Italien und Deutschland zu begeben. In Italien wollte er die Krone empfangen: nach Deutschland rief ihn, wie er sich in seinem Ausschreiben ausdrückte, die Betrach- tung, daß ein großer Theil des Reiches in Gefahr sey, nicht allein sich von der Einheit der römischen Kirche zu trennen, sondern auch von den Türken überzogen und er- obert zu werden. 1
Am 27. Juli 1529 stieg der Kaiser zu Schiff; am 9. Aug. langte er zu Savona, am 12. zu Genua an.
Ueberaus mächtig, jedoch nicht, wie die alten Kaiser, allein durch deutsche Kräfte, sondern durch eine wunder- bare Combination des Südens und des Nordens, erschien er an den Grenzen des alten Reiches. In seinem Gefolge finden wir alle die berühmten Namen der castilianischen Geschichte: Mendoza, Guzman, Pacheco, Manrique, Zuniga, Toledo, Cueva, Rojas, Ponce de Leon; jedes große Haus hatte gleichsam seinen Repräsentanten geschickt; der Glän- zendste von allen war Alvarez Ossorio, Marques von Astorga; Navaresen, Catalanen, Aragonesen schlossen sich an. Schon hatte Antonio de Leiva dafür gesorgt, daß auch Mailand nicht mehr in deutschen, sondern in spanischen Händen war. Die Reichsgewalt, die sich in dem Kaiser darstellte, bekam durch diesen Einfluß fremder Elemente einen ganz neuen, romanischen, nunmehr sehr katholischen Charakter Sah man diesen Hof nur an, so konnten seine Intentionen nicht zweifelhaft seyn.
Und schon hatte sich in Deutschland eine Entwickelung vollzogen, die denselben begünstigend entgegenkam.
1Sandoval II, p. 25.
Der Kaiſer in Italien.
Italien und Deutſchland zu begeben. In Italien wollte er die Krone empfangen: nach Deutſchland rief ihn, wie er ſich in ſeinem Ausſchreiben ausdrückte, die Betrach- tung, daß ein großer Theil des Reiches in Gefahr ſey, nicht allein ſich von der Einheit der römiſchen Kirche zu trennen, ſondern auch von den Türken überzogen und er- obert zu werden. 1
Am 27. Juli 1529 ſtieg der Kaiſer zu Schiff; am 9. Aug. langte er zu Savona, am 12. zu Genua an.
Ueberaus mächtig, jedoch nicht, wie die alten Kaiſer, allein durch deutſche Kräfte, ſondern durch eine wunder- bare Combination des Südens und des Nordens, erſchien er an den Grenzen des alten Reiches. In ſeinem Gefolge finden wir alle die berühmten Namen der caſtilianiſchen Geſchichte: Mendoza, Guzman, Pacheco, Manrique, Zuniga, Toledo, Cueva, Rojas, Ponce de Leon; jedes große Haus hatte gleichſam ſeinen Repräſentanten geſchickt; der Glän- zendſte von allen war Alvarez Oſſorio, Marques von Aſtorga; Navareſen, Catalanen, Aragoneſen ſchloſſen ſich an. Schon hatte Antonio de Leiva dafür geſorgt, daß auch Mailand nicht mehr in deutſchen, ſondern in ſpaniſchen Händen war. Die Reichsgewalt, die ſich in dem Kaiſer darſtellte, bekam durch dieſen Einfluß fremder Elemente einen ganz neuen, romaniſchen, nunmehr ſehr katholiſchen Charakter Sah man dieſen Hof nur an, ſo konnten ſeine Intentionen nicht zweifelhaft ſeyn.
Und ſchon hatte ſich in Deutſchland eine Entwickelung vollzogen, die denſelben begünſtigend entgegenkam.
