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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Fünftes Capitel.
gerrecht aufzulösen, kein andrer Rückhalt übrig geblieben,
als die Macht der einverstandenen deutschen Stände.

Ihre eigne Gefahr war durch das Unglück der Schwei-
zer noch gewachsen. Man kannte die Theilnahme, welche
am Hofe König Ferdinands den eidgenössischen Angelegen-
heiten gewidmet worden war, man wollte von Rüstungen
wissen, die im Elsaß, Breisgau und Sundgau vorgenom-
men würden.

Jetzt trugen nun die Oberländer kein Bedenken mehr,
auf die definitive Berathung der Kriegsordnung einzugehn.
Es geschah zunächst auf einer Versammlung zu Nordhau-
sen im November 1531.

Ehe wir aber die Verfassung, die der Bund sich als-
dann gab, betrachten, müssen wir uns noch die Entwicke-
lung vergegenwärtigen, welche die Sache der Reform mitt-
lerweile in den niederdeutschen Städten genommen hatte.

Reform in den niederdeutschen Städten.

Die erste Stadt, die zu den Fürsten getreten, war,
wie wir wissen, Magdeburg. Hier, wo man auf Reichs-
unmittelbarkeit Anspruch machte, und sich erst seit Kurzem
mit vielem Verdruß dem Anschlag des Erzbischofs zuge-
wiesen sah, wo Luther zur Schule gegangen, und ihm von
dieser Zeit her persönliche Freunde lebten, die nun auch zu
Aemtern und Ansehn gelangt waren, hatten seine Ideen sehr
früh die ganze Bürgerschaft ergriffen. Eines Tages sang
ein alter Tuchmacher dort am Denkmal Otto's des Gr.
ein lutherisches Lied, und bot zugleich Exemplare davon
feil. Der Bürgermeister Rubin, der aus der Messe kom-

Sechstes Buch. Fuͤnftes Capitel.
gerrecht aufzulöſen, kein andrer Rückhalt übrig geblieben,
als die Macht der einverſtandenen deutſchen Stände.

Ihre eigne Gefahr war durch das Unglück der Schwei-
zer noch gewachſen. Man kannte die Theilnahme, welche
am Hofe König Ferdinands den eidgenöſſiſchen Angelegen-
heiten gewidmet worden war, man wollte von Rüſtungen
wiſſen, die im Elſaß, Breisgau und Sundgau vorgenom-
men würden.

Jetzt trugen nun die Oberländer kein Bedenken mehr,
auf die definitive Berathung der Kriegsordnung einzugehn.
Es geſchah zunächſt auf einer Verſammlung zu Nordhau-
ſen im November 1531.

Ehe wir aber die Verfaſſung, die der Bund ſich als-
dann gab, betrachten, müſſen wir uns noch die Entwicke-
lung vergegenwärtigen, welche die Sache der Reform mitt-
lerweile in den niederdeutſchen Städten genommen hatte.

Reform in den niederdeutſchen Städten.

Die erſte Stadt, die zu den Fürſten getreten, war,
wie wir wiſſen, Magdeburg. Hier, wo man auf Reichs-
unmittelbarkeit Anſpruch machte, und ſich erſt ſeit Kurzem
mit vielem Verdruß dem Anſchlag des Erzbiſchofs zuge-
wieſen ſah, wo Luther zur Schule gegangen, und ihm von
dieſer Zeit her perſönliche Freunde lebten, die nun auch zu
Aemtern und Anſehn gelangt waren, hatten ſeine Ideen ſehr
früh die ganze Bürgerſchaft ergriffen. Eines Tages ſang
ein alter Tuchmacher dort am Denkmal Otto’s des Gr.
ein lutheriſches Lied, und bot zugleich Exemplare davon
feil. Der Bürgermeiſter Rubin, der aus der Meſſe kom-

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[376/0392] Sechstes Buch. Fuͤnftes Capitel. gerrecht aufzulöſen, kein andrer Rückhalt übrig geblieben, als die Macht der einverſtandenen deutſchen Stände. Ihre eigne Gefahr war durch das Unglück der Schwei- zer noch gewachſen. Man kannte die Theilnahme, welche am Hofe König Ferdinands den eidgenöſſiſchen Angelegen- heiten gewidmet worden war, man wollte von Rüſtungen wiſſen, die im Elſaß, Breisgau und Sundgau vorgenom- men würden. Jetzt trugen nun die Oberländer kein Bedenken mehr, auf die definitive Berathung der Kriegsordnung einzugehn. Es geſchah zunächſt auf einer Verſammlung zu Nordhau- ſen im November 1531. Ehe wir aber die Verfaſſung, die der Bund ſich als- dann gab, betrachten, müſſen wir uns noch die Entwicke- lung vergegenwärtigen, welche die Sache der Reform mitt- lerweile in den niederdeutſchen Städten genommen hatte. Reform in den niederdeutſchen Städten. Die erſte Stadt, die zu den Fürſten getreten, war, wie wir wiſſen, Magdeburg. Hier, wo man auf Reichs- unmittelbarkeit Anſpruch machte, und ſich erſt ſeit Kurzem mit vielem Verdruß dem Anſchlag des Erzbiſchofs zuge- wieſen ſah, wo Luther zur Schule gegangen, und ihm von dieſer Zeit her perſönliche Freunde lebten, die nun auch zu Aemtern und Anſehn gelangt waren, hatten ſeine Ideen ſehr früh die ganze Bürgerſchaft ergriffen. Eines Tages ſang ein alter Tuchmacher dort am Denkmal Otto’s des Gr. ein lutheriſches Lied, und bot zugleich Exemplare davon feil. Der Bürgermeiſter Rubin, der aus der Meſſe kom-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/392>, abgerufen am 24.11.2024.