Und in dieser Stimmung sprach er nun wie seinen nächsten Freunden, so auch dem Fürsten und dessen Räthen Muth ein.
Er tröstet den Fürsten damit, daß man ihm ja keine andere Schuld beimesse, als die Vertheidigung des reinen lebendigen Wortes Gottes. Darin liege aber vielmehr alle seine Ehre. In seinem Lande habe er die besten Prediger; die zarte Jugend wachse daher mit Catechismus und Gottes- wort, daß es eine Freude sey; das sey das Paradies, über welches ihn Gott zum Wächter gesetzt; er schütze das Wort nicht allein, er erhalte und ernähre es auch; dafür komme es ihm auch wieder zu Hülfe. "O das junge Volk wird es thun, das mit seinem unschuldigen Zünglein so herzlich gen Himmel ruft."
Ich habe neulich zwei Wunder gesehen, schrieb er an den Kanzler Brück. Das erste, da ich zum Fenster hin- aussah, die Sterne am Himmel und das ganze schöne Ge- wölbe Gottes, und sah doch nirgend einen Pfeiler, darauf der Meister solch Gewölb gesetzt hatte, und doch steht es fest. Das andre, ich sah große dicke Wolken über uns schweben, und doch keinen Boden, darauf sie ruhten, keine Kufen, darin sie gefaßt waren: noch fielen sie nicht herab, sondern grüßten uns mit einem sauren Angesichte und flo- hen davon. -- Denn Gottes Gedanken sind weit über un- sern Gedanken -- sind wir nur deß gewiß, daß unsre Sache seine Sache ist, so ist auch unser Gebet schon erhört und die Hülfe schon beschlossen -- gäbe uns der Kaiser Frie- den, wie wir wünschen, so würde der Kaiser die Ehre ha-
Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
Und in dieſer Stimmung ſprach er nun wie ſeinen nächſten Freunden, ſo auch dem Fürſten und deſſen Räthen Muth ein.
Er tröſtet den Fürſten damit, daß man ihm ja keine andere Schuld beimeſſe, als die Vertheidigung des reinen lebendigen Wortes Gottes. Darin liege aber vielmehr alle ſeine Ehre. In ſeinem Lande habe er die beſten Prediger; die zarte Jugend wachſe daher mit Catechismus und Gottes- wort, daß es eine Freude ſey; das ſey das Paradies, über welches ihn Gott zum Wächter geſetzt; er ſchütze das Wort nicht allein, er erhalte und ernähre es auch; dafür komme es ihm auch wieder zu Hülfe. „O das junge Volk wird es thun, das mit ſeinem unſchuldigen Zünglein ſo herzlich gen Himmel ruft.“
Ich habe neulich zwei Wunder geſehen, ſchrieb er an den Kanzler Brück. Das erſte, da ich zum Fenſter hin- ausſah, die Sterne am Himmel und das ganze ſchöne Ge- wölbe Gottes, und ſah doch nirgend einen Pfeiler, darauf der Meiſter ſolch Gewölb geſetzt hatte, und doch ſteht es feſt. Das andre, ich ſah große dicke Wolken über uns ſchweben, und doch keinen Boden, darauf ſie ruhten, keine Kufen, darin ſie gefaßt waren: noch fielen ſie nicht herab, ſondern grüßten uns mit einem ſauren Angeſichte und flo- hen davon. — Denn Gottes Gedanken ſind weit über un- ſern Gedanken — ſind wir nur deß gewiß, daß unſre Sache ſeine Sache iſt, ſo iſt auch unſer Gebet ſchon erhört und die Hülfe ſchon beſchloſſen — gäbe uns der Kaiſer Frie- den, wie wir wünſchen, ſo würde der Kaiſer die Ehre ha-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0286"n="270"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/><p>Und in dieſer Stimmung ſprach er nun wie ſeinen<lb/>
nächſten Freunden, ſo auch dem Fürſten und deſſen Räthen<lb/>