1Sandoval II, p. 25.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0157"n="141"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Der Kaiſer in Italien</hi>.</fw><lb/>
Italien und Deutſchland zu begeben. In Italien wollte<lb/>
er die Krone empfangen: nach Deutſchland rief ihn, wie<lb/>
er ſich in ſeinem Ausſchreiben ausdrückte, die Betrach-<lb/>
tung, daß ein großer Theil des Reiches in Gefahr ſey,<lb/>
nicht allein ſich von der Einheit der römiſchen Kirche zu<lb/>
trennen, ſondern auch von den Türken überzogen und er-<lb/>
obert zu werden. <noteplace="foot"n="1"><hirendition="#aq">Sandoval II, p.</hi> 25.</note></p><lb/><p>Am 27. Juli 1529 ſtieg der Kaiſer zu Schiff; am<lb/>
9. Aug. langte er zu Savona, am 12. zu Genua an.</p><lb/><p>Ueberaus mächtig, jedoch nicht, wie die alten Kaiſer,<lb/>
allein durch deutſche Kräfte, ſondern durch eine wunder-<lb/>
bare Combination des Südens und des Nordens, erſchien<lb/>
er an den Grenzen des alten Reiches. In ſeinem Gefolge<lb/>
finden wir alle die berühmten Namen der caſtilianiſchen<lb/>
Geſchichte: Mendoza, Guzman, Pacheco, Manrique, Zuniga,<lb/>
Toledo, Cueva, Rojas, Ponce de Leon; jedes große Haus<lb/>
hatte gleichſam ſeinen Repräſentanten geſchickt; der Glän-<lb/>
zendſte von allen war Alvarez Oſſorio, Marques von Aſtorga;<lb/>
Navareſen, Catalanen, Aragoneſen ſchloſſen ſich an. Schon<lb/>
hatte Antonio de Leiva dafür geſorgt, daß auch Mailand<lb/>
nicht mehr in deutſchen, ſondern in ſpaniſchen Händen war.<lb/>
Die Reichsgewalt, die ſich in dem Kaiſer darſtellte, bekam<lb/>
durch dieſen Einfluß fremder Elemente einen ganz neuen,<lb/>
romaniſchen, nunmehr ſehr katholiſchen Charakter Sah<lb/>
man dieſen Hof nur an, ſo konnten ſeine Intentionen nicht<lb/>
zweifelhaft ſeyn.</p><lb/><p>Und ſchon hatte ſich in Deutſchland eine Entwickelung<lb/>
vollzogen, die denſelben begünſtigend entgegenkam.</p></div><lb/></div></body></text></TEI>
[141/0157]
Der Kaiſer in Italien.
Italien und Deutſchland zu begeben. In Italien wollte
er die Krone empfangen: nach Deutſchland rief ihn, wie
er ſich in ſeinem Ausſchreiben ausdrückte, die Betrach-
tung, daß ein großer Theil des Reiches in Gefahr ſey,
nicht allein ſich von der Einheit der römiſchen Kirche zu
trennen, ſondern auch von den Türken überzogen und er-
obert zu werden. 1
Am 27. Juli 1529 ſtieg der Kaiſer zu Schiff; am
9. Aug. langte er zu Savona, am 12. zu Genua an.
Ueberaus mächtig, jedoch nicht, wie die alten Kaiſer,
allein durch deutſche Kräfte, ſondern durch eine wunder-
bare Combination des Südens und des Nordens, erſchien
er an den Grenzen des alten Reiches. In ſeinem Gefolge
finden wir alle die berühmten Namen der caſtilianiſchen
Geſchichte: Mendoza, Guzman, Pacheco, Manrique, Zuniga,
Toledo, Cueva, Rojas, Ponce de Leon; jedes große Haus
hatte gleichſam ſeinen Repräſentanten geſchickt; der Glän-
zendſte von allen war Alvarez Oſſorio, Marques von Aſtorga;
Navareſen, Catalanen, Aragoneſen ſchloſſen ſich an. Schon
hatte Antonio de Leiva dafür geſorgt, daß auch Mailand
nicht mehr in deutſchen, ſondern in ſpaniſchen Händen war.
Die Reichsgewalt, die ſich in dem Kaiſer darſtellte, bekam
durch dieſen Einfluß fremder Elemente einen ganz neuen,
romaniſchen, nunmehr ſehr katholiſchen Charakter Sah
man dieſen Hof nur an, ſo konnten ſeine Intentionen nicht
zweifelhaft ſeyn.
Und ſchon hatte ſich in Deutſchland eine Entwickelung
vollzogen, die denſelben begünſtigend entgegenkam.
1 Sandoval II, p. 25.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/157>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.