Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Ref. in d. niederdeutsch. Städten. Lübeck. glieder anwuchs, um mit dem Rath dessen Geldvorschlägezu überlegen; allein sie ergriff zugleich diese Gelegenheit, um nicht allein eine größere politische Macht, sondern auch re- ligiöse Veränderungen in Anspruch zu nehmen. Sie for- derte, daß ihr Ausschuß auch an Einnahme und Ausgabe gebührenden Antheil habe, und daß ihr die freie Predigt gestattet werde. Gar bald erhob sich hiefür die allgemeine Stimme. Man drang auf die Wiederherstellung der Pre- diger, die vor einigen Jahren verwiesen worden; auch hier unterbrach der Psalm "ach Gott vom Himmel sieh darein" den fungirenden Priester; man sang Spottlieder gegen Jo- hann Rode, Kirchherrn zu unserer Frauen, als welcher be- haupte, Christus habe nur die Altväter erlöst, von Spä- tergebornen müsse das Heil ihm abverdient werden: "die uns sollen weiden," heißt es in einem dieser Lieder, "das sind, die uns verleiten;" 1 als man einst in einer großen Ver- sammlung von Bürgern diejenigen bei Seite treten hieß, welche katholisch bleiben wollten, that das nur ein Einziger. Von diesen Manifestationen gedrängt und durch seine Noch im Dec. 1529 rief er die verjagten Prediger 1 Das Lieb in Regkmanns Chronik p. 133. Ranke d. Gesch. III. 25
Ref. in d. niederdeutſch. Staͤdten. Luͤbeck. glieder anwuchs, um mit dem Rath deſſen Geldvorſchlägezu überlegen; allein ſie ergriff zugleich dieſe Gelegenheit, um nicht allein eine größere politiſche Macht, ſondern auch re- ligiöſe Veränderungen in Anſpruch zu nehmen. Sie for- derte, daß ihr Ausſchuß auch an Einnahme und Ausgabe gebührenden Antheil habe, und daß ihr die freie Predigt geſtattet werde. Gar bald erhob ſich hiefür die allgemeine Stimme. Man drang auf die Wiederherſtellung der Pre- diger, die vor einigen Jahren verwieſen worden; auch hier unterbrach der Pſalm „ach Gott vom Himmel ſieh darein“ den fungirenden Prieſter; man ſang Spottlieder gegen Jo- hann Rode, Kirchherrn zu unſerer Frauen, als welcher be- haupte, Chriſtus habe nur die Altväter erlöſt, von Spä- tergebornen müſſe das Heil ihm abverdient werden: „die uns ſollen weiden,“ heißt es in einem dieſer Lieder, „das ſind, die uns verleiten;“ 1 als man einſt in einer großen Ver- ſammlung von Bürgern diejenigen bei Seite treten hieß, welche katholiſch bleiben wollten, that das nur ein Einziger. Von dieſen Manifeſtationen gedrängt und durch ſeine Noch im Dec. 1529 rief er die verjagten Prediger 1 Das Lieb in Regkmanns Chronik p. 133. Ranke d. Geſch. III. 25
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0401" n="385"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ref. in d. niederdeutſch. Staͤdten. Luͤbeck</hi>.</fw><lb/> glieder anwuchs, um mit dem Rath deſſen Geldvorſchläge<lb/> zu überlegen; allein ſie ergriff zugleich dieſe Gelegenheit, um<lb/> nicht allein eine größere politiſche Macht, ſondern auch re-<lb/> ligiöſe Veränderungen in Anſpruch zu nehmen. Sie for-<lb/> derte, daß ihr Ausſchuß auch an Einnahme und Ausgabe<lb/> gebührenden Antheil habe, und daß ihr die freie Predigt<lb/> geſtattet werde. Gar bald erhob ſich hiefür die allgemeine<lb/> Stimme. Man drang auf die