Muth ein.</p><lb/><p>Er tröſtet den Fürſten damit, daß man ihm ja keine<lb/>
andere Schuld beimeſſe, als die Vertheidigung des reinen<lb/>
lebendigen Wortes Gottes. Darin liege aber vielmehr alle<lb/>ſeine Ehre. In ſeinem Lande habe er die beſten Prediger; die<lb/>
zarte Jugend wachſe daher mit Catechismus und Gottes-<lb/>
wort, daß es eine Freude ſey; das ſey das Paradies, über<lb/>
welches ihn Gott zum Wächter geſetzt; er ſchütze das Wort<lb/>
nicht allein, er erhalte und ernähre es auch; dafür komme<lb/>
es ihm auch wieder zu Hülfe. „O das junge Volk wird<lb/>
es thun, das mit ſeinem unſchuldigen Zünglein ſo herzlich<lb/>
gen Himmel ruft.“</p><lb/><p>Ich habe neulich zwei Wunder geſehen, ſchrieb er an<lb/>
den Kanzler Brück. Das erſte, da ich zum Fenſter hin-<lb/>
ausſah, die Sterne am Himmel und das ganze ſchöne Ge-<lb/>
wölbe Gottes, und ſah doch nirgend einen Pfeiler, darauf<lb/>
der Meiſter ſolch Gewölb geſetzt hatte, und doch ſteht es<lb/>
feſt. Das andre, ich ſah große dicke Wolken über uns<lb/>ſchweben, und doch keinen Boden, darauf ſie ruhten, keine<lb/>
Kufen, darin ſie gefaßt waren: noch fielen ſie nicht herab,<lb/>ſondern grüßten uns mit einem ſauren Angeſichte und flo-<lb/>
hen davon. — Denn Gottes Gedanken ſind weit über un-<lb/>ſern Gedanken —ſind wir nur deß gewiß, daß unſre Sache<lb/>ſeine Sache iſt, ſo iſt auch unſer Gebet ſchon erhört und<lb/>
die Hülfe ſchon beſchloſſen — gäbe uns der Kaiſer Frie-<lb/>
den, wie wir wünſchen, ſo würde der Kaiſer die Ehre ha-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[270/0286]
Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
Und in dieſer Stimmung ſprach er nun wie ſeinen
nächſten Freunden, ſo auch dem Fürſten und deſſen Räthen
Muth ein.
Er tröſtet den Fürſten damit, daß man ihm ja keine
andere Schuld beimeſſe, als die Vertheidigung des reinen
lebendigen Wortes Gottes. Darin liege aber vielmehr alle
ſeine Ehre. In ſeinem Lande habe er die beſten Prediger; die
zarte Jugend wachſe daher mit Catechismus und Gottes-
wort, daß es eine Freude ſey; das ſey das Paradies, über
welches ihn Gott zum Wächter geſetzt; er ſchütze das Wort
nicht allein, er erhalte und ernähre es auch; dafür komme
es ihm auch wieder zu Hülfe. „O das junge Volk wird
es thun, das mit ſeinem unſchuldigen Zünglein ſo herzlich
gen Himmel ruft.“
Ich habe neulich zwei Wunder geſehen, ſchrieb er an
den Kanzler Brück. Das erſte, da ich zum Fenſter hin-
ausſah, die Sterne am Himmel und das ganze ſchöne Ge-
wölbe Gottes, und ſah doch nirgend einen Pfeiler, darauf
der Meiſter ſolch Gewölb geſetzt hatte, und doch ſteht es
feſt. Das andre, ich ſah große dicke Wolken über uns
ſchweben, und doch keinen Boden, darauf ſie ruhten, keine
Kufen, darin ſie gefaßt waren: noch fielen ſie nicht herab,
ſondern grüßten uns mit einem ſauren Angeſichte und flo-
hen davon. — Denn Gottes Gedanken ſind weit über un-
ſern Gedanken — ſind wir nur deß gewiß, daß unſre Sache
ſeine Sache iſt, ſo iſt auch unſer Gebet ſchon erhört und
die Hülfe ſchon beſchloſſen — gäbe uns der Kaiſer Frie-
den, wie wir wünſchen, ſo würde der Kaiſer die Ehre ha-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/286>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.