnet und mächtig hervortrat, hatte er die unbestrittene Oberhand. Die Hauptstadt des Reiches rief ihn an, sie in seinen Schutz zu nehmen, dann zog er nach Stuhlwei- ßenburg, wo seine Anhänger alle etwa Widerstrebenden mit sich fortrissen: 2 er ward gewählt und gekrönt (11 Nov.
1 Briefwechsel bei Bucholtz IX.
2 So entschuldigte wenigstens der Bischof von Nitra, Pod- manizky, daß er dem Zapolya die Krone aufgesetzt habe. Er würde in Lebensgefahr gerathen seyn, wenn er sich geweigert hätte. -- Di- ploma Ferdinandi bei Katona XIX, 752.
Viertes Buch. Viertes Capitel.
Charfreitag 1527 bezeichnete er damit, daß er ſeiner Schweſter Vorſtellungen über ihre religiöſen Hinneigungen machte. 1 Am Frohnleichnamstag 1527 ſah man ihn in Wien in der Proceſſion einhergehn: in königlichem Schmuck, mit dem Schwert umgürtet, ſein Gebetbuch in der Hand: er ſah um ſich her, ob auch jedermann dem Hochwürdigen noch die gebührende Ehrfurcht beweiſe. Von Zeit zu Zeit ließ er Man- date zur Aufrechthaltung der alten Gebräuche erſcheinen.
In Ungern kam es zur Zeit noch mehr auf die Über- macht der Waffen an als auf die religiöſen Verhältniſſe.
Man könnte nicht ſagen, daß ſich die ganze Nation in zwei entgegengeſetzte Parteien geſpalten hätte; ſondern es hatten ſich in ihrer Mitte zwei politiſche Tendenzen ge- bildet, die eine des Hofes und des Palatins, die andre der Oppoſition und Zapolyas: nach der Niederlage ſtan- den ſie einander eben ſo gegenüber wie vor derſelben: das Übergewicht einer jeden hieng dann immer von der mo- mentanen Beiſtimmung der größern Anzahl ab, die ſich we- der der einen noch der andern entſchieden zugeſellt hatte.
Anfangs, als Zapolya in dem allgemeinen Ruin be- waffnet und mächtig hervortrat, hatte er die unbeſtrittene Oberhand. Die Hauptſtadt des Reiches rief ihn an, ſie in ſeinen Schutz zu nehmen, dann zog er nach Stuhlwei- ßenburg, wo ſeine Anhänger alle etwa Widerſtrebenden mit ſich fortriſſen: 2 er ward gewählt und gekrönt (11 Nov.
1 Briefwechſel bei Bucholtz IX.
2 So entſchuldigte wenigſtens der Biſchof von Nitra, Pod- manizky, daß er dem Zapolya die Krone aufgeſetzt habe. Er wuͤrde in Lebensgefahr gerathen ſeyn, wenn er ſich geweigert haͤtte. — Di- ploma Ferdinandi bei Katona XIX, 752.
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Viertes Buch. Viertes Capitel.
Charfreitag 1527 bezeichnete er damit, daß er ſeiner Schweſter
Vorſtellungen über ihre religiöſen Hinneigungen machte. 1
Am Frohnleichnamstag 1527 ſah man ihn in Wien in der
Proceſſion einhergehn: in königlichem Schmuck, mit dem
Schwert umgürtet, ſein Gebetbuch in der Hand: er ſah um
ſich her, ob auch jedermann dem Hochwürdigen noch die
gebührende Ehrfurcht beweiſe. Von Zeit zu Zeit ließ er Man-
date zur Aufrechthaltung der alten Gebräuche erſcheinen.
In Ungern kam es zur Zeit noch mehr auf die Über-
macht der Waffen an als auf die religiöſen Verhältniſſe.
Man könnte nicht ſagen, daß ſich die ganze Nation
in zwei entgegengeſetzte Parteien geſpalten hätte; ſondern
es hatten ſich in ihrer Mitte zwei politiſche Tendenzen ge-
bildet, die eine des Hofes und des Palatins, die andre
der Oppoſition und Zapolyas: nach der Niederlage ſtan-
den ſie einander eben ſo gegenüber wie vor derſelben: das
Übergewicht einer jeden hieng dann immer von der mo-
mentanen Beiſtimmung der größern Anzahl ab, die ſich we-
der der einen noch der andern entſchieden zugeſellt hatte.
Anfangs, als Zapolya in dem allgemeinen Ruin be-
waffnet und mächtig hervortrat, hatte er die unbeſtrittene
Oberhand. Die Hauptſtadt des Reiches rief ihn an, ſie
in ſeinen Schutz zu nehmen, dann zog er nach Stuhlwei-
ßenburg, wo ſeine Anhänger alle etwa Widerſtrebenden mit
ſich fortriſſen: 2 er ward gewählt und gekrönt (11 Nov.
1 Briefwechſel bei Bucholtz IX.
2 So entſchuldigte wenigſtens der Biſchof von Nitra, Pod-
manizky, daß er dem Zapolya die Krone aufgeſetzt habe. Er wuͤrde
in Lebensgefahr gerathen ſeyn, wenn er ſich geweigert haͤtte. — Di-
ploma Ferdinandi bei Katona XIX, 752.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/434>, abgerufen am 16.07.2024.
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