Wiederherſtellung der Pre-<lb/> diger, die vor einigen Jahren verwieſen worden; auch hier<lb/> unterbrach der Pſalm „ach Gott vom Himmel ſieh darein“<lb/> den fungirenden Prieſter; man ſang Spottlieder gegen Jo-<lb/> hann Rode, Kirchherrn zu unſerer Frauen, als welcher be-<lb/> haupte, Chriſtus habe nur die Altväter erlöſt, von Spä-<lb/> tergebornen müſſe das Heil ihm abverdient werden: „die<lb/> uns ſollen weiden,“ heißt es in einem dieſer Lieder, „das<lb/> ſind, die uns verleiten;“ <note place="foot" n="1">Das Lieb in Regkmanns Chronik <hi rendition="#aq">p.</hi> 133.</note> als man einſt in einer großen Ver-<lb/> ſammlung von Bürgern diejenigen bei Seite treten hieß,<lb/> welche katholiſch bleiben wollten, that das nur ein Einziger.</p><lb/> <p>Von dieſen Manifeſtationen gedrängt und durch ſeine<lb/> finanziellen Bedürfniſſe aller nachhaltigen Kraft zum Wi-<lb/> derſtand beraubt, mußte der Rath Schritt für Schritt<lb/> nachgeben.</p><lb/> <p>Noch im Dec. 1529 rief er die verjagten Prediger<lb/> zurück; im April 1530 entfernte er die Katholiken von<lb/> allen Kanzeln der Stadt; im Juni dieſes Jahres ſah er<lb/> ſich genöthigt, den Kirchen und Klöſtern zur Unterlaſſung<lb/> ihrer bisherigen Gebräuche anzuweiſen. Eben indem Carl<lb/> der <hi rendition="#aq">V</hi> zu Augsburg den alten Glauben in Deutſchland<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Ranke d. Geſch. <hi rendition="#aq">III.</hi> 25</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [385/0401]
Ref. in d. niederdeutſch. Staͤdten. Luͤbeck.
glieder anwuchs, um mit dem Rath deſſen Geldvorſchläge
zu überlegen; allein ſie ergriff zugleich dieſe Gelegenheit, um
nicht allein eine größere politiſche Macht, ſondern auch re-
ligiöſe Veränderungen in Anſpruch zu nehmen. Sie for-
derte, daß ihr Ausſchuß auch an Einnahme und Ausgabe
gebührenden Antheil habe, und daß ihr die freie Predigt
geſtattet werde. Gar bald erhob ſich hiefür die allgemeine
Stimme. Man drang auf die Wiederherſtellung der Pre-
diger, die vor einigen Jahren verwieſen worden; auch hier
unterbrach der Pſalm „ach Gott vom Himmel ſieh darein“
den fungirenden Prieſter; man ſang Spottlieder gegen Jo-
hann Rode, Kirchherrn zu unſerer Frauen, als welcher be-
haupte, Chriſtus habe nur die Altväter erlöſt, von Spä-
tergebornen müſſe das Heil ihm abverdient werden: „die
uns ſollen weiden,“ heißt es in einem dieſer Lieder, „das
ſind, die uns verleiten;“ 1 als man einſt in einer großen Ver-
ſammlung von Bürgern diejenigen bei Seite treten hieß,
welche katholiſch bleiben wollten, that das nur ein Einziger.
Von dieſen Manifeſtationen gedrängt und durch ſeine
finanziellen Bedürfniſſe aller nachhaltigen Kraft zum Wi-
derſtand beraubt, mußte der Rath Schritt für Schritt
nachgeben.
Noch im Dec. 1529 rief er die verjagten Prediger
zurück; im April 1530 entfernte er die Katholiken von
allen Kanzeln der Stadt; im Juni dieſes Jahres ſah er
ſich genöthigt, den Kirchen und Klöſtern zur Unterlaſſung
ihrer bisherigen Gebräuche anzuweiſen. Eben indem Carl
der V zu Augsburg den alten Glauben in Deutſchland
1 Das Lieb in Regkmanns Chronik p. 133.
Ranke d. Geſch. III. 25
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |