Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Fünftes Buch. Viertes Capitel. buchstäblicher Gesetzlichkeit, den England schon damals be-herrschte, ließ das jedoch nicht zu; der König wünschte die Legitimität der aus einer neuen Ehe zu erwartenden Nach- kommen im Voraus gesichert zu sehn; von dem, der ge- bunden hatte, wollte er auch gelöst seyn. Wolsey hoffte, daß die Fortschritte der Ligue den Papst hiezu vermögen würden. Mehr als einmal forderte er den König von Frankreich auf, eben so viel für die Auflösung der Ehe zu thun, wie England für die Herausgabe der Kinder von Frankreich: er möge nur dem Papst erklären, daß er die Sache Heinrichs VIII für gerecht halte, und daß, wenn man sie zu Rom abschlage, er so gut wie dieser sich für beleidigt halten und es niemals vergessen werde. Wohl wußte Franz I, wie viel Wolsey ihm in England werth war. Wolsey erinnerte denselben, er werde verloren seyn, wenn diese Sache nicht durchgehe, allzustarke Versicherungen habe er dem König darüber gegeben. 1 Und in der That hätte der Papst selbst, z. B. bei Lautrecs Annäherung nur recht ernst- lich angegangen zu werden gewünscht: er würde sich dann mit einer Art von moralischem Zwang bei dem Kaiser haben entschuldigen können. Allein es scheint nicht, als hätten die Franzosen für nützlich gehalten, so weit zu gehn. Sie 2 1 Bellay a Montmorency 22 Mai 1528, en la quelle (l'af- faire du divorce) s'il ne s'employoit tant et si avant, qu'il von- droit faire pour le recouvremt de Mss les enfans il pourroit etre sur, d'avoir cause a mon d. Sr le legat une totale ruine, pour les grandes asseurances qu'il en a toujours baille a son dit maistre. 2 D. Knigt bei Herbert 218: The Pope thinketh he might
by good colour say to the emperor, that he was required by the english ambassadeurs et Mr de Lautrech to proceed in the business Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel. buchſtäblicher Geſetzlichkeit, den England ſchon damals be-herrſchte, ließ das jedoch nicht zu; der König wünſchte die Legitimität der aus einer neuen Ehe zu erwartenden Nach- kommen im Voraus geſichert zu ſehn; von dem, der ge- bunden hatte, wollte er auch gelöſt ſeyn. Wolſey hoffte, daß die Fortſchritte der Ligue den Papſt hiezu vermögen würden. Mehr als einmal forderte er den König von Frankreich auf, eben ſo viel für die Auflöſung der Ehe zu thun, wie England für die Herausgabe der Kinder von Frankreich: er möge nur dem Papſt erklären, daß er die Sache Heinrichs VIII für gerecht halte, und daß, wenn man ſie zu Rom abſchlage, er ſo gut wie dieſer ſich für beleidigt halten und es niemals vergeſſen werde. Wohl wußte Franz I, wie viel Wolſey ihm in England werth war. Wolſey erinnerte denſelben, er werde verloren ſeyn, wenn dieſe Sache nicht durchgehe, allzuſtarke Verſicherungen habe er dem König darüber gegeben. 1 Und in der That hätte der Papſt ſelbſt, z. B. bei Lautrecs Annäherung nur recht ernſt- lich angegangen zu werden gewünſcht: er würde ſich dann mit einer Art von moraliſchem Zwang bei dem Kaiſer haben entſchuldigen können. Allein es ſcheint nicht, als hätten die Franzoſen für nützlich gehalten, ſo weit zu gehn. Sie 2 1 Bellay à Montmorency 22 Mai 1528, en la quelle (l’af- faire du divorce) s’il ne s’employoit tant et si avant, qu’il von- droit faire pour le recouvremt de Mss les enfans il pourroit étre sur, d’avoir causé a mon d. Sr le legat une totale ruine, pour les grandes asseurances qu’il en a toujours baillé à son dit maistre. 2 D. Knigt bei Herbert 218: The Pope thinketh he might
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Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
buchſtäblicher Geſetzlichkeit, den England ſchon damals be-
herrſchte, ließ das jedoch nicht zu; der König wünſchte die
Legitimität der aus einer neuen Ehe zu erwartenden Nach-
kommen im Voraus geſichert zu ſehn; von dem, der ge-
bunden hatte, wollte er auch gelöſt ſeyn. Wolſey hoffte,
daß die Fortſchritte der Ligue den Papſt hiezu vermögen
würden. Mehr als einmal forderte er den König von
Frankreich auf, eben ſo viel für die Auflöſung der Ehe zu
thun, wie England für die Herausgabe der Kinder von
Frankreich: er möge nur dem Papſt erklären, daß er die
Sache Heinrichs VIII für gerecht halte, und daß, wenn
man ſie zu Rom abſchlage, er ſo gut wie dieſer ſich für
beleidigt halten und es niemals vergeſſen werde. Wohl
wußte Franz I, wie viel Wolſey ihm in England werth
war. Wolſey erinnerte denſelben, er werde verloren ſeyn,
wenn dieſe Sache nicht durchgehe, allzuſtarke Verſicherungen
habe er dem König darüber gegeben. 1 Und in der That hätte
der Papſt ſelbſt, z. B. bei Lautrecs Annäherung nur recht ernſt-
lich angegangen zu werden gewünſcht: er würde ſich dann mit
einer Art von moraliſchem Zwang bei dem Kaiſer haben
entſchuldigen können. Allein es ſcheint nicht, als hätten
die Franzoſen für nützlich gehalten, ſo weit zu gehn. Sie
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1 Bellay à Montmorency 22 Mai 1528, en la quelle (l’af-
faire du divorce) s’il ne s’employoit tant et si avant, qu’il von-
droit faire pour le recouvremt de Mss les enfans il pourroit étre
sur, d’avoir causé a mon d. Sr le legat une totale ruine, pour les
grandes asseurances qu’il en a toujours baillé à son dit maistre.
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Zitationshilfe: | Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/148>, abgerufen am 16.02.2025. |