sen, um anzuzeigen, der wahre Kaiser sey gekommen in sei- ner Macht. 1
So stellt auch Suleiman selbst in einem Schreiben an Venedig das Ereigniß vor. Er erzählt, wie er Ofen ge- wonnen, Ungarn an sich gebracht, dieses Reich dem Kö- nig Johann gegeben habe, wie die alte Krone in seine Hand gefallen sey. "Aber mein Vorsatz war nicht, diese Dinge zu suchen, sondern mit König Ferdinand zusammenzutref- fen." 2 Den ersten deutschen Gefangenen, die vor ihn ge- bracht wurden, sagte er, er werde Ferdinand aufsuchen und wenn derselbe mitten in Deutschland wäre.
Am 26. September langte er vor Wien an und schlug daselbst sein Lager auf. Vom Stephansthurme aus sah man ein paar Meilen über Berg und Thal nichts als Zelte, und auf dem Flusse die Segel der türkischen Donauflotte. Man zeigt noch den Platz, bei Sömmering, wo das Haupt- gezelt Suleimans stand, dessen innere Pracht die goldenen Knäufe verriethen, mit denen es auswendig geschmückt war. Er lagerte wie er gezogen war. Ihn zunächst umgaben die Truppen der Pforte; hinter ihm bis nach Schwechat dehnte sich das anatolische Heer unter seinem Beglerbeg aus; vor ihm hielt der Seraskier Ibrahim mit den europäischen Si- pahi, den Rumelioten und Bosniaken, den Sandschaks von Mostar und Belgrad. Denn wie der Staat nur das Kriegs- heer ist, so repräsentirt das Lager selbst in seiner Anord- nung das Reich. Schon hatten die Ungarn, welche noch
1 Lamberg und Jurischitsch bei Gevay 1830 p. 36. Lateinisch, zwar übereinstimmend aber doch eigenthümlich p. 80.
2Copia della lettera del Sultan Solimano. Belgr. 9 Nov. bei Hammer Belagerung p. 77.
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Suleiman in Deutſchland.
ſen, um anzuzeigen, der wahre Kaiſer ſey gekommen in ſei- ner Macht. 1
So ſtellt auch Suleiman ſelbſt in einem Schreiben an Venedig das Ereigniß vor. Er erzählt, wie er Ofen ge- wonnen, Ungarn an ſich gebracht, dieſes Reich dem Kö- nig Johann gegeben habe, wie die alte Krone in ſeine Hand gefallen ſey. „Aber mein Vorſatz war nicht, dieſe Dinge zu ſuchen, ſondern mit König Ferdinand zuſammenzutref- fen.“ 2 Den erſten deutſchen Gefangenen, die vor ihn ge- bracht wurden, ſagte er, er werde Ferdinand aufſuchen und wenn derſelbe mitten in Deutſchland wäre.
Am 26. September langte er vor Wien an und ſchlug daſelbſt ſein Lager auf. Vom Stephansthurme aus ſah man ein paar Meilen über Berg und Thal nichts als Zelte, und auf dem Fluſſe die Segel der türkiſchen Donauflotte. Man zeigt noch den Platz, bei Sömmering, wo das Haupt- gezelt Suleimans ſtand, deſſen innere Pracht die goldenen Knäufe verriethen, mit denen es auswendig geſchmückt war. Er lagerte wie er gezogen war. Ihn zunächſt umgaben die Truppen der Pforte; hinter ihm bis nach Schwechat dehnte ſich das anatoliſche Heer unter ſeinem Beglerbeg aus; vor ihm hielt der Seraskier Ibrahim mit den europäiſchen Si- pahi, den Rumelioten und Bosniaken, den Sandſchaks von Moſtar und Belgrad. Denn wie der Staat nur das Kriegs- heer iſt, ſo repräſentirt das Lager ſelbſt in ſeiner Anord- nung das Reich. Schon hatten die Ungarn, welche noch
1 Lamberg und Juriſchitſch bei Gevay 1830 p. 36. Lateiniſch, zwar uͤbereinſtimmend aber doch eigenthuͤmlich p. 80.
2Copia della lettera del Sultan Solimano. Belgr. 9 Nov. bei Hammer Belagerung p. 77.
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Suleiman in Deutſchland.
ſen, um anzuzeigen, der wahre Kaiſer ſey gekommen in ſei-
ner Macht. 1
So ſtellt auch Suleiman ſelbſt in einem Schreiben an
Venedig das Ereigniß vor. Er erzählt, wie er Ofen ge-
wonnen, Ungarn an ſich gebracht, dieſes Reich dem Kö-
nig Johann gegeben habe, wie die alte Krone in ſeine Hand
gefallen ſey. „Aber mein Vorſatz war nicht, dieſe Dinge
zu ſuchen, ſondern mit König Ferdinand zuſammenzutref-
fen.“ 2 Den erſten deutſchen Gefangenen, die vor ihn ge-
bracht wurden, ſagte er, er werde Ferdinand aufſuchen und
wenn derſelbe mitten in Deutſchland wäre.
Am 26. September langte er vor Wien an und ſchlug
daſelbſt ſein Lager auf. Vom Stephansthurme aus ſah
man ein paar Meilen über Berg und Thal nichts als Zelte,
und auf dem Fluſſe die Segel der türkiſchen Donauflotte.
Man zeigt noch den Platz, bei Sömmering, wo das Haupt-
gezelt Suleimans ſtand, deſſen innere Pracht die goldenen
Knäufe verriethen, mit denen es auswendig geſchmückt war.
Er lagerte wie er gezogen war. Ihn zunächſt umgaben die
Truppen der Pforte; hinter ihm bis nach Schwechat dehnte
ſich das anatoliſche Heer unter ſeinem Beglerbeg aus; vor
ihm hielt der Seraskier Ibrahim mit den europäiſchen Si-
pahi, den Rumelioten und Bosniaken, den Sandſchaks von
Moſtar und Belgrad. Denn wie der Staat nur das Kriegs-
heer iſt, ſo repräſentirt das Lager ſelbſt in ſeiner Anord-
nung das Reich. Schon hatten die Ungarn, welche noch
1 Lamberg und Juriſchitſch bei Gevay 1830 p. 36. Lateiniſch,
zwar uͤbereinſtimmend aber doch eigenthuͤmlich p. 80.
2 Copia della lettera del Sultan Solimano. Belgr. 9 Nov.
bei Hammer Belagerung p. 77.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/211>, abgerufen am 21.11.2024.
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