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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reichshandlungen 1528.
Stande, aber er war so schlecht besucht, daß die Versam-
melten sich nicht einmal für befugt hielten, Gegenstände,
welche ausdrücklich an sie verwiesen worden waren, vorzu-
nehmen, z. B. jene Gesandtschaft, sondern den Beschluß
faßten, "sich überhaupt keiner Handlung zu unterziehen." 1

Auf den März 1528 war ein neuer Reichstag nach
Regensburg ausgeschrieben: allein noch immer waren die
Anhänger des Papstes nicht ohne Besorgniß vor den Be-
schlüssen der versammelten Stände; zuerst verschob König
Ferdinand die Eröffnung der Versammlung vom März in
den Mai; 2 dann erschien ein Edict des Kaisers, welches
sie, ohne viel Gründe anzugeben, nur, wie die Worte
lauten, "aus merklichen Obligen und Ehaften" geradezu
verbot. 3 Vom päpstlichen Hofe aus hören wir, das man
da eine "nicht gute Beschlußnahme" gefürchtet habe. 4

Jene packischen Unruhen waren eben ein Symptom
dieser Nichtigkeit der Reichsgewalt.

Jetzt aber hatte sich die Lage der Dinge geändert.
Die Siege des Kaisers, seine allmählig sich erneuernde Ver-
bindung mit dem Papst äußerten, so entfernt er auch war,
eine unmittelbare Rückwirkung auf Deutschland. War nicht
eben die Entzweiung der beiden höchsten Gewalten, das

1 Ich bemerke daß der Auszug aus diesem Abschied bei Hä-
berlin XI, 46 dem Inhalt desselben (Reichsabschiede II, 185) nicht
eben sehr adäquat ist.
2 Neudecker Actenstücke I, 26.
3 Abkündigung in den frankfurter Acten vom 10. April, die
jedoch in Deutschland noch immer zur rechten Zeit eintraf.
4 Sanga a Castiglione: Lettere di diversi autori p. 56. Pru-
dentemente penso, poter facilmente essere, che ne succedesse
qualche non buona determinatione.

Reichshandlungen 1528.
Stande, aber er war ſo ſchlecht beſucht, daß die Verſam-
melten ſich nicht einmal für befugt hielten, Gegenſtände,
welche ausdrücklich an ſie verwieſen worden waren, vorzu-
nehmen, z. B. jene Geſandtſchaft, ſondern den Beſchluß
faßten, „ſich überhaupt keiner Handlung zu unterziehen.“ 1

Auf den März 1528 war ein neuer Reichstag nach
Regensburg ausgeſchrieben: allein noch immer waren die
Anhänger des Papſtes nicht ohne Beſorgniß vor den Be-
ſchlüſſen der verſammelten Stände; zuerſt verſchob König
Ferdinand die Eröffnung der Verſammlung vom März in
den Mai; 2 dann erſchien ein Edict des Kaiſers, welches
ſie, ohne viel Gründe anzugeben, nur, wie die Worte
lauten, „aus merklichen Obligen und Ehaften“ geradezu
verbot. 3 Vom päpſtlichen Hofe aus hören wir, das man
da eine „nicht gute Beſchlußnahme“ gefürchtet habe. 4

Jene packiſchen Unruhen waren eben ein Symptom
dieſer Nichtigkeit der Reichsgewalt.

Jetzt aber hatte ſich die Lage der Dinge geändert.
Die Siege des Kaiſers, ſeine allmählig ſich erneuernde Ver-
bindung mit dem Papſt äußerten, ſo entfernt er auch war,
eine unmittelbare Rückwirkung auf Deutſchland. War nicht
eben die Entzweiung der beiden höchſten Gewalten, das

1 Ich bemerke daß der Auszug aus dieſem Abſchied bei Haͤ-
berlin XI, 46 dem Inhalt deſſelben (Reichsabſchiede II, 185) nicht
eben ſehr adaͤquat iſt.
2 Neudecker Actenſtuͤcke I, 26.
3 Abkuͤndigung in den frankfurter Acten vom 10. April, die
jedoch in Deutſchland noch immer zur rechten Zeit eintraf.
4 Sanga a Castiglione: Lettere di diversi autori p. 56. Pru-
dentemente pensò, poter facilmente essere, che ne succedesse
qualche non buona determinatione.
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[143/0159] Reichshandlungen 1528. Stande, aber er war ſo ſchlecht beſucht, daß die Verſam- melten ſich nicht einmal für befugt hielten, Gegenſtände, welche ausdrücklich an ſie verwieſen worden waren, vorzu- nehmen, z. B. jene Geſandtſchaft, ſondern den Beſchluß faßten, „ſich überhaupt keiner Handlung zu unterziehen.“ 1 Auf den März 1528 war ein neuer Reichstag nach Regensburg ausgeſchrieben: allein noch immer waren die Anhänger des Papſtes nicht ohne Beſorgniß vor den Be- ſchlüſſen der verſammelten Stände; zuerſt verſchob König Ferdinand die Eröffnung der Verſammlung vom März in den Mai; 2 dann erſchien ein Edict des Kaiſers, welches ſie, ohne viel Gründe anzugeben, nur, wie die Worte lauten, „aus merklichen Obligen und Ehaften“ geradezu verbot. 3 Vom päpſtlichen Hofe aus hören wir, das man da eine „nicht gute Beſchlußnahme“ gefürchtet habe. 4 Jene packiſchen Unruhen waren eben ein Symptom dieſer Nichtigkeit der Reichsgewalt. Jetzt aber hatte ſich die Lage der Dinge geändert. Die Siege des Kaiſers, ſeine allmählig ſich erneuernde Ver- bindung mit dem Papſt äußerten, ſo entfernt er auch war, eine unmittelbare Rückwirkung auf Deutſchland. War nicht eben die Entzweiung der beiden höchſten Gewalten, das 1 Ich bemerke daß der Auszug aus dieſem Abſchied bei Haͤ- berlin XI, 46 dem Inhalt deſſelben (Reichsabſchiede II, 185) nicht eben ſehr adaͤquat iſt. 2 Neudecker Actenſtuͤcke I, 26. 3 Abkuͤndigung in den frankfurter Acten vom 10. April, die jedoch in Deutſchland noch immer zur rechten Zeit eintraf. 4 Sanga a Castiglione: Lettere di diversi autori p. 56. Pru- dentemente pensò, poter facilmente essere, che ne succedesse qualche non buona determinatione.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/159>, abgerufen am 25.11.2024.